Remdesivir (Veklury®) ▼
Neue Arzneimittel
Neue Arzneimittel
Veklury® (Remdesivir) ist unter erheblichen Auflagen zugelassen zur Behandlung von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen (im Alter von mindestens 12 Jahren und mit einem Körpergewicht von mindestens 40 kg) mit einer Pneumonie, die eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr erfordert. Remdesivir ist ein Adenosin-Nukleotid-Prodrug, das in Wirtszellen zum wirksamen Nukleosid-Triphosphat-Metaboliten umgewandelt wird. Remdesivir-Triphosphat wirkt als ein Analogon von Adenosin-Triphosphat (ATP) und konkurriert mit dem natürlichen Substrat ATP um die Integration in entstehende RNA-Ketten durch die SARS-CoV-2-RNA-abhängige RNA-Polymerase. Dies führt zu einer verzögerten Kettenterminierung während der Replikation der viralen RNA und damit zur Inhibition der Virusreplikation.
Veklury® (Remdesivir) ist noch nicht auf dem deutschen Arzneimittelmarkt verfügbar.
Veklury® (Remdesivir) hat in einer noch laufenden doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studie die Zeit bis zur Genesung (operationalisiert als Zeit bis zur Entlassung aus stationärer Behandlung) im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit schwerem COVID-19 signifikant verkürzt. Bezüglich der Mortalität nach 14 Tagen zeigte sich bisher kein statistisch signifikanter Unterschied zu Placebo. Andere Studien – z. T. offen oder nicht ausreichend gepowered – konnten diesen positiven Effekt bis jetzt nicht bestätigen. Ergebnisse aus den anderen großen Studien mit adaptivem Design wie Solidarity und DisCoVeRy sind noch nicht veröffentlicht worden.
Remdesivir erscheint bisher gut verträglich, die verfügbaren, vorläufigen Daten zur Sicherheit sind aber nicht umfassend. Überempfindlichkeitsreaktionen und Erhöhung der Transaminasen treten häufig auf. Die Langzeitsicherheit bzw. Spätfolgen von Remdesivir können nicht abschließend beurteilt werden.
Die COVID-19-Pandemie stellt unbestreitbar ein bedeutendes Risiko für die öffentliche Gesundheit dar. Da bislang kein anderes Arzneimittel mit einer nachgewiesenen Wirksamkeit gegen COVID-19 in der EU zugelassen ist, besteht ein erheblicher ungedeckter medizinischer Bedarf. Der Einsatz von Remdesivir bei Patienten mit Pneumonie und zusätzlichem Sauerstoffbedarf, aber nicht bei Patienten mit NIV/„High-Flow“-Sauerstofftherapie oder invasiver Beatmung/ECMO, erscheint aufgrund der vorliegenden Daten derzeit gerechtfertigt. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass Remdesivir wahrscheinlich hauptsächlich bei jüngeren, nicht schwer erkrankten Patienten mit COVID-19, nicht aber bei schwer erkrankten Patienten auf Intensivstation zu einen Behandlungsvorteil im Sinne einer Verkürzung der stationären Aufenthaltsdauer führt. Ob die Behandlung mit Remdesivir einen Vorteil bezüglich der Mortalität für eine dieser Patientengruppen erbringt, ist derzeit unklar.
Für die Zulassung wurde die multizentrische, doppelblinde randomisierte kontrollierte Studie NIAID-ACTT-1 eingereicht. Eingeschlossen wurden Patienten mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion, die entweder Lungeninfiltrate (durch Bildgebung bestätigt) oder eine Sauerstoffsättigung (SpO2) von ≤ 94 % aufwiesen oder Sauerstoffgabe oder maschinelle Beatmung erforderten. Die Patienten wurden stratifiziert nach Schweregrad der Erkrankung: schwer: maschinelle Beatmung oder Sauerstoffgabe oder SpO2 ≤ 94 % oder Tachypnoe (Atemfrequenz ≥ 24/min); mild bis moderat: SpO2 > 94 % und Atemfrequenz 24/min ohne Sauerstoffgabe. Remdesivir erhielten 531 Patienten für maximal zehn Tage, 518 wurden mit Placebo behandelt. Das mittlere Alter betrug 58,9 Jahre; etwa zwei Drittel der Patienten waren männlich. Die Symptome bestanden seit im Median neun Tagen. Eine schwere Vorerkrankung wiesen 88,7 % der Patienten auf. Bluthochdruck hatten 49,6 % der Patienten, Asthma 11,4 %, Diabetes mellitus Typ 2 29,7 % und Adipositas 37 %. 11,9 % der Patienten benötigten keine Sauerstoffgabe, 39,6 % erhielten Sauerstoff, 18,5 % benötigten nicht invasive Beatmung (non-invasive ventilation, NIV) oder „High-Flow“-Sauerstofftherapie und bei 25,6 % war eine extrakorporale Membranoxygenierung (extracorporeal membrane oxygenation, ECMO) erforderlich.
Primärer Endpunkt der Studie war die Zeit bis zur Genesung; eine Genesung bestand laut Operationalisierung, wenn die Patienten entweder keinen Sauerstoff mehr benötigten oder nicht mehr hospitalisiert waren. Als sekundäre Endpunkte wurden die Mortalität am Tag 14 und 29 sowie der klinische Status am Tag 15 (tot / hospitalisiert (+ Beatmung) / nicht hospitalisiert) erhoben (Tabelle 1).
Für Remdesivir wurde eine sogenannte bedingte Zulassung erteilt („conditional marketing authorisation“, CMA). Für eine CMA sind weniger umfangreiche Daten als für eine reguläre Zulassung erforderlich. Diese Form der Zulassung kommt in bestimmten Situationen in Betracht, wenn das Arzneimittel zur Behandlung einer seltenen und/oder lebensbedrohlichen Krankheit bestimmt ist und das Nutzen-Risiko-Verhältnis als positiv eingestuft wurde. Die Anforderungen an eine bedingte Zulassung von Remdesivir sind erfüllt, da bei COVID-19 ein ungedeckter medizinischer Bedarf besteht („unmet medical need“) und es sich um ein Arzneimittel handelt, zu dem noch unvollständige klinische Daten vorliegen und das in Krisensituationen gegen eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit eingesetzt werden soll (1). Eine CMA wird jährlich neu bewertet. Um sie in eine reguläre Zulassung zu überführen, müssen weitere Daten vorgelegt werden. Der pharmazeutische Unternehmer Gilead wurde verpflichtet, finale Ergebnisse zur Mortalität in der NIAID-ACTT-1-Studie bis August 2020 und zu allen klinischen Studien mit Remdesivir bis Dezember 2020 vorzulegen (1).
Die Daten der NIAID-ACTT-1-Studie (2) wurden bisher nur als Preliminary Report publiziert. Sie beruhen auf einer vorläufigen Datenauswertung, weitere Analysen mit weitergehender Bewertung bezüglich patientenrelevanter Endpunkte wie Mortalität sowie Daten aus anderen großen laufenden Studien stehen noch aus.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Remdesivir bei gesunden, freiwilligen Probanden waren erhöhte Transaminasen (14 %) und bei Patienten mit COVID-19 Übelkeit (4 %). Häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Hautauschlag. Aufgetreten sind auch Überempfindlichkeitsreaktionen und infusionsbedingte Reaktionen.
Das IQWiG wurde am 15.05.2020 mit der Bewertung des Zusatznutzens beauftragt, über den der G-BA entscheiden wird. Sollte sich die AkdÄ mit einer Stellungnahme äußern, wird diese auf der AkdÄ-Website veröffentlicht.
Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) Veklury®, erschienen am 6. Juli 2020. Die vorliegende Information erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Richtigkeit der angegebenen Dosierungen kann keine Gewähr übernommen werden.
Arzneimittel, die mit einem schwarzen Dreieck (▼) gekennzeichnet sind, unterliegen einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden.
„Neue Arzneimittel“ ist eine Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) zu neu zugelassenen Arzneimitteln oder zu neu zugelassenen Indikationen. Ziel ist es, den Ärzten zeitnah Informationen zu diesen Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen, zunächst bei Markteinführung sowie nach der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) (§ 35a Absatz 1 SGB V). „Neue Arzneimittel“ bei Markteinführung enthält Informationen basierend auf dem Europäischen Öffentlichen Bewertungsbericht (EPAR) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sowie weiteren bei Markteinführung vorliegenden Daten aus klinischen Studien. Nach Abschluss der frühen Nutzenbewertung wird der Zusatznutzen des neuen Arzneimittels und seine therapeutische Bedeutung auf der Basis der Dossierbewertung des IQWiG, der Stellungnahme der AkdÄ und des Beschlusses des G-BA im Rahmen der frühen Nutzenbewertung dargestellt („Update – Neue Arzneimittel“).
Dieser Artikel wurde am 6. August 2020 vorab online veröffentlicht.