Polymyalgia rheumatica: Behandlung von Erwachsenen bei Non-Response oder Unverträglichkeit von Kortikosteroiden
Therapie aktuell
Therapie aktuell
Die Polymyalgia rheumatica (PMR) ist die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Systemerkrankung, die Menschen – bevorzugt Frauen – ab dem 50. Lebensjahr betrifft. Die Inzidenz der PMR steigt ab dem 50. bis zum 80. Lebensjahr an, wobei Frauen ein Lebenszeit-Inzidenzrisiko von 2,4 % und Männer eines von 1,7 % tragen.
PMR geht typischerweise mit bilateralen Schulter-Nacken-Schmerzen, geringgradigem Fieber, Abgeschlagenheit und prolongierter morgendlicher Muskelsteifigkeit einher. Mitbeteiligt sind oft die Schultergelenke ohne eindeutige Synovialitis, aber mit häufigem echokardiographischem Nachweis (bis zu 80 %) einer subacromialen Bursitis. Seltener ist auch die Beckengürtelmuskulatur mitbefallen. Im Labor finden sich typischerweise hohe Entzündungsparameter (BSG, CRP) aber keine klassischen Rheumafaktoren, antinukleäre Antikörper (ANA) oder Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA).
Die Diagnose wird nach den gemeinsamen EULAR/ACR-Kriterien aufgrund einer typischen Klinik in Verbindung mit erhöhten Entzündungsparametern (BSG, CRP) und dem prompten Ansprechen auf Glukokortikosteroide (GC) gestellt (1-4). Die Liste der Differenzialdiagnosen (PMR-Mimics) wird angeführt von seronegativer rheumatoider Arthritis (RA), Spondyloarthritis, Kristallarthropathien, Autoimmunmyositis, Fibromyalgie und Osteoarthritis (5). Alle PMR-Patienten müssen sorgfältig auf das Vorhandensein einer zusätzlichen Riesenzellarteriitis (RZA) der Temporalarterien (M. Horton), des Aortenbogens, seiner Abgangsäste und der Aorta abdominalis untersucht werden. PMR und RZA kommen in 30–40 % der Patienten gemeinsam vor und zeichnen sich durch eine ähnliche Immunpathogenese und überlappende Klinik aus, wobei die unbehandelte RZA immer ein erhöhtes Risiko für eine akute ein- oder beidseitige Erblindung birgt. Ein RZA-Verdacht bei neu aufgetretenen Sehstörungen ist daher ein rheumatologisch-internistischer Notfall, der, wenn bestätigt, einen sofortigen Therapiebeginn mit hochdosierten GC erfordert.
Die absolut entscheidende Erstlinientherapie bei PMR und RZA sind Langzeitgabe von GC, die als morgendliche Einmaldosis p.o. von initial 15–25 mg Prednison/Tag bei PMR und 40–60 mg Prednison/Tag bei RZA verabreicht werden. Im Falle einer drohenden Erblindung bei RZA hat sich eine i.v. Pulstherapie mit Methylprednisolon (250–1000 mg/Tag) über drei Tage bewährt, bevor anschließend Prednison p.o. weitergegeben wird (6, 7). Für beide Krankheitsbilder werden Reduktionsschemata der GC empfohlen, um die Gesamtdosis wegen des erheblichen Nebenwirkungsrisikos einer Langzeittherapie (Steroiddiabetes, Osteoporose, Cushing-Syndrom, Muskelabbau) zu minimieren.
Bei PMR soll Prednison innerhalb von vier bis acht Wochen von initial 15–25 mg/Tag auf 10 mg/Tag reduziert werden und danach alle vier Wochen um 2,5 mg/Tag und ab der 10. Woche um 1 mg/Tag bis zum völligen Stopp der GC nach spätestens zwölf Monaten. Während der Prednison-Reduktionsphase kommt es häufig zu Rezidiven (20–30 %), die eine Erhöhung des Prednisons auf die letzte effektive Prärezidiv-Dosis erfordern; diese soll dann in vier bis acht Wochen wieder auf die Dosis zum Zeitpunkt des Rezidivs reduziert werden. Gelingt dies nicht, ist die Kombination mit Methotrexat (MTX) (0,3 mg/kg Körpergewicht pro Woche, entsprechend 10–15 mg p.o. oder s.c. einmal wöchentlich) indiziert, um mittelfristig GC einzusparen. Für die Effektivität von MTX gibt es mehrere prospektiv randomisierte Studien, allerdings mit eher kleinen Fallzahlen (8-10). Vergleichbare Studien liegen für Leflunomid und Azathioprin nicht vor.
In einem Viertel aller PMR-Patienten ist eine GC-Therapie länger als drei Jahre erforderlich. Prädiktoren hierfür sind hohe initiale Entzündungsaktivität (CRP > 40 mg/dl), schwer zu kontrollierende Krankheitsaktivität in den ersten zwölf Monaten, früher MTX-Einsatz und weibliches Geschlecht (11). Die hohe Langzeitgabe von GC ist wegen zahlreicher Nebenwirkungen unbefriedigend. Durch eine Kombination mit MTX kommt es in einer sechsjährigen Langzeitbeobachtung zu einer geringen, aber statistisch signifikanten Reduktion der mittleren Entzündungsaktivität (CRP 2,4 vs. 10,2; p < 0,04) (9, 12). Der mittlere GC-Verbrauch, die PMR-Flare-ups und die Nebenwirkungen waren unter der Kombination MTX/GC numerisch, aber statistisch nicht signifikant geringer als unter GC allein. Ähnlich verhielt es sich auch mit dem Anteil der Patienten, die nach sechs Jahren noch GC benötigten: MTX/GC: 32 % vs. GC-Monotherapie 39 % (9). Ob im Verlaufe einer PMR-Erkrankung neben GC auch MTX eingesetzt werden sollte, ist immer eine sehr individuelle Entscheidung, die vorwiegend abhängt von den Komorbiditäten und den zu erwartenden bzw. bereits eingetretenen Langzeitnebenwirkungen (13). Bei der Dosierung von MTX ist zu bedenken, dass 7,5 mg/Woche wahrscheinlich zu niedrig ist, um eine signifikante Wirkung zu erzielen (6), während Dosen > 20 mg/Woche öfter zu vermehrten Nebenwirkungen (Infektanfälligkeit und Übelkeit) führen können. In den meisten Studien finden sich deshalb MTX-Dosen von 10–15 mg/Woche p.o. oder s.c. Überzeugend starke Effekte von MTX in der Rezidivprophylaxe sind nicht berichtet worden (7).
Von den in der Rheumatologie bewährten Biologika zeigen IL6-Rezeptor blockierende monoklonale Antikörper mit Tocilizumab (TCZ) oder Sarilumab (SAR) (14) in Pilotstudien ein vielversprechendes Potenzial zur Einsparung von GC. TCZ scheint sich besonders zu bewähren bei schweren PMR-Verläufen (15, 16) und der Kombination mit RZA, während TFN-Inhibitoren unwirksam waren (17). In einer kürzlichen randomisierten Proof-of-concept-Studie zeigte auch Rituximab (RTX) einen guten kortikosteroidsparenden Effekt bei PMR (18). Bisher hat aber nur TCZ Eingang in die Therapie schwerer, MTX-resistenter PMR-Verläufe gefunden und wirkt auch als Erstlinientherapie (16, 7, 19).
Auch bei PMR mit RZA besteht die obligate Erstlinientherapie aus GC in einer Initialdosis von 40–60 mg Prednison/Tag p.o. Nur bei beginnenden Visusstörungen werden Methylprednisolon 250–1000 mg i.v. über drei Tage empfohlen (7, 20). Nach Erreichen einer Remission wird eine Dosisreduktion auf 15–20 mg Prednison/Tag innerhalb von zwei bis drei Monaten angestrebt. Bei RZA-Patienten mit erhöhtem Risiko oder bereits bestehenden Komplikationen einer GC-Therapie sollte eine Kortioidsteroid-sparende Therapie mit TCZ (162 mg/Wo s.c über ein Jahr (21, 22) oder alternativ MTX (0,3 mg/kg Körpergewicht pro Woche, entsprechend 10–15 mg p.o. oder s.c. einmal wöchentlich) eingeleitet werden (10); Voraussetzung für eine MTX-Therapie ist eine normale Nierenfunktion.
Aufgrund der aktuellen internationalen Datenlage und der deutschen S2k-Leitlinie ist eine PMR mit mindestens einem Rezidiv zunächst mit einer GC-Dosiserhöhung auf die zuletzt effektive Prärezidiv-Dosis zu behandeln. Bei bereits bestehenden Nebenwirkungen (Osteoporose, Steroiddiabetes, Cushing-Syndrom, Muskelabbau, Steroidpsychose) und fehlender Nierenfunktionseinschränkung sollte ein Therapieversuch mit 10–15 mg MTX p.o. oder s.c. bei gleichzeitiger langsamer Reduktion der GC begonnen werden.
Nur in Ausnahmefällen mit ungewöhnlich hoher Entzündungsaktivität, Verdacht auf Großgefäßbeteiligung und drohenden schweren Nebenwirkungen, bei denen MTX nicht zum Erfolg geführt hat, soll ein Versuch mit TCZ (162 mg/Wo s.c.) oder SAR (2 x 200 mg s.c./Monat) erwogen werden. Dabei ist zu bedenken, dass unter IL6-Blockade die Akutphase-Reaktion nahezu komplett unterdrückt wird und ein CRP-Anstieg nicht mehr als Diagnosehinweis für ein PMR/RZA-Rezidiv oder eine subakute bakterielle Entzündung (z. B. Darmdivertikulitis, septische Arthritis, Endokarditis) taugt. Für die Wirksamkeit anderer Biologika bei der PMR gibt es bisher keine gesicherte Evidenz (siehe oben).
Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.