S3-Leitlinie Neuroborreliose veröffentlicht
Übersichtsarbeiten
Übersichtsarbeiten
Im April 2018 wurde die S3-Leitlinie Neuroborreliose veröffentlicht. Es bestätigte sich die Therapiedauer von 14 Tagen bei früher und 14–21 Tagen bei später Neuroborreliose. Doxycyclin oral ist Mittel der Wahl, sodass auch bei Neuroborreliose keine i.v. Medikation und keine Kombinationsbehandlungen notwendig sind. Vermeintlich oder tatsächlich persistierende unspezifische bzw. untypische Symptome nach behandelter Neuroborreliose können auf unterschiedlichen Phänomenen beruhen und sollten nicht antibiotisch behandelt werden.
In April 2018, the German S3 guideline for neurological manifestations of Lyme Disease was published. 14 days of therapy for early and 14–21 days for late neuroborreliosis was confirmed. Doxycycline is drug of choice, thus there is no indication for i.v. antibiotics or combination therapy. Persisting unspecific or atypical symptoms after neuroborreliosis can have several causes and should not be treated with further antibiotic regimens.
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wurde im April 2018 die S3-Leitlinie Neuroborreliose veröffentlicht (1). Die aus 25 Vertretern von Medizinischen Fachgesellschaften, des Robert Koch-Instituts, der Deutschen Borreliose Gesellschaft und Patientenorganisationen bestehende Leitliniengruppe hatte unter Moderation der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) über drei Jahre an der Leitlinie gearbeitet.
Wesentliche Aussagen der neuen Leitlinie sind:
Diese Kernaussagen beruhen u. a. auf zwei systematischen Reviews, die ebenfalls im Rahmen der Leitlinienentwicklung entstanden sind (2;3).
Außerdem werden von den Autoren folgende Empfehlungen hervorgehoben:
Eine frühe Neuroborreliose tritt am häufigsten als Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom (Meningoradikuloneuritis) auf. Im Mittel 4–6 Wochen (maximal 1–18) nach dem Zeckenstich bzw. nach dem Erythema migrans können dann segmentale Schmerzen auftreten, die nachts verstärkt sind und deren Lokalisation wechseln kann. Anfangs sind die Schmerzen oft in der Extremität lokalisiert, in der vorher der Zeckenstich oder das Erythema migrans beobachtet wurde. Die Schmerzen werden als brennend, bohrend, beißend oder reißend beschrieben und sprechen nur gering auf herkömmliche Analgetika an. Ein Maximum wird oft innerhalb weniger Stunden oder Tage erreicht. Anschließend können sich neurologische Ausfälle ausbilden, Paresen häufiger als Sensibilitätsstörungen, insbesondere Ausfälle des N. facialis. Insbesondere bei Kindern sollte auch bei Auftreten einer Meningitis an eine Neuroborreliose gedacht werden. Für weitere Ausführungen wird auf die Leitlinie verwiesen (1).
Untypische und/oder persistierende Symptome
Vor zwei Jahren hatte eine niederländische Arbeitsgruppe in einer randomisierten klinischen Studie nochmals gezeigt, dass eine längerfristige Antibiotikatherapie bei Patienten mit persistierenden Symptomen, die einer Lyme-Borreliose zugeschrieben wurden, keine signifikante Verbesserung gegenüber Plazebo bringt (4).
Das Phänomen „Chronische Lyme-Borreliose“ wurde 2007 in einer viel beachteten Übersichtsarbeit von Feder et al. im New England Journal of Medicine ausführlich beschrieben (5). Auch zehn Jahre später werden allerdings immer noch unspezifische Symptome wie Fatigue, muskuloskelettale Schmerzen und subjektive neurokognitive Einschränkungen allzu häufig der Borreliose zugeschrieben (6). Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass mit zunehmendem Lebensalter Borrelien-Antikörper immer häufiger nachweisbar sind, bei gesunden Erwachsenen in der Größenordnung von 10–20 %, dies als Zeichen einer erfolgreichen Immunantwort nach Kontakt mit den Erregern bei Zeckenstichen (7).
In Anbetracht der nach wie vor verbreiteten „falschen und irreführenden Informationen“ zur Borreliose (8) sowie der Angebote von „unorthodoxen alternativen Therapien“ (u. a. Sauerstoffbehandlung, Bestrahlungsmethoden, Urintherapie, Einläufe, Nahrungsergänzungsmittel und sogar Stammzelltransplantation) zur Behandlung von Symptomen, die mit der Borreliose in Verbindung gebracht werden (9), sind randomisierte Studien, systematische Übersichtsarbeiten und klinische Leitlinien in diesem Kontext umso mehr zu begrüßen.
Zu den kutanen Manifestationen der Lyme-Borreliose wurde bereits vor zwei Jahren eine S2k-Leitlinie veröffentlicht (10). Beim typischen Erythema migrans (Entwicklung erst nach einigen Tagen, Durchmesser > 5 cm) ist keine Serologie notwendig, auch keine serologische Verlaufskontrolle. Die Serologie besteht aus einem zweistufigen Verfahren (ELISA-Test, nur bei positivem Resultat ein Western-Blot zum Nachweis spezifischer Banden). Therapie der Wahl ist Doxycyclin 200 mg täglich für 10–14 Tage, bei Kindern bis zum achten Lebensjahr wird Amoxicillin (50 mg/kg Körpergewicht) empfohlen, ebenso in Schwangerschaft und Stillzeit (3 x 500–1.000 mg). Die einzige Indikation, bei der länger als zwei Wochen therapiert werden sollte, ist die Lyme-Arthritis (dann für 28 Tage).
Die nächste Herausforderung für die Leitliniengruppe ist das zur Komplettierung des Krankheitsbildes Borreliose noch verbleibende Modul „Lyme-Arthritis, Lyme-Karditis und andere seltene Manifestationen“.
Die verfügbaren AWMF-Leitlinien zur Lyme-Borreliose tragen zur evidenzbasierten Behandlung bei, insbesondere auch zur Vermeidung von unnötiger Diagnostik und Therapie.
Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.
Dieser Artikel wurde am 12. September 2018 vorab online veröffentlicht.