Weniger ist mehr: Elf Empfehlungen für eine bessere Behandlung im Krankenhaus
Krankenhaus aktuell
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Choosing Wisely ist eine 2012 in den USA gestartete internationale Bewegung, die darauf zielt, unnötige medizinische Leistungen zu reduzieren (1). In Deutschland inspirierte sie die Initiative „Klug entscheiden“, die neben Überversorgung auch Unterversorgung adressiert (2). Die US-amerikanische Gesellschaft für Krankenhausmedizin (Society of Hospital Medicine, SHM) hat im Rahmen der Choosing Wisely-Initiative eine Liste mit elf Empfehlungen zusammengestellt, die Ärzte und Patienten beachten sollten (3). Die Empfehlungen wurden aus 150 Vorschlägen in einem mehrstufigen, modifizierten Delphi-Verfahren verabschiedet. Sie sollen die Indikationsqualität für verschiedene diagnostische und therapeutische Maßnahmen verbessern:
Katheterassoziierte Harnwegsinfektionen sind die am häufigsten im Gesundheitswesen erworbenen Infektionen. Sie gehen einher mit einer erhöhten Mortalität und höheren Gesundheitskosten. Deswegen rechtfertigen laut SHM Inkontinenz, Bequemlichkeit oder die Überwachung der Ausscheidung die Anlage eines Urinkatheters nicht. Ein Urinkatheter kann sinnvoll sein bei schwer kranken Patienten, beispielsweise im Hospiz, oder perioperativ.
Bei Patienten, die nicht auf einer Intensivstation liegen, wird von einer Verordnung vor allem aufgrund der möglichen Nebenwirkungen abgeraten, darunter nosokomiale Pneumonie und Clostridium difficile-Infektion.
Bei der Entscheidung für eine Transfusion sollte nicht nur der Hämoglobin-Wert (ab 7–8 g/dl) berücksichtigt werden, sondern auch andere Faktoren, darunter insbesondere der klinische Zustand des Patienten.
Da eine telemetrische Überwachung bei Chest-Pain-Patienten mit einem niedrigen Risiko und einem unauffälligen EKG zu falsch positiven Ergebnissen und konsekutiven Fehlern in der Patientenbetreuung führen kann, sollten Leitlinien zur Telemetrie beachtet werden (4;5).
Häufige Blutentnahmen können zu einer Anämie beitragen, die beispielweise bei Patienten mit kardiorespiratorischen Erkrankungen relevante Konsequenzen haben kann.
Zur Behandlung von mäßig starken und starken Schmerzen sollten Opioide in der niedrigsten wirksamen Dosis über einen möglichst kurzen Zeitraum eingesetzt werden, und nur in Kombination mit Nicht-Opioiden und Adjuvanzien, darunter Antiepileptika und Antidepressiva. Grund für diese Empfehlung der SHM sind vor allem die Gefahr von Abhängigkeit und Überdosierung.
Eine höhere Sauerstoffsättigung ist bei einer Reihe von schweren Krankheiten mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität verbunden, darunter Herzstillstand und Schlaganfall, und sollte deswegen vermieden werden.
Arbeitsabläufe sollten so umgestaltet werden, dass Patienten nachts besser schlafen. Unzureichender Schlaf bei Krankenhauspatienten wird beispielsweise mit erhöhtem Blutdruck, Hyperglykämie und Delir in Verbindung gebracht. Zu Schlafstörungen tragen Lärm und Licht ebenso bei wie pflegerische Maßnahmen, beispielsweise die Messung der Vitalparameter. Nichtpharmakologische Maßnahmen sollten primär angewendet werden, um den Schlaf der Patienten zu verbessern, beispielsweise durch die Verringerung von Lärm und Licht sowie die Minimierung unnötiger Patientenkontakte. Auch Schlafhilfen wie Ohrstöpsel, Augenmasken und Entspannungstechniken können einen gewissen Nutzen bringen.
Entsprechend den aktuellen Leitlinien ist die Bestimmung des kardialen Troponins der Labortest der Wahl in der Diagnostik des akuten Koronarsyndroms bzw. des akuten Myokardinfarkts. Troponin ist sensitiver und spezifischer als die CK-MB.
Früher regelmäßig auf Intensivstationen durchgeführt, hat sich inzwischen gezeigt, dass routinemäßige Aufnahmen nicht zu Änderungen in der Therapie von Patienten führen, jedoch zu unnötiger Strahlenexposition und überflüssigen nachfolgenden Untersuchungen.
Das Risiko für eine VTE sollte bei jedem Patienten individuell abgeschätzt werden, ebenso wie das Risiko für Blutungen. Von der SHM wird die Verwendung von Risikorechnern empfohlen, die bisher allerdings nicht in prospektiven Studien unabhängig validiert wurden (6-8). Bei Patienten mit einem hohen Blutungsrisiko sollte laut SHM eine mechanische VTE-Prophylaxe erwogen werden, wie beispielsweise die intermittierende pneumatische Kompression durch luftgefüllte Manschetten.
Die Choosing wisely-Empfehlungen der US-amerikanischen Gesellschaft für Krankenhausmedizin bieten mit klaren Negativ-Empfehlungen Unterstützung bei der Indikationsstellung für verschiedene diagnostische und therapeutische Maßnahmen. Darüber hinaus stärken sie den Mut, auch einmal etwas nicht zu tun.
Die Autorin gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.