Fäkaler Mikrobiomtransfer zur Behandlung rezidivierender Infektionen mit Clostridium difficile

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2016

Autor

Zusammenfassung

Das Mikrobiom des Darmes wird derzeit intensiv erforscht. Es ist in vielen Aspekten von Bedeutung für den Erhalt der Gesundheit. Zur Therapie von Krankheitszuständen wurde die Übertragung von Stuhl bereits vor Jahrhunderten in China und Arabien eingesetzt. Störungen des Mikrobiom, z. B. durch Antibiotika, begünstigen die Entwicklung einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoe, die – bei ausgeprägter Toxinbildung – lebensbedrohlich sein kann. Trotz adäquater Behandlung kann es zu rezidivierenden Erkrankungen kommen mit chronischen Schmerzen und Fatigue. Der fäkale Mikrobiomtransfer kann in dieser Erkrankungssituation neun von zehn Betroffenen heilen. Dies ist durch eine randomisierte Studie und in Metaanalysen gezeigt worden. Die Schritte zur rigorosen Spenderauswahl und der Durchführung, aber auch formal-juristische Implikationen werden aufgezeigt. Jeder Mikrobiomtransfer sollte in das „MikroTrans“-Register gemeldet werden. Ein Mikrobiomtransfer aus anderen Indikationen sollte derzeit nur innerhalb von Studien erfolgen.

Abstract

The microbiome of the bowel is currently under intense investigation. It is important for the preservation of health. For the therapy of illnesses, microbiome transfer has already been used centuries ago in China and Arabia. Disturbances of the microbiome, e.g. by antibiotics, facilitate the development of a Clostridium difficile-related diarrhoea which can be life-threatening. In spite of adequate treatment recurrent infection with chronic pain and fatigue may occur. Fecal microbiome transfer can heal up to nine of ten affected persons with recurrent infection. This is shown by a randomised study and in metaanalyses. The steps for a strict donor selection and the process of microbiome transfer are presented together with formal implications. Every microbiome transfer should be documented in the “MikroTrans” register. A microbiome transfer for indications other than Clostridium difficile infection should currently occur only within studies.

Die Anzahl der Mikroorganismen innerhalb unseres Verdauungstraktes übersteigt bei Weitem die Zahl unserer Körperzellen. Dieses „Mikrobiom“ des Darmes ist in den letzten zehn Jahren weltweit in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt. Besonders bemerkenswert sind dabei die zahlreichen Interaktionen, die zwischen Mensch und Mikrobiom in manchen Aspekten so intensiv erscheinen, dass nicht immer eindeutig unterschieden werden kann, wer Wirt und wer Gast ist (1). Während diese Interaktionen erst in den letzten Jahren intensiv beforscht wurden, hat die therapeutische Anwendung von Stuhl eine jahrhundertealte Tradition. Im China des 16. Jahrhunderts sind verschiedene „Stuhl-Mixturen“ zur spezifischen Behandlung unterschiedlicher Magen-Darm-Erkrankungen beschrieben. Auch bei den Beduinen wurde Kameldung zur Behandlung akuter Durchfallerkrankungen eingesetzt. In der modernen, westlichen Medizin finden sich Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts erste Publikationen zum erfolgreichen Einsatz des Mikrobiomtransfers in der Behandlung der pseudomembranösen Colitis (2). In der klinischen Anwendung steht diese Indikation heute im Fokus.

Die meisten antibiotikaassoziierten Durchfälle sind osmotisch und auf die verminderte metabolische Aktivität der durch die Antibiotika reduzierten Darmflora zurückzuführen. Diese osmotischen Durchfälle sistieren nach Absetzen der Antibiotika. Circa jede fünfte antibiotikaassoziierte Diarrhoe wird jedoch durch eine Überwucherung der Flora mit Clostridium difficile verursacht, dessen Toxin die Durchfälle induziert. Ein spontanes Abklingen dieser Clostridium-difficile-assoziierten Durchfälle ist nur bei 20 % der Betroffenen zu erwarten (3). Die Zahl der klinisch relevanten Clostridium-difficile-Infektion nach Antibiotikatherapie hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. 2011 wurden in Deutschland allein im stationären Bereich fast 100.000 Clostridium-difficile-Infektionen dokumentiert (4). Auch die Zahl der schwerwiegenden und tödlichen Verläufe mit toxischem Megakolon und akutem Nierenversagen hat zugenommen, u. a. weil neue Clostridien-Stämme eine bis tausendfach gesteigerte Toxinproduktion aufweisen.

Clostridium difficile ist antibiotikasensibel. Bei milder Erstmanifestation ist eine Behandlung mit Metronidazol per os ausreichend (4 x 250 mg für 10 Tage). Bei schwereren Verläufen erfolgt die Behandlung mit Vancomycin p.o. (viermal 125–250 mg täglich für 10 Tage), gegebenenfalls ergänzt durch intravenöses Metronidazol (3). Rezidive sind mit bis zu 25 % häufig. Nach dem zweiten Rezidiv muss sogar in über 60 % mit Erkrankungsrückfällen gerechnet werden. Fidaxomycin wurde 2012 in die Behandlung von Clostridien-Infektionen eingeführt (zweimal 200 mg p.o. für 10 Tage). Der gemeinsame Bundesausschuss sieht bei dieser Substanz einen deutlichen Behandlungsvorteil gegenüber dem Vancomycin beim ersten Erkrankungsrezidiv, jedoch nicht in der Erstbehandlung oder nach weiteren Rezidiven (Metronidazol p.o. spielt bei der Behandlung von Clostridien-Rezidiven keine Rolle). Auch für diese Substanz liegt das Rezidivrisiko bei über 10 % (5).

Erwartungsgemäß steigt mit der Zahl der Clostridien-Infektionen auch die Zahl der Patienten, die von rezidivierenden Verläufen betroffen sind. Diese Patienten entwickeln zusätzlich zu den Durchfällen in der Regel weitere Symptome wie chronische Bauchschmerzen, Gewichtsverlust oder Fatigue (6).

Wie eingangs erwähnt, wurde Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts erstmals über die erfolgreiche Behandlung rezidivierender Clostridien-Infektionen durch Transfer von Stuhl eines gesunden Spenders auf einen kranken Empfänger berichtet. Erst in den letzten 15 Jahren finden sich jedoch regelmäßig Publikationen zum Einsatz des fäkalen Mikrobiomtransfers zur Behandlung der Clostridien-Infektion. Cammarota et al. haben 2014 die bis dahin publizierten Fallberichte und Fallserien in einer Metaanalyse zusammengefasst (7): Bei 536 dokumentierten Patienten betrug die Heilungsrate durchschnittlich 86 %. Es gibt eine nichtsignifikante Tendenz für den Vorteil einer Mikrobiom-Applikation in das Zökum bzw. Colon ascendens mit einer durchschnittlichen Heilungsrate von 93 %. In die Metaanalyse inkludiert war auch die bislang einzige randomisierte Studie, von der in AVP 5/2013 schon berichtet wurde: Nach Einschluss von 42 Patienten wurde die Studie in einer Interimsanalyse aus ethischen Gründen abgebrochen, da sich ein erheblicher therapeutischer Vorteil des Mikrobiomtransfers (13 von 16 Patienten) gegenüber einer Vancomycin-basierten Standardtherapie (7 von 26 Patienten) zeigte (8). Weitere 2014 publizierte Fallserien bestätigen konstant die Erfolgsrate des fäkalen Mikrobiomtransfers in der Behandlung rezidivierender Clostridien-Infektionen (9). Typischerweise normalisiert sich der Stuhlgang nach Mikrobiomtransfer innerhalb weniger Tage. Bei einzelnen Patienten kann dies bis zu drei Wochen dauern und ein kleiner Teil der Behandelten bedarf eines zweiten oder dritten Transfers. Das beim Empfänger neue restituierte Mikrobiom ist stabil, der therapeutische Erfolg bezüglich der Durchfälle anhaltend. Auch die genannten Begleitsymptome einer chronisch rezidivierenden Clostridien-Infektion werden in erheblichem Maße gebessert (6).

Wann der beste Zeitpunkt für einen Mikrobiomtransfer bei der Behandlung von Clostridien ist, wurde bisher nicht analysiert. Allgemein akzeptiert wird eine Indikationsstellung im zweiten Erkrankungsrezidiv, sofern eine Vorbehandlung mit Vancomycin und/oder Fidaxomycin in adäquater Dosierung und Dauer erfolgte (10;11).

Bei der Durchführung eines fäkalen Mikrobiomtransfers sind eine Reihe von Voraussetzungen zu beachten (10-12):

  • Die Aufbereitung und Applikation des Spenderstuhls unterliegt dem Arzneimittelgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nummer 2A und § 13 Abs. 2b des AMG). Herstellung und Durchführung unterliegen der Verantwortlichkeit des behandelnden und am Prozess persönlich beteiligten Arztes. Das Verfahren ist bei den lokalen Gesundheitsbehörden anzeigepflichtig (13).
  • Nach den bisher publizierten Erfahrungen scheinen schwerwiegende Komplikationen selten. In der eigenen Erfahrung sind subfebrile Temperaturen, Meteorismus und geringe CRP-Erhöhung häufig. Dass mit dem Spenderstuhl auch Krankheitserreger übertragen werden können, ist einleuchtend und in Einzelfällen auch in der Literatur belegt. Daher müssen Spenderstuhl und Spender vor dem Transfer gründlich untersucht werden. Das Spektrum der Stuhluntersuchung sollte neben den üblichen pathogenen Keimen und Parasiten auch die multiresistenten gramnegativen Erreger (MRGN) beinhalten, da mittlerweile 10 % der Bevölkerung Träger dieser MRGN sind. Darüber hinaus muss der Spender auf MRSA, Virushepatitis, HIV-Infektion, Syphilis und Tuberkulose (Quantiferon®-Test) untersucht sein. Der Spender sollte weder in den letzten Monaten an einem Magendarminfekt erkrankt sein noch eine Antibiotikatherapie erhalten haben. Darüber hinaus legen die Untersuchungen zur Interaktion zwischen Mikrobiom und Wirt nahe, Personen mit erheblicher Adipositas, mit bösartigen oder autoimmunen Erkrankungen sowie mit neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen als Spender auszuschließen.
  • Der Spenderstuhl sollte bei der Applikation idealerweise nicht älter als sechs Stunden, und auf keinen Fall älter als 24 Stunden sein. Appliziert werden 250–500 ml einer gefilterten Suspension des Spenderstuhls, wobei der Empfänger mindestens eine halbe Stunde nach der Applikation nicht zur Toilette gehen sollte.
  • Die Ergebnisse der Spenderuntersuchung und die Daten zum Mikrobiomtransfer sollten so dokumentiert werden, dass auch retrospektiv eine Bewertung möglich ist. Ideal bietet sich hierzu ein zentrales Register an. In Deutschland wurde hierfür von den Universitätskliniken in Köln und Jena „MikroTrans“ gegründet, in dem möglichst alle in Deutschland durchgeführten Stuhltransfers dokumentiert sein sollten.

Der Mikrobiomtransfer bei rezidivierender Clostridium-difficile-Infektion ist die bislang einzige, als gesichert geltende Indikation für dieses Verfahren. Weitere Indikationen wie Beeinflussung von Adipositas, Reizdarmsyndrom oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen sollten nur in Studien geprüft werden. Zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sei erwähnt, dass offensichtlich nur ein kleiner Teil der Patienten, der bislang nicht definierbar ist, von einem Mikrobiomtransfer profitiert (14). Aufgrund der denkbaren, teilweise aber auch schon belegten langfristigen Auswirkungen eines veränderten Mikrobioms auf den Empfänger, kann von der unkontrollierten Ausdehnung der Indikation nur dringend abgeraten werden. Zukünftig werden möglicherweise Kapsel-Präparationen kryokonservierter Spenderstühle und standardisiert zusammengestellte Keimspektren zur Anwendung kommen. Die ersten Schritte in Richtung dieser „Arzneimittelproduktion“ (mit allen juristischen und Zulassungsimplikationen) sind in Phase-I-Studien getan (15).

Fazit für die Praxis

Rezidivierende Infektionen mit Clostridium difficile sind auch in Deutschland ein zunehmendes Problem. Im zweiten Erkrankungsrezidiv erscheint heute ein fäkaler Mikrobiomtransfer mit einer Wirksamkeit von 81−93 % der Standardtherapie überlegen und sicher. Er ist in dieser Situation indiziert, sofern im ersten Rezidiv eine adäquate Behandlung mit Vancomycin oder Fidaxomycin durchgeführt wurde. Von dem unkontrollierten Einsatz der Methode in anderen Indikationen wird aufgrund der unklaren Langzeitauswirkungen abgeraten. Der fäkale Mikrobiomtransfer unterliegt dem Arzneimittelgesetz mit besonderer Verantwortlichkeit des durchführenden Arztes und ist anzeigepflichtig. Die Spenderselektion geht deutlich über den Ausschluss bakterieller, parasitärer und viraler Erkrankungen hinaus. Eine Dokumentation der Behandlungsfälle im „MikroTrans“-Register wird empfohlen.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Im Übrigen wird auf die auf der Homepage der AkdÄ publizierten Interessenkonflikte verwiesen.

Literatur
  1. Hollister EB, Gao C, Versalovic J: Compositional and functional features of the gastrointestinal microbiome and their effects on human health. Gastroenterology 2014; 146: 1449-1458.
  2. Borody TJ, Warren EF, Leis SM et al.: Bacteriotherapy using fecal flora: toying with human motions. J Clin Gastroenterol 2004; 38: 475-483.
  3. Cohen SH, Gerding DN, Johnson S et al.: Clinical practice guidelines for Clostridium difficile infection in adults: 2010 update by the society for healthcare epidemiology of America (SHEA) and the infectious diseases society of America (IDSA). Infect Control Hosp Epidemiol 2010; 31: 431-455.
  4. Lynen Jansen P, Stallmach A, Lohse AW, Lerch MM: Entwicklung infektiöser Durchfallerkrankungen zwischen den Jahren 2000 und 2012. Z Gastroenterol 2014; 52: 549-557.
  5. Crook DW, Walker AS, Kean Y et al.: Fidaxomicin versus vancomycin for Clostridium difficile infection: meta-analysis of pivotal randomized controlled trials. Clin Infect Dis 2012; 55 (Suppl. 2): S93-103.
  6. Brandt LJ, Aroniadis OC, Mellow M et al.: Long-term follow-up of colonoscopic fecal microbiota transplant for recurrent Clostridium difficile infection. Am J Gastroenterol 2012: 107: 1079-1087.
  7. Cammarota G, Ianiro G, Gasbarrini A: Fecal microbiota transplantation for the treatment of Clostridium difficile infection: a systematic review. J Clin Gastroenterol 2014; 48: 693-702.
  8. van Nood E, Vrieze A, Nieuwdorp M et al.: Duodenal infusion of donor feces for recurrent Clostridium difficile. N Engl J Med 2013; 368: 407-415.
  9. Lee CH, Belanger JE, Kassam Z et al.: The outcome and long-term follow-up of 94 patients with recurrent and refractory Clostridium difficile infection using single to multiple fecal microbiota transplantation via retention enema. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2014; 33: 1425-1428.
  10. Kump PK, Krause R, Steininger C et al.: Empfehlungen zur Anwendung der fäkalen Mikrobiotatransplantation „Stuhltransplantation“: Konsensus der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Infektiologie und Tropenmedizin (OEGIT). Z Gastroenterol 2014; 52: 1485-1492.
  11. Moayyedi P, Marshall JK, Yuan Y, Hunt R: Canadian Association of Gastroenterology position statement: fecal microbiota transplant therapy. Can J Gastroenterol Hepatol 2014; 28: 66-68.
  12. Rosien U, Hagel S, Götz M: Stuhltransfer bei rezidivierenden Infektionen mit Clostridium difficile. Der Gastroenterologe 2015; 10: 122–126.
  13. Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG). Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 2a des Gesetzes vom 27. März 2014 (BGBl. I S. 261). Ausfertigungsdatum: 24. August 1976.
  14. Colman RJ, Rubin DT: Fecal microbiota transplantation as therapy for inflammatory bowel disease: a systematic review and meta-analysis. J Crohns Colitis 2014; 8: 1569-1581.
  15. Youngster I, Russell GH, Pindar C et al.: Oral, capsulized, frozen fecal microbiota transplantation for relapsing Clostridium difficile infection. JAMA 2014; 312: 1772-1778.