Sturzgefahr und Medikamente
Therapie aktuell
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Ältere Menschen stürzen oft. Dies erhöht Morbidität und Behinderungen. Sie nehmen gleichzeitig auch viele Medikamente ein. Medikamente, die mutmaßlich zur Sturzgefahr beitragen, werden in verschiedenen Listen aufgezählt (1;2).
Welche dieser Medikamente können in der Verordnungsrealität mit dieser Sturzgefahr besonders in Zusammenhang gebracht werden?
In einer Fall-Kontroll-Studie (3) gingen schwedische Autoren dieser Frage nach: 64.399 Patienten im Alter über 65 Jahren, die zwischen März 2006 und Dezember 2009 in einem schwedischen Krankenhaus wegen einer Sturzverletzung mindestens eine Nacht stationär aufgenommen wurden, und vier nach Geschlecht, Geburtsdatum und Wohnort gematchte Kontrollgruppen wurden auf ihre Medikation untersucht. Ausgewählt wurden die nach ATC-Code bestimmten 20 meistverordneten Medikamente in Schweden, deren Rezepte bis 30 Tage vor Sturzdatum eingelöst wurden (siehe Tabelle 1). Der Zusammenhang mit dem Sturz wurde mit Odd Ratios und logistischer Regression untersucht. Das Sturzrisiko erhöhten 10 der 20 am häufigsten verschriebenen Medikamente. Darunter erhöhten Opioide und Antidepressiva das Sturzrisiko besonders, während kardiovaskuläre Medikamente keinen Einfluss oder sogar einen protektiven Effekt auf die Häufigkeit von Stürzen hatten. Einzig Schleifendiuretika aus dieser Gruppe erhöhten das Risiko.
Die positive Assoziation zwischen Sturzrisiko und einem Medikament heißt natürlich noch nicht zwingend, dass dieses auch die Ursache ist. So können die Erkrankungen, wegen denen diese Medikamente gegeben werden, die Ursache sein: Antithrombotische Medikamente werden oft wegen eines apoplektischen Insultes verordnet und gerade vorangegangene Schlaganfälle erhöhen das Risiko zu stürzen. Außerdem wird das Blutungsrisiko erhöht, was die Wahrscheinlichkeit steigert, dass die Patienten wegen eines Sturzes stationär aufgenommen werden.
Kalzium könnte ebenfalls wegen Osteoporose verordnet worden sein und so mit einem erhöhten Sturzrisiko einhergehen.
Interessanterweise hatten die meisten kardiovaskulären Medikamente eher einen protektiven Effekt. Auch Antidiabetika erhöhten das Sturzrisiko nicht, was man wegen der möglichen Hypoglykämien vielleicht vermutet hätte.
Die Studie hat eine hohe Teilnehmerzahl und stellt die Verordnungsrealität sehr gut dar. Die tatsächlich eingenommene Medikation wurde aber nicht überprüft, sondern nur Verschreibungen gezählt; dies auch ohne frei verkäufliche Selbstmedikation. Dennoch: Medikamente von eingelösten Rezepten werden wahrscheinlich eher eingenommen als Medikamente, die nur auf einem Plan stehen, der schon lange nicht mehr auf Aktualität überprüft wurde.
Compliance, Komedikation und die Indikation zur Verordnung konnten nicht betrachtet werden.
Insbesondere Opioide, Antidepressiva, Hypnotika und Sedativa haben eine positive Korrelation zu Stürzen, die zu einer Krankenhausaufnahme führen. Dies sollte bei der Verordnung bedacht und gegen die sicherlich auch vielen positiven Effekte dieser Medikamente abgewogen werden.
Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.