Akutes Leberversagen nach Einnahme von Metamizol
Rubrik: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Der Fall
Der AkdÄ wurde der Fall einer 28-jährigen Patientin gemeldet, die im Anschluss an eine Operation für einen Monat Metamizol zur Schmerztherapie erhielt. Als Vorerkrankung war eine Hashimoto-Thyreoiditis bekannt, die mit L-Thyroxin 75 µg substituiert wurde. Weitere Arzneimittel wurden nicht eingenommen, insbesondere kein Paracetamol. Etwa einen Monat nach Beendigung der Metamizol-Therapie stellte sich die Patientin mit Müdigkeit und Ikterus hausärztlich vor. Aufgrund stark erhöhter Transaminasen (GOT 1935 U/l, GPT 3092 U/l) erfolgte eine stationäre Einweisung. Bei Aufnahme bestand eine Gerinnungsstörung (INR 1,7) sowie eine Syntheseeinschränkung der Leber (Albumin 28 g/l). Die Leberbiopsie zeigte ausgedehnte Parenchymnekrosen mit hohem histologischem Aktivitätsindex (17/18). Eine Virushepatitis konnte bei negativen Antikörpertitern ausgeschlossen werden. Unter Prednisolon (zunächst 100 mg/Tag i.v., dann schrittweise Reduktion) fielen die Transaminasen innerhalb von einer Woche deutlich ab (GOT 438 U/l, GPT 1430 U/l). Nach drei Monaten hatten sich die Laborwerte trotz zwischenzeitlicher Beendigung von Prednisolon vollständig normalisiert und die Patientin war beschwerdefrei.
Das Arzneimittel
Metamizol ist auch unter der Bezeichnung Novaminsulfon oder unter dem Präparatenamen Novalgin® bekannt. Es ist ein nichtopioides Analgetikum und Antipyretikum aus der Gruppe der Pyrazolone. Die Verordnung von Metamizol in Deutschland nimmt seit 20 Jahren kontinuierlich zu (1, 2). Metamizol sollte laut Fachinformation nur bei starken Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, Koliken und Tumorschmerzen angewendet werden (3). Die AkdÄ hat wiederholt auf das Agranulozytoserisiko unter Metamizol hingewiesen (4). Eine weitere, potenziell lebensbedrohliche Nebenwirkung von Metamizol ist der arzneimittelbedingte Leberschaden (Drug induced liver injury, DILI). Ein Rote-Hand-Brief informierte 2020 über dieses Risiko (5). Der Rote-Hand-Brief war das Ergebnis einer umfassenden Überprüfung durch den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Bei einem Metamizol-bedingten DILI traten Symptome innerhalb weniger Tage bis Monate nach Behandlungsbeginn auf, häufig zusammen mit anderen Überempfindlichkeitsreaktionen (z. B. Hautausschlag, Fieber) oder begleitet von Merkmalen einer Autoimmunhepatitis. Es wird ein immun-allergischer Pathomechanismus angenommen.
Die Kausalitätsbewertung
Der histologische Befund ist sowohl mit einer Autoimmunhepatitis (AIH) als auch einer DILI nach Metamizol-Einnahme vereinbar. Zur Diagnose einer AIH würde die bekannte Autoimmunthyreoiditis passen, da diese mit autoimmunen Lebererkrankungen assoziiert ist (7). Außerdem waren initial das Serum-IgG (18,4 g/l) und antinukleäre Antikörper (1:160) leicht erhöht. Allerdings ließen sich keine AIH-spezifischen Antikörper nachweisen (SMA, LKM und SLA-Ak negativ). Der zeitliche Zusammenhang zwischen Metamizol-Therapie und Symptombeginn sowie der klinische Verlauf (rasche Besserung trotz frühzeitigem Ausschleichen und Beendigung der Glukokortikoidtherapie) sprechen aus unserer Sicht für eine DILI. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Leberschaden und der Einnahme von Metamizol erscheint deshalb wahrscheinlich.
Fazit
Die Indikation für Metamizol ist aufgrund seltener, aber lebensbedrohlicher Nebenwirkungen streng zu stellen. Metamizol ist nicht zugelassen zur Behandlung von leichten bis moderaten Schmerzen. Neben einer Agranulozytose kann unter Metamizol auch ein schwerer Leberschaden auftreten. Patienten sollten über Frühsymptome eines Leberschadens aufgeklärt werden. Hierzu gehören vor allem Allgemeinsymptome (Müdigkeit, Schwäche), gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Erbrechen, Beschwerden im rechten Oberbauch) und Symptome eines Ikterus (gelbe Haut und Skleren, Dunkelfärbung des Urins). Bei einem Leberschaden unter Metamizol-Therapie darf Metamizol nicht erneut angewendet werden.
Literatur
- Lübow C, Rotthauwe J, Behles C. Metamizol: schwerwiegende Nebenwirkungen – Update. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2022; Ausgabe 4: 24–8.
- Böger R, Maas R. Symptomatische Behandlung von Schmerz, Fieber und Entzündung. In: Ludwig W-D, Mühlbauer B, Seifert R (Hrsg.). Arzneiverordnungs-Report 2023. Berlin: Springer-Verlag, 2023; 417–42.
- Nattermann & Cie. GmbH. Fachinformation „Novalgin® Filmtabletten“; Oktober 2023.
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Aus der UAW-Datenbank: Agranulozytose nach Selbstmedikation mit Metamizol. Dtsch Arztebl 2023; 120(15): A-685–6.
- Zulassungsinhaber von Metamizol-haltigen Arzneimitteln. Metamizol: Risiko für arzneimittelbedingten Leberschaden; Rote-Hand-Brief; 15.12.2022. Verfügbar unter: www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2020/rhb-metamizol.pdf.
- Schönhöfer P, Schaaber J. Berliner Weißwäscher – Neue Studie zur Metamizol-induzierten Agranulozytose mit alten Fehlern. Pharma-Brief 2015; Nr. 6:3–5.
- Zeng Q, Zhao L, Wang C, Gao M, Han X, Chen C et al. Relationship between autoimmune liver disease and autoimmune thyroid disease: a cross-sectional study. Scand J Gastroenterol 2020; 55(2):216–21. doi: 10.1080/00365521.2019.1710766.
Interessenkonflikte
Die Autorin und der Autor geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.