Hämolytisch-urämisches Syndrom unter Betainterferon (Aus der UAW-Datenbank)

Interferone gehören zur Gruppe der Zytokine und sind antiviral, immunmodulatorisch und antiproliferativ wirksam. Die Alphainterferone werden zur Behandlung von verschiedenen Malignomen und bei der chronischen Hepatitis B und C eingesetzt. Die Interferone beta-1a (Avonex®, Rebif®) und beta-1b (Betaferon®) werden in steigendem Umfang zur Therapie der schubförmig verlaufenden multiplen Sklerose verwendet. Im Jahr 2006 wurden von den Interferonen beta-1a und beta-1b insgesamt 10,1 Mio. DDD verordnet (1).

Der AkdÄ wurde über eine 38-jährige Patientin berichtet (Fall-Nr. 145466), die wegen einer multiplen Sklerose 250 µg Interferon beta-1b (Betaferon®) jeden zweiten Tag s. c. erhielt. Zwei Wochen nach Beginn der Therapie kam es im Laufe von vierzehn Tagen zu einer Gewichtszunahme von circa sechs Kilogramm. Zwei Tage nachdem außerdem epigastrische Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie eine Anurie aufgetreten waren, wurde sie mit einem akuten Nierenversagen (Serumkreatinin 7,3 mg/dl), einer hämolytischen Anämie (LDH 2150 U/l, Hb 10,7 g/dl, Haptoglobin < 7 mg/dl) mit Fragmentozyten (23/ml) und einer Thrombozytopenie (34/nl) stationär aufgenommen. Eine Nierenbiopsie zeigte eine ausgeprägte thrombotische Mikroangiopathie, und es wurde die Diagnose eines hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) gestellt. Die Interferontherapie wurde beendet, die Patientin dialysiert und mit Plasmapheresen behandelt. Nach Durchführung von 20 Plasmapheresen erholte sich die Nierenfunktion, und die Patientin konnte nach siebenwöchiger stationärer Behandlung schließlich entlassen werden.

Im deutschen Spontanmeldesystem (gemeinsame Datenbank von BfArM und AkdÄ, Stand 19.03.2008) sind 660 Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) nach Betainterferonen erfasst. Am häufigsten wurden grippeähnliche Symptome, Fieber und Beschwerden an der Injektionsstelle gemeldet. Auch findet man vier weitere Verdachtsfälle eines HUS nach Gabe von Interferon beta-1a oder beta-1b, das bei zwei Patienten mehrere Jahre nach Therapiebeginn auftrat. In den Fachinformationen zu Avonex®, Rebif® und Betaferon® wird diese UAW nicht aufgeführt (2–4).

In der Literatur findet man mehrere Fallbeschreibungen über das Auftreten eines HUS unter einer Therapie mit Alphainterferonen sowie mindestens einen Bericht über diese UAW unter Interferon beta (5, 6).

Ursächlich für das Auftreten des HUS sind möglicherweise Autoimmunprozesse, die durch die immunmodulatorischen Eigenschaften der Interferone ausgelöst werden und zu einer vermehrten Antigenität der körpereigenen Tubuluszellen, aber auch der glomerulären Zellen führen und die Bildung von Autoantikörpern induzieren (5).

Bei der Therapie mit Betainterferon sollte auf folgende Symptome eines HUS geachtet werden: Wassereinlagerungen, Petechien, abnorme Hautblässe, Sklerenikterus und plötzliche Blutdrucksteigerungen. Das Blutbild, der Harnstatus und die Nierenwerte sollten regelmäßig alle drei bis sechs Monate und bei Auftreten eines der o. g. Symptome kontrolliert werden. Das Interferon sollte bei Verdacht auf HUS sofort abgesetzt werden.

Bitte teilen Sie der AkdÄ alle beobachteten Nebenwirkungen (auch Verdachtsfälle) mit. Sie können dafür den in regelmäßigen Abständen im Deutschen Ärzteblatt auf der vorletzten Umschlagseite abgedruckten Berichtsbogen verwenden oder diesen aus der AkdÄ-Internetpräsenz (www.akdae.de) abrufen.

Literatur

  1. Schwabe U, Paffrath D (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2007. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2008.
  2. Biogen Idec Limited: Fachinformation "Avonex® 30 Mikrogramm (Interferon beta-1a)". Stand: Februar 2007.
  3. Bayer Schering Pharma AG: Fachinformation "Betaferon® 250 Mikrogramm/ml". Stand: März 2007.
  4. Serono Europe Limited: Fachinformation "Rebif® 22 Mikrogramm". Stand: August 2007.
  5. Pisoni R, Ruggenenti P, Remuzzi G: Drug-induced thrombotic microangiopathy: incidence, prevention and management. Drug Saf 2001; 24: 491–501.
  6. Ubara Y, Hara S, Takedatu H, Katori H, Yamada K, Yoshihara K et al.: Hemolytic uremic syndrome associated with beta-interferon therapy for chronic hepatitis C. Nephron 1998; 80: 107–8.