Empagliflozin bei Herzinsuffizienz: neue Erkenntnisse?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2022

Arzneimittel - kritisch betrachtet

(Dieser Artikel wurde am 13. September 2022 vorab online veröffentlicht.)

Die Studie EMPEROR-Preserved (1) untersucht, ob Patienten mit Herzinsuffizienz auch dann von Empagliflozin profitieren, wenn die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) über 40 % liegt.

Herzinsuffizienz

In Abhängigkeit von der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) werden verschiedene Formen der Herzinsuffizienz unterschieden:

  • HFrEF: die Herzinsuffizienz mit reduzierter LVEF (heart failure with reduced ejection fraction,) bei einer LVEF < 40 %,
  • HFpEF: die Herzinsuffizienz mit erhaltener LVEF (heart failure with preserved ejection fraction) bei einer LVEF ≥ 50 %,
  • HFmrEF: die Herzinsuffizienz mit geringgradig reduzierter LVEF (heart failure with mildly reduced ejection fraction) bei einer LVEF von 40–49 % als Zwischenform zwischen HFrEF und HFpEF.

Bei Patienten mit HFrEF können Mortalität und Symptomatik durch eine abgestufte medikamentöse Therapie klinisch relevant beeinflusst werden. Die Stufentherapie beinhaltet ACE(Angiotensin Converting Enzyme)-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARB), Betarezeptorenblocker, Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA) sowie Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI). Die Wirksamkeit dieser Arzneimittel ist bei HFpEF nicht belegt. Die medikamentöse Therapie der HFpEF beinhaltet in erster Linie eine optimierte Behandlung der Grund- und Begleiterkrankungen. Die größte prognostische Relevanz hat dabei die Therapie der arteriellen Hypertonie. Außerdem sollen bei Zeichen einer Flüssigkeitsretention symptomorientiert Diuretika gegeben werden (2-4).

Empagliflozin

Empagliflozin ist ein Inhibitor des renalen Natrium(Sodium)-Glukose-Cotransporters-2 (SGLT2), der seit 2014 zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) zugelassen ist. Bei Hyperglykämie bewirkt Empagliflozin eine verstärkte renale Glukoseausscheidung und damit eine insulinunabhängige Blutzuckersenkung. Empagliflozin erhielt 2021 außerdem eine Zulassung zur Behandlung erwachsener Patienten mit HFrEF und im März 2022 von Patienten mit HFpEF. Der genaue Wirkmechanismus bei Herzinsuffizienz ist noch nicht geklärt. Diskutiert werden neben der diuretischen Wirkung auch Auswirkungen auf den Myokardstoffwechsel und auf kardiale Ionenkanäle (5).

Studiendesign von EMPEROR-Preserved

Die Studie EMPEROR-Preserved wurde multizentrisch und doppelblind durchgeführt. Die Patienten (n = 5988) wurden im Verhältnis 1:1 auf eine einmal tägliche Gabe von Empagliflozin 10 mg oder Placebo randomisiert. Zusätzlich sah das Studienprotokoll in beiden Studienarmen eine individuell optimierte Begleittherapie vor. Der primäre Endpunkt war ein kombinierter Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod oder Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz. Die Studie wurde ereignisgesteuert nach 841 Ereignissen des primären Endpunkts beendet. Die Behandlungsdauer betrug im Median 23 Monate (6).

Vergleichbarkeit der Studienpopulation mit der Zielgruppe in der Versorgung

  • 45 % der Patienten kamen aus Europa. Das Durchschnittsalter lag bei 72 Jahren. Frauen wurden etwas seltener als Männer eingeschlossen und waren damit leicht unterrepräsentiert.
  • Die Studie EMPEROR-Preserved schloss Patienten mit einer LVEF > 40 % ein. Bei einem Drittel der eingeschlossenen Patienten lag die LVEF unter 50 %. In der Studie EMPEROR-Preserved wird somit eine gemischte Population aus Patienten mit HFpEF und HFmrEF untersucht.
  • Voraussetzung für die Studienteilnahme waren NT-proBNP(N-terminal pro-Brain natriuretic Peptide)-Werte > 300 pg/ml (Patienten ohne Vorhofflimmern oder -flattern) bzw. > 900 pg/ml (Patienten mit Vorhofflimmern oder -flattern). Diese Schwellenwerte liegen deutlich höher als die in aktuellen Leitlinien (NT-proBNP-Wert > 125 pg/ml bzw. > 365 pg/ml) empfohlenen Diagnosekriterien (2-4). Hierdurch bestand eine hohe Selektion der Studienteilnehmer: Etwa 38 % der gescreenten Patienten wurden allein aufgrund zu niedriger NT-proBNP-Werte von der Studienteilnahme ausgeschlossen. In der Studie EMPEROR-Preserved wurden somit vor allem schwer erkrankte Patienten untersucht, die ein besonders hohes Risiko für eine Dekompensation der Herzinsuffizienz haben. 

Umsetzung der Begleittherapie

  • Laut aktuellen Leitlinien (2-4) sollen Patienten mit HFmrEF auf die gleiche Weise medikamentös behandelt werden wie Patienten mit HFrEF. Es liegen keine Daten vor, inwiefern in der Studie EMPEROR-Preserved für Patienten mit HFmrEF die Basistherapie aus ACE-Hemmern/ARB, Betablockern und MRA umgesetzt wurde. Nur sehr wenige Patienten erhielten ARNI (2 %). Eine leitliniengerechte Therapieeskalation mit einem SGLT2-Inhibitor war für die Kontrollgruppe ausgeschlossen.
  • Die NVL zu T2DM (7) empfiehlt für Patienten mit komorbider, relevanter kardiovaskulärer Erkrankung die Kombination von Metformin plus SGLT2-Inhibitoren oder Glucagon-like-Peptid-1-Rezeptoragonist (GLP-1-RA). Bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko soll eine individuelle Therapieentscheidung getroffen werden. In der Studie EMPEROR-Preserved durften SGLT2-Inhibitoren im Kontrollarm nicht eingesetzt werden und nur knapp 1 % der Patienten erhielten einen GLP-1-RA.
  • Bei Studienbeginn war der Blutdruck bei mehr als einem Drittel der Patienten unzureichend eingestellt (systolisch ≥ 140 mmHg oder diastolisch ≥ 90 mmHg). Es ist unklar, weshalb trotzdem laut Einschätzung der Prüfärzte 99,6 % der Patienten bereits zu Studienbeginn „die beste, verträgliche und dabei leitliniengerechte Therapie der Herzinsuffizienz sowie der Begleiterkrankungen bzw. -symptome erhielten“ (8).
  • In der Kontrollgruppe erfolgte häufiger eine Intensivierung der diuretischen Therapie als unter Empagliflozin (16 % vs. 20 %), dennoch reduzierte sich das Körpergewicht unter Empagliflozin im Studienverlauf deutlich stärker als in der Kontrollgruppe (–1,4 kg vs. –0,1 kg). Der unterschiedliche Gewichtsverlauf könnte darauf hindeuten, dass die diuretische Therapie unter Placebo nicht in dem Maße angepasst wurde, wie es der diuretischen Wirkung von Empagliflozin im Interventionsarm entsprach.

Wirksamkeit

Empagliflozin hatte keinen Einfluss auf die Gesamtmortalität oder die kardiovaskuläre Mortalität. Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz wurden über den Behandlungszeitraum von 23 Monaten um absolut 3,2 % reduziert. Dieser Effekt ist von eher geringer klinischer Relevanz, zumal die Anzahl der Gesamthospitalisierungen nicht signifikant gesenkt wurde (Tabelle 1). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität und der Gesundheitszustand wurden nicht beeinflusst. Auch die Häufigkeit von Myokardinfarkten und Schlaganfällen war in beiden Gruppen gleich.

Subgruppenanalysen zeigten eine ähnliche Wirksamkeit von Empagliflozin bei Patienten mit und ohne T2DM oder chronische Nierenerkrankung. Mit zunehmender LVEF scheint sich insgesamt die Effektivität von Empagliflozin zu verringern. Die Ergebnisse sind jedoch je nach Kategorisierung der LVEF unterschiedlich. Es gibt Hinweise, dass die Gesamtmortalität bei NYHA III/IV unter Empagliflozin erhöht sein könnte, sowie Hinweise auf eine eventuell erhöhte Rate an Myokardinfarkten bei Frauen. Subgruppenanalysen legen außerdem nahe, dass mit MRA vorbehandelte Patienten deutlich weniger von Empagliflozin profitieren als Patienten ohne MRA-Therapie (Tabelle 2) (8).

Sicherheit

Unter Empagliflozin traten signifikant vermehrt Harnwegsinfektion (7,9 % vs. 6,1 %), Genitalinfektionen (2,2 % vs. 0,7 %), symptomatischer Hypotonus (6,6 % vs. 5,2 %) und allergische Hautreaktionen (2,6 % vs. 1,8 %) auf. Ketoazidosen waren selten und unter Empagliflozin nicht gehäuft (0,1 % in beiden Studienarmen).

Fazit

Empagliflozin beeinflusste bei Patienten mit Symptomen einer Herzinsuffizienz und einer LVEF > 40 % nicht die Sterblichkeit. Herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen wurden durch Empagliflozin reduziert, aber der Unterschied war gering. Die Gesamtzahl der Hospitalisierungen wurde nicht gesenkt und es wurde kein Effekt auf die Lebensqualität und den Gesundheitszustand der Patienten gezeigt. Es ist unklar, ob Empagliflozin auch bei leitliniengerechter Therapie der Herzinsuffizienz (medikamentöse Stufentherapie bei HFmrEF, adäquate Blutdruckeinstellung, individuell optimierte diuretische Therapie) und der Begleiterkrankungen (insbesondere bei kardiovaskulär vorerkrankten Patienten mit T2DM) zu einer Reduktion herzinsuffizienzbedingter Hospitalisierungen geführt hätte.

Literatur

  1. Anker SD, Butler J, Filippatos G et al.: Empagliflozin in heart failure with a preserved ejection fraction (Supplementary appendix). N Engl J Med 2021; 385: 1451-1461.
  2. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz – Langfassung: www.leitlinien.de/themen/herzinsuffizienz/pdf/herzinsuffizienz-3aufl-vers3.pdf (letzter Zugriff: 11. Juli 2022). AWMF-Register Nr. nvl-006, 3. Auflage, Version 3, ÄZQ 2019.
  3. Heidenreich PA, Bozkurt B, Aguilar LA et al.: 2022 AHA/ACC/HFSA Guideline for the management of heart failure: A report of the american college of cardiology/american heart association joint committee on clinical practice Guidelines. Circulation 2022; 145: e895-e1032.
  4. McDonagh TA, Metra M, Adamo M et al.: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021; 42: 3599-3726.
  5. Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG and L. D. GmbH: Fachinformation "Jardiance® 10 mg, 20 mg Filmtabletten". Stand: März 2022.
  6. Packer M, Butler J, Zannad F et al.: Effect of Empagliflozin on worsening heart failure events in patients with heart failure and preserved ejection fraction: EMPEROR-preserved trial (Supplemental material). Circulation 2021; 144: 1284-1294.
  7. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes: – Teilpublikation der Langfassung: www.leitlinien.de/themen/diabetes/pdf/diabetes-2aufl-vers1.pdf (letzter Zugriff: 11. Juli 2022). AWMF-Register Nr. nvl-001, 2. Auflage, Version 1, ÄZQ 2021.
  8. Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG and L. D. GmbH (2021). Dossier zur Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V zu Empagliflozin (Jardiance®), Modul 4 A Symptomatische, chronische Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion: https://www.g-ba.de/downloads/92-975-5651/2022_03_28_Modul4_Empagliflozin.pdf (letzter Zugriff: 11. Juli 2022). Stand: 12. Juli 2021.

           

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, keine Interessenkonflikte zu haben.