MRSA – welche Maßnahmen sind nötig?
Therapie aktuell
Therapie aktuell
Häufigkeit, Screening, Isolations- und Dekontaminationsmaßnahmen im Zusammenhang mit MRSA werden kritisch diskutiert. Das Vorgehen scheint gut standardisiert und wohlbegründet. Als neue Herausforderung wird der zukünftige Umgang mit gramnegativen multiresistenten Keimen angesehen.
Prevalence, screening, isolation and decontamination measures of methicillin-resistant staphylococcus aureus are critically appraised. The necessary actions seem to be standardised and well-founded. A new challenge will be the future management of gram-negative multi-resistant bacteria.
Geschätzte 20–30 % der Bevölkerung sind mit dem fakultativ-pathogenen Erreger Staphylococcus aureus (S. aureus) dauerhaft kolonisiert. Primäre Besiedlungsorte sind dabei der Nasenvorhof sowie der Rachen und ggf. weitere Haut- und Schleimhautbereiche (z. B. Leistenregion, Achseln und Perineum).
Im Gegensatz zu einer relativ häufigen Besiedlung der Bevölkerung mit Methicillin-sensiblen S. aureus-Isolaten (MSSA, ca. jeder Fünfte in der Bevölkerung, siehe oben), ist die Besiedlung mit Methicillin-resistenten S. aureus-Isolaten (MRSA) eher selten anzutreffen. Köck et al. konnten zeigen, dass der Anteil der Bevölkerung mit einem MRSA-Nachweis bei ca. 1 % liegt (1).
MRSA zeichnet sich im Vergleich zu MSSA durch eine Unempfindlichkeit (Resistenz) gegenüber allen Betalactamase-Antibiotika aus (Ausnahme: MRSA-wirksame Cephalosporine).
Die MRSA-Prävalenz zum Zeitpunkt der Aufnahme in ein Akutkrankenhaus liegt bei 0,8–2,18 %, wohingegen die Prävalenz zu einem definierten Zeitpunkt bei Aufenthalt in einem Akutkrankenhaus etwas höher zwischen 1,5 % bis 5,3 % ist (2). In Alten- und Pflegeheimen ist die MRSA-Prävalenz zum Teil noch deutlich höher (1,1–9,2 %) (3).
Der Anteil von MRSA an allen klinischen Isolaten ist nach einem Höhepunkt im Jahr 2010 (20,8 %) in Deutschland offensichtlich rückläufig und liegt inzwischen bei 12,7 % (European Antimicrobial Resistance Surveillance Network (EARS-Net), Abfrage 21.04.2015).
Die aufgeführten Prävalenzen machen deutlich, wie unterschiedlich die Häufigkeit von Besiedlungen mit MRSA in verschiedenen Risikogruppen und Bereichen sein kann. Dabei ist sowohl beim Nachweis von MRSA als auch von MSSA immer zwischen einer asymptomatischen Kolonisation (Besiedlung) und einer mit Symptomen einhergehenden Infektion zu unterscheiden, da nur eine Infektion therapiert werden muss.
Screening von Risikopatienten
Um kolonisierte und/oder infizierte Patienten frühzeitig zu identifizieren und somit Übertragungen und ggf. weitere Infektionen zu verhindern, soll ein Screening von Risikopatienten gemäß Empfehlung der Kommission für Infektionsprävention und Krankenhaushygiene (KRINKO) in den Krankenhäusern implementiert sein (4).
Risikopatienten im Sinne der KRINKO-Empfehlung sind Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese, Patienten aus Regionen/Einrichtungen mit bekannt hoher MRSA-Prävalenz, Dialysepatienten, Patienten mit stationärem Krankenhausaufenthalt (> drei Tage) in den zurückliegenden zwölf Monaten, Patienten, die regelmäßig (beruflich) direkten Kontakt zu landwirtschaftlichen Nutztieren haben, Patienten, die während eines stationären Aufenthaltes Kontakt zu MRSA-Trägern hatten (z. B. Unterbringung im gleichen Zimmer), Patienten mit chronischen Hautläsionen, Patienten mit chronischer Pflegebedürftigkeit und einer in den letzten sechs Monaten zurückliegenden Antibiotikatherapie oder einem liegenden Katheter (4).
Sowohl die präventive Isolierung bis zum Vorliegen des endgültigen Screening-Ergebnisses als auch die Unterbringung von MRSA-besiedelten oder -infizierten Patienten im Einzelzimmer können zu einer Senkung der MRSA-Akquisitionsraten bzw. der Inzidenz von MRSA-Infektionen führen (5).
Dekolonisierung von MRSA-Trägern
Die MRSA-Dekolonisierung eines Patienten hat das Ziel, zum einen eine nosokomiale Infektion des Patienten mit dem besiedelnden Isolat zu verhindern und zum anderen die Wahrscheinlichkeit von MRSA-Transmissionen auf andere Patienten und das medizinische Personal zu verringern.
Der Erfolg der Dekolonisierung hängt entscheidend von der gleichzeitigen und wirksamen Reduktion der Erreger auf dem Körper und in der Umgebung ab. Einige zugrundeliegende Erkrankungen wie chronische Wunden, chronische Sinusitis, Otitis externa oder ein chronisches Ekzem, kolonisierte Hautdefekte, Katheter, Tracheostomata sowie die Besiedlung anderer, für die Dekolonisierung schwer zugänglicher Körperbereiche (z. B. Gehörgänge, Augen und Augenlider, Darm, Vagina und Urethra) können den Erfolg einer Dekolonisierung verhindern.
Da Patienten mit einer MRSA-Besiedlung ein erhöhtes Risiko für eine MRSA-Infektion einhergehend mit einer erhöhten Mortalität haben, muss insbesondere vor operativen und invasiven Eingriffen oder während intensivmedizinischer Behandlungen geprüft werden, ob trotz Vorliegen von dekolonisierungshemmenden Faktoren eine Dekolonisierung durchzuführen ist (6). Der Effekt einer reduzierten Infektionshäufigkeit lässt sich in der Regel schon durch eine Reduktion der Besiedlungsdichte erreichen, auch wenn eine vollständige Eradikation nicht gelingt.
Eine Dekolonisierung beinhaltet in der Regel die Anwendung von Mupirocin-Nasensalbe (zwei- bis dreimal täglich) sowie eines Rachenantiseptikums (einmal täglich) und eines Hautantiseptikums zur Durchführung von täglichen Waschungen von Haut und Haaren. Diese Maßnahmen sind täglich über fünf bis sieben Tage durchzuführen. Begleitend dazu ist ein täglicher Austausch oder eine Desinfektion der unmittelbar am Körper getragenen oder verwendeten Gegenstände inklusive der Wäsche vorzunehmen. Eine erfolgreiche Dekolonisierung ist nach Abschluss der aufgeführten Maßnahmen an drei verschiedenen Tagen durch negative Kontrollabstriche zu dokumentieren. Weitere Kontrollabstriche nach drei, sechs und zwölf Monaten können die Sicherheit der Dokumentation eines dauerhaften Erfolges nach einer Eradikation erhöhen.
Eine antibiotische Therapie von kolonisierten Patienten im Rahmen einer Dekolonisation kann zur Risikominimierung vor Eingriffen eine Option darstellen, setzt aber eine individuelle Risikoabwägung voraus und ist daher immer eine ärztliche Einzelfallentscheidung (7).
Neue Präventionsstrategien
In Deutschland wird traditionell ein gezieltes Vorgehen der Maßnahmen mit selektivem Screening nur der Risikopatienten und Dekolonisierung der besiedelten Patienten empfohlen. In jüngster Zeit werden jedoch Ansätze berichtet, generell alle Patienten zu screenen oder ohne vorheriges Screening alle Patienten zu dekolonisieren. Diese Verfahren wurden sowohl in Hochrisikobereichen wie Intensivstationen als auch in Normalpflegebereichen untersucht.
In einer Übersicht führen Fätkenheuer et al. eine ganze Reihe von Studien an, die sich der Frage widmen, ob eine universelle Dekolonisation der Patienten effizient ist, wobei das Design der einzelnen Studien sich erheblich unterscheidet (8). Die aufgeführten Studien sind in der Mehrzahl auf den Intensivstationen verschiedener Krankenhäuser durchgeführt worden. Dabei war die MRSA-Prävalenz vor Ort sehr unterschiedlich: zwischen 5,1 % in einer der beiden europäischen Studien (9) bis zu über 20 % in einer Studie von Climo et al. aus Amerika (10). Während in einigen Studien Neukolonisationen und Übertragungen von MRSA mit untersucht wurden, wurden in anderen Studien nur Infektionen als Endpunkt untersucht (11;12). In der Mehrzahl der Studien findet die Auswertung auf dem Niveau der einzelnen Stationen statt (9-16) während Harbarth et al. die Daten auf Patienteniveau auswerten (9). Obgleich vier der neun Studien zu dem Schluss kommen, dass die universelle Dekolonisierung den höchsten Nutzen hat, bleiben einige Fragen hinsichtlich der Übertragbarkeit auf die deutsche Situation offen.
Zu Beginn des Jahres erschien eine weitere Studie mit einer Kosten-Wirksamkeits-Analyse der verschiedenen Konzepte (gezieltes oder ungezieltes Screening, gezielte oder ungezielte Dekolonisation) bezogen auf Intensivstationen (17). Diese Analyse zeigt den Unterschied auf zwischen einer Situation, in der die MRSA-Prävalenz niedriger als 5 % ist und einer MRSA-Prävalenz von mehr als 20 %. Herrschte eine niedrige Prävalenz vor, fand sich als beste Strategie die Surveillance mittels Screening und die gezielte Dekolonisation (Risikopatienten), während bei einer höheren Prävalenz (> 20 %) die allgemeine Dekolonisation (Chlorhexidin-Bad und Mupirocin-Anwendung) eindeutig kosteneffektiver war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Analyse nur auf Übertragungen und Infektionen von MRSA auf Intensivstationen bezieht.
In einer weiteren Analyse haben McKinnell et al. zusätzlich eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, in der sie die Effizienz eines universellen MRSA-Screenings aller Patienten für ein Krankenhaus analysiert haben, und sind zu dem Schluss gekommen, dass ein generelles Screening für ein gesamtes Krankenhaus zu kostenintensiv ist (18).
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Strategie, die eine Einrichtung zur Prävention von MRSA-Übertragungen und -Infektionen etablieren sollte, von der jeweiligen Prävalenz abhängig ist. In Deutschland ist die Prävalenz zurzeit rückläufig und liegt derzeit bei ca. 2 % der gescreenten Risikopatienten (Geschäftsstelle Qualitätssicherung im Krankenhaus (GeQiK): www.geqik.de), sodass insgesamt die von der KRINKO empfohlenen gezielten Maßnahmen auf Basis einer ärztlichen Risikoanalyse die effektivste Methode zu sein scheint.
Besiedelte Personen, die nicht als Patient im Krankenhaus behandelt werden, sind in der Regel mit MRSA kolonisiert und nicht infiziert. Selbst in Pflegeheimen kommt es eher selten zu Übertragungen. Das Risiko einer Übertragung in Alten- und Pflegeheimen ist offensichtlich geringer, da die Anzahl der invasiven Eingriffe deutlich geringer ausfällt als im Krankenhaus. Allerdings muss bedacht werden, dass es sich bei alten und pflegebedürftigen Menschen um eine vulnerable Patientengruppe handelt, die aufgrund einer Vielzahl an chronischen Erkrankungen einhergehend mit regelmäßigen Krankenhausaufenthalten und dem Einsatz besonderer pflegerischer Maßnahmen ein erhöhtes Risiko für eine Besiedlung mit multiresistenten Erregern hat.
Zur Übertragung von MRSA im häuslichen Bereich liegen wenige Studien vor. Im Zusammenleben mit MRSA-positiven Personen kann es in Abhängigkeit von der Dauer und der Intensität der Körperkontakte zu Übertragungen kommen, die auch zu Kolonisationen führen können – diese stellen allerdings für gesunde Personen kein Problem dar.
Zur Prävention der Verbreitung von MRSA sollten in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen umfassende Konzepte zur Minimierung des Übertragungsrisikos vorliegen. Wichtige Vorrausetzung dafür ist, dass die Bedingungen zur Einhaltung für die Basishygiene vor Ort gegeben sind. Zur Basishygiene gehören die regelmäßige und indikationsgerechte Händehygiene, der Einsatz von Schutzkleidung (z. B. Mund-Nasen-Schutz, Handschuhe und Plastikschürze bei Verbandswechsel), die fachgerechte Aufbereitung von Medizinprodukten (z. B. die Desinfektion von Ultraschallköpfen, Stethoskop etc.) und die Flächendesinfektion (z. B. Desinfektion von Flächen vor und nach Verbandswechsel). Zu einem umfassenden Konzept gehört zudem die Einbindung und regelmäßige Kommunikation mit allen an der Behandlung der besiedelten Personen Beteiligten.
Dekolonisierungsmaßnahmen können auch im ambulanten Bereich durchgeführt werden. Hierzu gibt es seit dem Jahr 2012 die Möglichkeit der Abrechnung. Derzeit besteht die Abrechnungsmöglichkeit für poststationäre Screenings und/oder Behandlungen. Eine prästationäre Durchführung von Screeningabstrichen bei Risikopatienten und ggf. eine Dekolonisierung wären jedoch wünschenswert.
Die Häufigkeit der Nachweise von MRSA hat erfreulicherweise in Deutschland in den letzten Jahren spürbar abgenommen. Komponenten der Präventionsstrategien, die dazu beigetragen haben und weiterhin beitragen können, sind neben einer guten Basishygiene das gezielte Suchen nach MRSA-Trägern, gezielte Dekolonisierungsmaßnahmen und risikoadaptierte Isolierungsmaßnahmen.
Für Krankenhäuser sind diese Maßnahmen gut etabliert und werden regelmäßig umgesetzt. Derzeit ergeben sich aus neueren Untersuchungen keine Hinweise, die eine Änderung dieses Vorgehens erforderlich machen würden.
Die Herausforderung der nächsten Jahre ist eine systematische Umsetzung der Maßnahmen im ambulanten Bereich, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Zunahme der multiresistenten gramnegativen Bakterien, für deren Prävention einige der bewährten Maßnahmen der MRSA-Prävention eine Vorlage sein können.
Ein Interessenkonflikt wird von den Autorinnen verneint.