Leberversagen nach Rosuvastatin

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2022

Fallberichte

(Dieser Artikel wurde am 13. September 2022 vorab online veröffentlicht.)

Fallbericht

Der AkdÄ wurde der Fall eines 70-jährigen Patienten berichtet, der nach einem akuten Leberversagen unter der Therapie mit Rosuvastatin verstarb. Der Mann nahm seit etwa acht Wochen Rosuvastatin (10 mg, 1 x täglich) ein, als Übelkeit und Erbrechen sowie ein Ausschlag am ganzen Körper, vor allem an Bauch und Unterschenkel, auftraten. Der Hausarzt pausierte Rosuvastatin und verordnete 50 mg Prednisolon, die zu einer leichten Besserung der Beschwerden führten. Etwa drei bis vier Tage später wurde der Patient durch den Hausarzt aufgrund einer akuten Hepatitis ins Krankenhaus eingewiesen. Der Patient klagte über Schwindel und Dyspnoe. Weiterhin bestand eine Thrombozytopenie im Rahmen eines toxischen Knochenmarkschadens nach Alkoholabusus in der Jugend.

In der Gastroenterologie wurde eine Sonographie des Abdomens durchgeführt. Dabei ließen sich ein Zirrhoseaspekt und eine Pfortaderthrombose ausschließen. Aufgrund akuter Vigilanzminderung wurde der Patient nach einem Tag auf die Intensivstation verlegt, wo mittels CCT eine intrakranielle Blutung ausgeschlossen wurde. Bei fehlenden Schutzreflexen erfolgte die lntubation. Laborchemisch zeigte sich eine schwere kompromittierte plasmatische Gerinnung, stark erhöhte Transaminasen, eine schwere Hyperbilirubinämie zugunsten des direkten Bilirubins, ein stark erhöhter Ammoniakwert sowie sehr hohe Laktatwerte und fortwährend hypoglykäme Blutzuckerwerte als Zeichen der schweren Leberinsuffizienz. Neben kontinuierlicher Glukosesubstitution und Stabilisierung der Gerinnung mit Fibrinogen und Thrombozyten wurde bei Anurie und persistierender hoher Laktatazidose eine kontinuierliche venovenöse Hämodialyse begonnen. Die Hepatitis-Serologie ergab keinen Anhalt für eine akute Infektion. Im weiteren Verlauf kam es zu einer Progredienz mit schwerer therapierefraktärer metabolischer Azidose, zunehmender Laktatämie und hämodynamischer Instabilität. Der Patient verstarb am vierten Tag nach der Krankenhausaufnahme.

Arzneimittel

Rosuvastatin ist ein selektiver, kompetitiver Hemmstoff der HMG-CoA-Reduktase, die eine Schlüsselrolle in der körpereigenen Cholesterinsynthese spielt. Rosuvastatin erhöht die Anzahl der hepatischen LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche, wodurch die Aufnahme und der Abbau von LDL beschleunigt werden, und es hemmt die Synthese von VLDL in der Leber. Dadurch wird die Gesamtzahl von VLDL- und LDL-Partikeln reduziert (1).

So wie bei anderen HMG-CoA-Reduktase-Hemmern wird auch bei Rosuvastatin empfohlen, vor sowie drei Monate nach Behandlungsbeginn Leberfunktionstests durchzuführen (1).

In der Europäischen Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen (EudraVigilance) finden sich unter den Verdachtsberichten zu Rosuvastatin über 2200 Fälle von hepatobiliären Störungen unter diesem Statin (2). Schwere Leberschädigungen sind selten, aber in Einzelfällen dokumentiert (3;4).

Krankheitsbild

Das akute Leberversagen ist eine schwere und plötzlich auftretende Form der Leberinsuffizienz, die mit einer hohen Letalität assoziiert ist. Als wichtigste Merkmale der akuten Leberinsuffizienz gelten vor allem die akute Entwicklung eines Ikterus, die Einschränkung der Lebersyntheseleistung (vor allem als Koagulopathie) sowie das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie bei Patienten ohne eine vorbestehende Lebererkrankung.

Bei der Entstehung des Leberversagens spielen medikamentös-toxische Ursachen (vor allem Paracetamol) und Virushepatitiden eine übergeordnete Rolle. Die Therapie richtet sich nach dem Auslöser (z. B. durch Gabe von N-Acetylcystein bei Paracetamol-Intoxikation). Bei progredientem, nicht anders beherrschbarem Leberversagen bleibt die Lebertransplantation die einzig mögliche Therapie (5;6).

Bewertung der Kausalität

Statine gelten bezüglich der Leber als weitgehend sichere Medikamente. Eine geringe Erhöhung der Leberenzyme im Serum unter der Therapie mit Statine ist nicht ungewöhnlich, in der Fachinformation von Rosuvastatin adressiert und in der Ärzteschaft gut bekannt (1).

Die potenziell protektive Wirkung von Statinen bezogen auf den Progress einer nicht alkoholischen Fettleberhepatitis, aber auch chronischer viraler Hepatitiden, wird in den letzten Jahren intensiv diskutiert (7;8).

In der Fachinformation zu Rosuvastatin sind als schwere Nebenwirkungen erhöhte hepatische Transaminasen als seltene und Gelbsucht und Hepatitis als sehr seltene Nebenwirkungen (weniger als 1:10.000) aufgeführt (1). Ein akutes Leberversagen wird mit den genannten Begriffen nicht abgedeckt und ist wahrscheinlich auch im Bewusstsein der Ärzteschaft nicht präsent. Es gibt aber einzelne Fallberichte, die auch eine DILI (Drug-induced Liver Injury) mit autoimmuner Komponente (und Ansprechen auf Prednisolon) umfassen (4).

In der Fachinformation zu Arzneimitteln mit Simvastatin, Atorvastatin und Pravastatin ist Leberversagen mit teils tödlichem Ausgang als sehr seltene Nebenwirkung aufgeführt (9-11).

Es ist unklar, ob die im berichteten Fall durchgeführte Diagnostik neben der Hepatitis-Serologie auch die Bestimmung von Autoantikörpern und eine toxikologische Untersuchung inkludierte. Zudem kann eine Einnahme anderer hepatotoxischer Substanzen durch den Patienten nicht komplett ausgeschlossen werden. Im Arztbrief ist kein Therapieversuch mit N-Acetylcystein dokumentiert, der bei unklarem Leberversagen, unabhängig von einer Paracetamol-Anamnese, indiziert wäre. Auch eine fortgesetzte Gabe von Kortikosteroiden ist nicht beschrieben.

Es lässt sich aus diesen Gründen ein möglicher bis wahrscheinlicher kausaler Zusammenhang zwischen der Einnahme von Rosuvastatin und dem Leberversagen annehmen.

Fazit für die Praxis

Akutes Leberversagen ist unter Rosuvastatin nicht als mögliche Nebenwirkung aufgeführt. Es ist aber eine bekannte, wenn auch sehr seltene Nebenwirkung anderer Statine, sodass in der Praxis auch unter Rosuvastatin auf Symptome eines Leberversagens geachtet werden sollte. Insbesondere neu eingestellte Patienten sollten anfangs engmaschig kontrolliert werden.

Literatur

  1. AstraZeneca GmbH: Fachinformation „Crestor® 5 mg/10 mg/20 mg Filmtabletten“. Stand: März 2022.
  2. Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen: https://www.adrreports.eu/de/search.html. Stand: 24. Juni 2022.
  3. Cai T, Abel L, Langford O et al.: Associations between statins and adverse events in primary prevention of cardiovascular disease: systematic review with pairwise, network, and dose-response meta-analyses. BMJ 2021; 374: n1537.
  4. Shah J, Lingiah V, Pyrsopoulos N, Galan M: Acute liver injury in a patient treated with rosuvastatin: a rare adverse effect. Gastroenterology Res 2019; 12: 263-266.
  5. Bernal W, Williams R: Acute liver failure. Clin Liver Dis (Hoboken) 2020; 16 (Suppl. 1): 45-55.
  6. Thomas AM, Lewis JH: Nonacetaminophen drug-induced acute liver failure. Clin Liver Dis 2018; 22: 301-324.
  7. Torres-Peña JD, Martín-Piedra L, Fuentes-Jiménez F:  Statins in non-alcoholic steatohepatitis.Front Cardiovasc Med 2021; 8: 777131.
  8. Vahedian-Azimi A, Shojaie S, Banach M et al.: Statin therapy in chronic viral hepatitis: a systematic review and meta-analysis of nine studies with 195,602 participants. Ann Med 2021; 53: 1227-1242.
  9. Mylan Germany GmbH: Fachinformation „Simvadura 80 mg Filmtabletten“. Stand: Oktober 2020.
  10. Viatris Pharma GmbH: Fachinformation „Sortis® Filmtabletten“. Stand: Mai 2022.
  11. Ratiopharm GmbH: Fachinformation „Pravastatin-ratiopharm Tabletten“. Stand: September 2018.

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, keine Interessenkonflikte zu haben.