Impfungen vor und nach Organtransplantation
Aus der Praxis – für die Praxis
Aus der Praxis – für die Praxis
Im folgenden Artikel werden die Anwendungshinweise zum Impfen bei Immundefizienz zu den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen aus dem Gesundheitsblatt 2020 (1) zusammengefasst und durch neuere Empfehlungen ergänzt (2–4).
Für Patientinnen und Patienten mit Organtransplantationen ist das Vermeiden von Infektionen durch Impfungen besonders wichtig, weil:
1. Organtransplantierte ein hohes Risiko haben, sich zu infizieren und zudem auch ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Erkrankung haben.
2. Ein hohes Malignomrisiko bei onkogenen Viren besteht.
3. Impfpräventable Erkrankungen Abstoßungen und Transplantatversagen triggern können.
Demgegenüber wurde bisher kein erhöhtes Risiko für Abstoßungen von Organen durch die Stimulation des Immunsystems durch Impfungen nachgewiesen. Die Angst vor bleibenden Schäden durch eine Impfung ist in dieser Patientengruppe daher unbegründet: Von 3570 Meldungen beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im Jahr 2018 zu Verdachtsfällen von Impfnebenwirkungen lag in 82 Fällen (2,3 %) ein bleibender Schaden nach Impfung vor. Bei etwa der Hälfte der Fälle wurde dieser Zusammenhang als wahrscheinlich angesehen. Bei 30–35 Millionen Impfungen pro Jahr ist damit das Risiko als sehr klein einzustufen (5).
Die Empfehlungen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Eine Grundimmunisierung gegen Hepatitis B ist, falls nicht schon erfolgt, vor geplanter Transplantation immer indiziert. Vier bis acht Wochen nach erfolgter Grundimmunisierung oder einer Auffrischimpfung muss immer eine serologische Überprüfung des Impferfolgs durchgeführt werden (Auffrischung bei anti-HBs Wert < 10). Der Hepatitis-B-Hochdosisimpfstoff sollte bei Dialysepflichtigkeit oder fortgeschrittener Leberinsuffizienz verwendet werden.
Bei Indikationen zur Hepatitis-A-Impfung sollte immer der monovalente Impfstoff verwendet werden.
Zur Grundimmunisierung gegen Pneumokokken wird der 20-valente (20 Serotypen abdeckende) Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV20) einmalig geimpft (2), bei schon erfolgter Grundimmunisierung sollte die Auffrischung mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) frühestens nach sechs Jahren erfolgen.
Auch die Impfung gegen Meningokokken der Serogruppen ACWY wird vor Transplantation empfohlen, ebenso wie die der Gruppe B (CAVE: Bexsero® und Trumemba® mit Zulassung für unterschiedliche Altersgruppen und unterschiedliche Schemata zur Grundimmunisierung). Nach erfolgter Grundimmunisierung wird alle fünf Jahre eine Auffrischimpfung für beide Impfstoffe empfohlen.
Die jährliche Impfung gegen Influenza ist bereits vier Wochen nach Transplantation möglich. Nach Transplantation erfolgt sie stets mit zwei Impfdosen im Abstand von vier Wochen. Der tetravalente Influenza-Spaltimpfstoff Efluelda® ist für die aktive Immunisierung von Erwachsenen ab 60 Jahren zugelassen (7). Bei Patienten mit endogener oder therapiebedingter Immunsuppression ist die Immunantwort bei allen Impfstoffen gegen Influenza möglicherweise nicht ausreichend.
Die HPV-Impfung kann altersunabhängig angeboten werden.
Die Impfung gegen FSME ist nach Organtransplantation mit erweitertem Impfschema frühestens 3, 4, 6 und 15 Monate nach erfolgter Transplantation als Grundimmunisierung je nach Zeckenexposition und Endemiegebiet empfohlen. Eine Auffrischimpfung sollte alle drei Jahre erfolgen.
Die Impfung gegen Herpes Zoster ist für Personen ab 50 Jahren bei Varizellen-Antikörper-Positivität sowie im Alter ≥ 18 Jahre bei erhöhtem Risiko für Herpes zoster zugelassen. Sie verhindert aber nicht die Infektion mit Varizellen. Die Impfung ist im Alter von 18–50 Jahren allerdings nicht zu Lasten der GKV erstattungsfähig (4), kann aber angeboten werden. Die Patienten sollten daher die Kostenübernahme zuvor bei ihrer Krankenkasse schriftlich beantragen. Der Impfabstand beträgt zwei bis sechs Monate für die Grundimmunisierung, eine Auffrischung ist nicht erforderlich.
Gegen COVID-19 sollte jederzeit grundimmunisiert bzw. einmal pro Jahr mit angepasstem Impfstoff aufgefrischt werden, wenn innerhalb der letzten 12 Monate keine COVID-19-Infektion stattgefunden hat. Allerdings ist in dieser Patientengruppe eine abgeschwächte Immunantwort zu erwarten.
Die Impfung gegen RSV wird neuerdings ab dem Alter von 60 Jahren bei schwerer Grunderkrankung empfohlen (liegt vor geplanter, aber auch nach Transplantation in aller Regel vor) (3). Für Patienten unter 60 Jahren sollte vorab die Kostenübernahme durch die GKV geklärt werden.
Masernschutzgesetz: Seit dem 1. März 2020 müssen alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung (Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte, Kindertagespflege, Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime und Ferienlager) betreut werden, den Impfschutz gegen Masern nachweisen. Dies gilt auch für Personen, die in einer Unterkunft für Geflüchtete untergebracht sind, sowie für in den genannten Einrichtungen und in Gesundheitseinrichtungen Tätige. Kinder ab einem Jahr müssen eine Masern-Schutzimpfung oder eine Masern-Immunität nachweisen. Kinder ab zwei Jahren und Erwachsene, die nach 1970 geboren sind, müssen mindestens zwei Masern-Schutzimpfungen oder ein ärztliches Zeugnis über eine ausreichende Immunität gegen Masern nachweisen. Die Immunität kann durch einen Bluttest (sog. Titerbestimmung) festgestellt werden.
Enge Kontaktpersonen von Organtransplantierten sollten vollständig gemäß STIKO-Empfehlungen geimpft sein. Die Auffrischung der Pertussis-Impfung sollte alle zehn Jahre erfolgen. Bei Schwangerschaft sollten unabhängig davon, ob in den letzten zehn Jahren eine Impfung erfolgt ist, sowohl die Schwangere als auch die Kontaktpersonen nochmals geimpft werden. Gegen Influenza sollte jährlich geimpft werden. Werden Säuglinge gegen Rotaviren geimpft, ist das Virus bis zu 28 Tage im Stuhl nachweisbar und somit für Organtransplantierte potenziell gefährlich, obwohl schwere Krankheitsfälle durch eine Übertragung auf diesem Weg bisher noch nicht publiziert wurden.
Gegen MMR, Varizellen und ggf. Gelbfieber sollten vor der Transplantation insbesondere potenzielle Organempfänger aber auch ihre Kontaktpersonen geimpft werden.
Reiseimpfungen werden hier nicht ausführlich besprochen. In Tabelle 3 findet sich eine Übersicht über die verschiedenen Schutzimpfungskategorien der jährlichen STIKO-Empfehlungen wieder.
Patientinnen und Patienten bleiben nach Organtransplantationen zeitlebens immunsupprimiert, sodass grundsätzlich eine lebenslange Kontraindikation für Lebendimpfungen besteht. Nach individueller Risiko-Nutzen-Entscheidung können Patientinnen und Patienten, bei denen vor Organtransplantation keine vollständige Immunisierung gegen Masern, Mumps oder Röteln geimpft werden.
Eine besondere Bedeutung kommt daher der Impfung von Kontaktpersonen zu, bei denen ein vollständiger Impfschutz gegen MMR und Varizellen vor Durchführung einer Organtransplantation gewährleistet werden sollte. Nach Kontakt zu erkrankten bzw. infektiösen Patientinnen und Patienten und fehlendem Impfschutz sollte nach Organtransplantation, sofern möglich, eine Postexpositionsprophylaxe erwogen werden. Nebenwirkungen nach Impfungen sollten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeldet werden.
Die Autoren geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.