„Aus der UAW-Datenbank“: Akutes Nierenversagen unter der Behandlung mit Dronedaron

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2016

Autoren
  • Dr. med. Michael Zieschang, Darmstadt, mzieschang@me.com
  • Dr. med. Hans Harjung, Darmstadt
  • Dr. med. Thomas Stammschulte, Berlin

Zusammenfassung

Dronedaron kann über kompetitive Hemmung der Kreatininsekretion am Tubulus den Kreatininplasmaspiegel um 10–15 Prozent erhöhen. Es kann jedoch bei einer Kreatininerhöhung auch eine akute arzneimittelinduzierte Nierenschädigung vorliegen. Uns ist solch ein Fall eines 66-jährigen Patienten gemeldet worden, welcher etwa zwei Monate nach Beginn einer Therapie mit Dronedaron eine akute interstitielle Nephritis erlitt.

Abstract

Dronedarone may induce a 10–15 percent rise in creatinine plasma concentration via competitive inhibition of creatinine secretion in the tubule. It is also possible that creatinine elevation is due to acute drug-induced kidney damage. We have received such a case report of a 66 year old patient who developed acute interstitial nephritis two months after commencement of treatment with dronedarone.

Informationen zu Wirkmechanismus, Zulassung und Verordnung von Dronedaron

Dronedaron ist ein Mehrkanalblocker, der den Kaliumstrom hemmt und das Aktionspotenzial des Herzens und die Refraktärzeit verlängert. Es hemmt auch den Natrium- und den Kalziumstrom. Dronedaron ist ein nicht kompetitiver Antagonist adrenerger Aktivität (1). Es ist zum Erhalt des Sinusrhythmus nach erfolgreicher Kardioversion bei Vorhofflimmern zugelassen, nachdem alternative Therapien in Erwägung gezogen wurden. Es sollte nicht bei systolischer Dysfunktion oder vorheriger oder zurzeit bestehender Herzinsuffizienz angewendet werden (1).

Dronedaron wurde 2010 in den Markt eingeführt. Es wurde 2013 in 7,7 Mio DDD eingesetzt, 3,9 % weniger als im Jahr davor (2). Hintergrund der insgesamt rückläufigen Verordnungen sind vermutlich die gegenüber Amiodaron geringere antiarrhythmische Wirksamkeit sowie die deutlichen Einschränkungen der Indikation durch die Europäische Arzneimittel-Agentur wegen Nebenwirkungen an der Leber und der Lunge sowie kardiovaskulären Ereignissen. Die AkdÄ hat kürzlich den Fall einer reversiblen Polyneuropathie im Zusammenhang mit Dronedaron publiziert (Deutsches Ärzteblatt, Jg. 112, Heft 25, 19.06.2015).

Der AkdÄ wurde der Fall eines 66-jährigen Patienten mit einem Kreatininanstieg von 2 auf 4 mg/dl am 19.12.2014 berichtet. Der Patient war wegen einer Duodenalstenose in einem anderen Krankenhaus stationär und erhielt einen Protonenpumpeninhibitor (PPI). Vorausgegangen (27.10.2014) waren rezidivierende absolute Tachyarrhythmien und eine Koronarangiografie, der Patient erhielt seitdem Dronedaron. Am 22.12.2014 Nierenpunktion mit Beschreibung einer akuten interstitiellen Nephritis, außerdem eine geringe IgA-Nephropathie und ein Hochdruckschaden der Niere. Dronedaron wurde abgesetzt, die Nierenfunktion besserte sich bis auf einen Kreatininwert von 2,0 mg/dl. Der PPI wurde während der gesamten Zeit weiter gegeben. Weitere (nicht abgesetzte) Medikamente waren Torasemid, Spironolacton, Bisoprolol und Phenprocoumon.

Bekannte Nebenwirkungen von Dronedaron

In klinischen Studien brachen 11,8 % der mit Dronedaron behandelten Patienten und 7,7 % der mit Placebo behandelten Patienten vorzeitig aufgrund von Nebenwirkungen ab. Der häufigste Grund für den Abbruch der Behandlung mit Dronedaron waren gastrointestinale Störungen (3,2 % der Patienten versus 1,8 % in der Placebogruppe). In fünf Studien waren die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen mit zweimal täglich 400 mg Dronedaron Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen, Müdigkeit und Asthenie (1).

Von Dronedaron bekannt ist eine 10–15-prozentige Kreatininerhöhung (aber in Einzelfällen auch deutlich mehr (4)) aufgrund kompetitiver Hemmung der Sekretion von Kreatinin am Tubulus (5). Nach Absetzen ist dies reversibel. Überprüft man die Nierenfunktion mit einem alternativen Verfahren (z. B. Cystatin C), ist diese nicht vermindert.

In der Online-Datenbank des BfArM sind insgesamt 940 Verdachtsfälle von unerwünschten Wirkungen durch Dronedaron erfasst (Stand Mitte Juli 2015). In 67 dieser Fälle werden Nebenwirkungen berichtet, die die Nieren und Harnwege betreffen, darunter am häufigsten „akute Nierenschädigung“(n = 30), „Nierenversagen“ (n = 14) und „Nierenfunktionsbeeinträchtigung“ (n = 8). Möglicherweise verbergen sich aber in diesen Berichten auch Fälle von scheinbarer Nierenfunktionsbeeinträchtigung aufgrund des beschriebenen Mechanismus. Weitere Fälle von interstitieller Nephritis finden sich nicht. Im italienischen Spontanmeldesystem sind vier Fälle von akutem Nierenversagen, zwei Fälle von chronischer Niereninsuffizienz und ein Fall von passagerer Kreatininerhöhung (3) publiziert, keiner jedoch mit einer Nierenhistologie.

Laut Fachinformation (1) wird empfohlen, den Plasmakreatininspiegel vor und sieben Tage nach Behandlungsbeginn mit Dronedaron zu bestimmen. Falls eine Erhöhung des Serumkreatinins beobachtet wird, sollte der Wert nach weiteren sieben Tagen erneut bestimmt werden. Wenn keine weitere Erhöhung des Serumkreatinins festgestellt wird, sollte dieser Wert als neuer Ausgangswert genommen werden, unter der Berücksichtigung, dass eine solche Erhöhung bei Dronedaron erwartungsgemäß auftritt.

Bewertung des Fallberichts

Der hier beschriebene Fallbericht ist anders zu werten: Histologisch nachgewiesen wurde eine akute interstitielle Nephritis. Häufiger Auslöser sind Medikamente. Vom zeitlichen Verlauf kommen Dronedaron aber auch PPI infrage. Für PPI ist diese UAW bekannt, für Dronedaron haben wir darüber keine Fallberichte gefunden. Der PPI wurde jedoch weiter eingesetzt, ohne dass es zu einem Rezidiv gekommen ist. Insofern ist die Auslösung durch Dronedaron wahrscheinlich.

Differenzialdiagnostische Erwägungen, wie Erhöhung des Kreatinins ohne Nierenfunktionsverschlechterung oder Verschlechterung der Nierenfunktion aufgrund einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz z. B. durch Dronedaron oder andere Erkrankungen sind wegen der in der Nierenbiopsie gewonnenen Histologie gegenstandslos.

Das Medikament wurde in diesem Fall nicht indikationsgerecht eingesetzt. Es wurde zwar zur Erhaltung des Sinusrhythmus nach erfolgter Kardioversion verabreicht, aber es lag eine dilatative Kardiomyopathie vor. Eine Herzinsuffizienz stellt eine Kontraindikation dar (1).

Fazit

Verdachtsfälle von Nierenschäden unter Dronedaron, die über die zu Anfang häufig beobachtete 10–15-prozentige Kreatininerhöhung (aufgrund kompetitiver Hemmung der Sekretion von Kreatinin am Tubulus) hinausgehen, sollten der AkdÄ mitgeteilt werden.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.

Literatur
  1. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH: MULTAQ® 400 mg Filmtabletten. Stand: September 2014.
  2. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2014. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2014.
  3. Biagi C, Venegoni M, Melis M et al.: Dronedarone-associated acute renal failure: evidence coming from the Italian spontaneous ADR reporting database. Br J Clin Pharmacol 2013; 75: 1351-1355.
  4. Coons JC, Plauger KM, Seybert AL, Sokos GG: Worsening heart failure in the setting of dronedarone initiation. Ann Pharmacother 2010; 44: 1496-1500.