Zöliakie
Therapie aktuell
Therapie aktuell
Die Zöliakie ist eine häufige, durch Gluten induzierte immunologische Erkrankung des Dünndarms mit genetischer Disposition, die ein breites Spektrum an Art und Ausprägung von Symptomen einer Malabsorption zeigt. Bei einer Vielzahl z. T. isoliert auftretender extraintestinaler Befunde ist differenzialdiagnostisch an eine Zöliakie zu denken. Antikörpernachweis, Histologie und Therapieansprechen sichern die Diagnose. Einzige Therapie ist die konsequente, lebenslang glutenfreie Ernährung. Verschiedene andere Therapieansätze wurden in den letzten Jahren ohne entscheidende Fortschritte versucht.
The celiac disease is a frequent, immunologic, gluten induced condition of the small intestine with genetic background which shows a wide spectrum of clinical manifestations of malabsorption. In many (monosymptomatic) extraintestinale symptoms celiac disease should be part of the differential diagnosis. Detection of specific antibodies, histology and response to treatment verify the diagnosis. The only therapy is consistent, lifelong gluten-free diet. Different other therapy attempts were made during the last years without substantial progress.
Die Zöliakie ist definiert aus einer Kombination von Malabsorption und charakteristischen histologischen Befunden, die sich unter einer glutenfreien Ernährung sowohl klinisch als auch histologisch bessern (1). Dabei sind die histologischen Befunde nicht spezifisch für die Erkrankung; so findet sich eine Zottenatrophie auch bei anderen Erkrankungen wie tropischer Sprue oder Parasitenbefall des Dünndarms. In den letzten Jahren hat die sogenannte „nicht-zöliakie-glutensensitive Enteropathie“ in der Laienpresse große Beachtung gefunden. Diese wird in einem zweiten Beitrag in dieser AVP-Ausgabe behandelt.
Die Zöliakie ist eine häufige immunologische Erkrankung. Die Prävalenz liegt in Deutschland bei 1 : 250 und zeigt weltweit große regionale Unterschiede von 1 : 1000 bis 1 : 200 (2). Die Erstmanifestation ist in jedem Alter möglich, findet sich jedoch gehäuft im frühen Kindesalter und in der 4. bis 5. Lebensdekade. Es besteht eine genetische Disposition mit familiärer Häufung. HLA-DQ2 oder HLA-DQ8 sind bei nahezu allen Betroffenen nachweisbar. Die Zöliakie ist assoziiert mit einer Reihe autoimmunologischer Erkrankungen (siehe Tabelle 1) und findet sich gehäuft bei Patienten mit Down-, Turner- und Williams-Syndrom.
Gluten, ein Protein aus Weizen, Roggen und Gerste, und Gliadin, ein alkoholischer Glutenextrakt, induzieren zirkulierende Antikörper gegen Gluten und seine Komponenten im Serum (1;3;4). Konsekutiv kommt es zu einer Vermehrung von sensibilisierten T-Lymphozyten und Plasmazellen in der Lamina propria des Dünndarms (auch intraepithelial). Die Gewebstransglutaminase, ein Bestandteil der Endomysiumstruktur, ist das Zielantigen der durch die Aufnahme von Gliadin in die Mukosa induzierten autoimmunologischen Reaktion. Die immunologische Reaktion induziert eine Abflachung der mukosalen Oberfläche des Dünndarms mit verplumpten oder gar fehlenden Zotten bei gleichzeitiger Hyperplasie der Krypten. Hieraus ergibt sich eine Malabsorption durch eine verminderte Darmoberfläche, die verstärkt wird durch eine Maldigestion aufgrund der verminderten epithelialen Enzymaktivität und der gestörten Regulation der Galle- und Pankreassekretion. Fast immer besteht eine Laktoseintoleranz und häufig eine exokrine Pankreasinsuffizienz, die bei einem Teil der Patienten auch nach Restitution der intestinalen Zotten persistiert.
Vor dem Hintergrund der Variabilität des klinischen Bildes und des Erkrankungsverlaufes hat sich für die Zöliakie eine Differenzierung in unterschiedliche Manifestationsformen etabliert (3):
Für die sichere Diagnose einer Zöliakie müssen drei Kriterien erfüllt sein:
Die europäische Fachgesellschaft für Pädiatrie erachtet in ausgewählten Situationen bei Kinder und Jugendlichen eine histologische Sicherung für verzichtbar (6). Voraussetzung ist eine qualitativ hochwertige Durchführung der serologischen Diagnostik und Bewertung in den Händen eines erfahrenen Kindergastroenterologen und in Absprache mit den Eltern. Die Umsetzbarkeit dieses Vorgehens im Alltag bzw. das Ausmaß der möglichen Einsparungen an endoskopischen Untersuchungen wurde in verschiedenen Studien kritisch diskutiert (7;8).
Angesichts der Verbreitung der genetischen Disposition in der Allgemeinbevölkerung sollte bei unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Leistungsschwäche, Appetitlosigkeit aber auch bei Verhaltensauffälligkeiten oder Depression im Erwachsenenalter auch an eine Zöliakie gedacht werden (9). Dies gilt insbesondere auch im Zusammenhang mit der Aufarbeitung autoimmunologischer Erkrankungen (Tabelle 1) und extraintestinaler Symptome/Mangelzustände (Tabelle 2). Die Zöliakie kann sich ausschließlich mit extraintestinalen Symptomen manifestieren; es ist daher wichtig, bei Patienten mit einem isolierten, in der Tabelle 2 aufgeführten Symptom/Befund differenzialdiagnostisch an eine Zöliakie zu denken.
Die Bestimmung von HLA-DQ2 und HLA-DQ8 ist in den wenigen Fällen mit unklaren Befunden hilfreich. Ein negativer Befund schließt eine Zöliakie mit hoher Sicherheit aus (10).
Eine lebenslang glutenfreie Ernährung ist die bislang einzige effektive Therapie der Zöliakie. Dauerhaft muss auf Produkte wie Weizen, Roggen und Gerste verzichtet werden. Hafer ist initial verboten, wird aber von vielen Patienten später in geringen Mengen toleriert. Generell erlaubt sind Produkte mit Stärke aus Reis, Mais, Kartoffeln, Sojabohnen und Tapioka. Aufgrund der fehlenden Bürstensaumenzyme sind die Patienten initial intolerant für Milch und Milchprodukte. Eine Substitution von Pankreasenzymen ist in der Anfangsphase sinnvoll und muss bei einzelnen Patienten mit persistierender Pankreasinsuffizienz dauerhaft durchgeführt werden. In Ausnahmefällen ist initial eine parenterale Substitution von Vitaminen und Spurenelementen gegebenenfalls auch eine parenterale Ernährung notwendig.
Die Patienten müssen lernen, die Angaben zur Zusammensetzung von Nahrungsprodukten gründlich zu studieren. Tabelle 4 gibt einen Anhalt, in welchen Nahrungsmitteln des Alltags Gluten enthalten sein kann. Diätfehler sind meist unbeabsichtigt und häufig. Es ist heute einfacher, in einem Restaurant oder Kantine vegan zu essen, als ein gesichert glutenfreies Gericht zu bekommen (die Küche muss auch bei Zutaten und Würzen/Soßen auf Glutenfreiheit achten). Abgesehen von speziell für Zöliakie-Patienten angebotenen Zubereitungen, enthalten Fertiggerichte fast immer Gluten.
Die Therapie wird überwacht durch die Anamnese bezüglich Symptomen und Therapietreue, körperlichen Befunden (u. a. Gewichtszunahme) sowie die Bestimmung der oben genannten Antikörper. Diese Parameter werden anfänglich vierteljährlich, später jährlich kontrolliert. Die Antikörpertiter sollten unter die Nachweisgrenze fallen.
Erneute Biopsien aus dem Dünndarm sind notwendig, wenn es trotz korrekt eingehaltener Diät zu keiner ausreichenden Besserung kommt.
Bei Diarrhoe über mehr als vier Wochen und Gewichtsabnahme, gegebenenfalls kombiniert mit Temperaturerhöhungen und einer B-Symptomatik mit Leistungsminderung, Müdigkeit und Nachtschweiß trotz strikt eingehaltener Diät muss an komplizierte Formen bzw. Komplikationen einer Zöliakie gedacht werden: refraktäre Zöliakie, Enteropathie assoziiertes T-Zellen-Lymphom, ulzerative Jejunitis und Adenokarzinom des Dünndarms (3;11). Das Risiko ist bei langjährigem Verlauf insbesondere bei unzureichender diätetische Compliance erhöht (insgesamt aber trotzdem gering).
Formal wird für die refraktäre Zöliakie neben der (immun-)histologischen Differenzierung in Typ I und II als ein Kriterium eine frustrane Diät über zwölf Monate gefordert. Gerade bei Symptomen wie im vorherigen Absatz benannt, wird man aber bereits nach wenigen Wochen konsequenter Diät die Verdachtsdiagnose stellen und prüfen. Der Typ I der refraktären Zöliakie spricht häufig auf eine Behandlung mit Budenosid oder eine systemische Immunsuppression an; der Typ II kann übergehen in ein T-Zell-Lymphom, in eine ulzerative Jejunitis oder eine kollagene Zöliakie. Budenosid ist hier deutlich weniger wirksam; die Behandlung erfordert oft den Einsatz von Zytostatika. Während der Typ I eine gute Prognose hat, liegt beim Typ II die Fünf-Jahres-Überlebensrate unter 60 %.
Vor dem Hintergrund der schwierig konsequent durchhaltbaren und einschränkenden glutenfreien Ernährung gab/gibt es verschiedene pharmakologische Behandlungsansätze, die bislang klinisch nicht relevant sind:
An die glutenindizierte Zöliakie sollte auch bei monosymptomatischen Manifestationen einer intestinalen Malabsorption gedacht werden. Auf eine histologische Sicherung als Teil des diagnostischen Standards sollte nur bei Kindern in definierten Ausnahmefällen verzichtet werden. Therapieoptionen außerhalb der einschränkenden glutenfreien Ernährung konnten bislang nicht etabliert werden.
U. Rosien erhielt Honorare für Fortbildungsveranstaltungen und Vorträge von Falk Foundation und Olympus.
Dieser Artikel basiert auf einem Buchbeitrag in „Facharztwissen Gastroenterologie“, erschienen im Elsevier-Verlag 2017.