Erworbene Hämophilie A infolge Clopidogrel? (UAW-News - International)

Die AkdÄ möchte Sie im Folgenden über Publikationen und Meldungen aus dem internationalen Raum informieren und hofft, Ihnen damit nützliche Hinweise auch für den Praxisalltag geben zu können.

Clopidogrel (Iscover®, Plavix®) ist zugelassen zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei Patienten mit Herzinfarkt, mit ischämischem Schlaganfall oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit sowie in Kombination mit Acetylsalicylsäure bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom. Es wird mit stark zunehmender Häufigkeit verordnet und erreichte 2003 über 117 Mio. DDD (1).

Englische Autoren (2) berichten über zwei 70 bzw. 67 Jahre alte Patientinnen, die wegen einer bestehenden peripheren Verschlusskrankheit mit Clopidogrel behandelt wurden. Zwei bis drei Monate nach Therapiebeginn traten ausgedehnte Hämatome und Einblutungen in Weichteilen auf. Bei der Analyse des Gerinnungsstatus zeigte sich, dass beide Frauen einen sehr niedrigen Faktor-VIII-Wert aufwiesen (3,9 bzw. 1 Prozent, normal 60-150 Prozent) (3) bei normalem Von-Willebrand-Faktor. Als Ursache der Faktor-VIII-Verminderung wurden durch Clopidogrel induzierte Autoantikörper gegen Faktor VIII (erworbene Hemmkörper) angesehen. Die Patientinnen wurden mit Prednisolon behandelt, wonach die Konzentrationen des Faktor VIII auf 119 bzw. 136 Prozent anstiegen. Bei einer Patientin kam es zu einem Rückfall, nachdem die Glucocorticoid-Dosis reduziert wurde, jedoch konnte unter Azathioprin eine dauerhafte Normalisierung erreicht werden.

Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand: 30.03.2005) sind 789 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen nach Gabe von Clopidogrel erfasst. Davon betreffen 73,5 Prozent der Meldungen Thrombozytenveränderungen und Gerinnungsstörungen, wobei gastrointestinale Blutungen mit 111 (14,1 Prozent) und Thrombozytopenien mit 89 Meldungen (11,3 Prozent) im Vordergrund stehen. In drei Fällen wurde über einen Prothrombinmangel berichtet. In den Fachinformationen (4) wird auf eine gelegentlich verlängerte Blutungszeit und erniedrigte Thrombozytenzahl, aber nicht auf eine Verminderung von Gerinnungsfaktoren hingewiesen. Autoantikörper gegen Faktor VIII treten zwar selten auf (0,2-1 pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr), ein kausaler Zusammenhang zur Einnahme von Medikamenten, insbesondere von Antibiotika, wurde jedoch mehrfach beschrieben (5).

Bei ausgedehnten Hämatomen und Blutungen unter Clopidogrel muss nicht nur daran gedacht werden, dass die Substanz eine Thrombozytenaggregationshemmung und Thrombopenie bewirkt, sondern es sollte auch eine Analyse des Blutgerinnungsstatus, insbesondere auch mit der Frage nach der Existenz erworbener Hemmkörper gegen Gerinnungsfaktoren, durchgeführt werden.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen von der AkdÄ-Internetpräsenz www.akdae.de abrufen.

Literatur
1. Schwabe U, Paffrath P (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2004. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 2004.


2. Haj M, Dasani H, Kundu S, Mohite U, Collins PW: Acquired haemophilia A may be associated with clopidogrel. Brit Med J 2004; 329: 323.


3. Oldenburg J, Brackmann H-H: Diagnostik, Klinik und Therapie der Hämophilie A und B. In: Müller-Berghaus G, Pötzsch B (Hrsg.) Hämostaseologie. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York 1998; 185-197.


4. Fachinformation Iscover® 75 mg Filmtabletten, August 2004; Fachinformation Plavix® 75 mg Filmtabletten, August 2004.


5. Delgado J, Yuste V, Navarro F, Villar A: Acquired haemophilia: review and meta-analysis focused on therapy and prognostic factors. Br J Haematol 2003; 121: 21-35.