Hormontherapie in der Menopause – eine unendliche Geschichte...
Editorial
Editorial
Große klinische Studien zeigen bei postmenopausalen Frauen keinen Langzeitnutzen einer Östrogenbehandlung, sondern warnen vor möglichen Nachteilen. Einige Fachgesellschaften wollen das nicht wahrhaben und unternehmen immer neue Anläufe für ein Comeback.
Bekanntlich wurden 2002 (1) und 2004 (2) die beiden großen WHI(Women's Health Initiative)-Studien vorzeitig abgebrochen. Die aus dem Harn trächtiger Stuten gewonnenen Östrogene („konjugierte equine Östrogene“) zeigten weder in Gestagenkombination (Medroxyprogesteron) bei Frauen mit vorhandener Gebärmutter über ca. fünf Jahre noch alleine bei hysterektomierten Frauen über knapp sieben Jahre einen Vorteil: Die erwartete Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse blieb nicht nur aus, das Risiko war in einigen Endpunkten sogar erhöht. Beide Studien wurden vorzeitig mit der Begründung eines nachteiligen Nutzen-Risiko-Verhältnisses abgebrochen. Damit wurde ein jahrzehntelang weltweit als Standard geltendes Postmenopausemedikament fast über Nacht bedeutungslos.
Die Hormonbehandlung ist die wirksamste Therapie der vasomotorischen Symptome im Klimakterium, vor allem der Hitzewallung (3). Eine möglichst niedrig dosierte und möglichst kurze (ein bis zwei Jahre) Hormonbehandlung kann bei beeinträchtigender Symptomatik empfohlen werden.
An der Osteoporose des älter werdenden Menschen ist – insbesondere bei der Frau – die Hormonveränderung pathophysiologisch wesentlich beteiligt. In den beiden WHI-Studien fand sich eine Reduktion der Frakturinzidenz als sekundärer Endpunkt (1;2). Es gilt als gesichert, dass die Hormonbehandlung das Osteoporose-Risiko senken kann. Allerdings ist der Nutzen einer hierzu erforderlichen Hormon-Langzeittherapie gegen deren Risiken abzuwägen. Im Vergleich mit antiresorptiven Therapieansätzen mit Bisphosphonaten schneiden Hormone schlechter ab.
Bis zur Jahrtausendwende wurde angenommen, dass die Hormonbehandlung – neben anderen Risiken – auch das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert. Diese Erwartungen gründeten sich auf theoretischen Überlegungen, experimentellen Studien und epidemiologischen Daten. Entscheidend gestützt wurden sie durch die „Nurses‘ Health Study“, einer Kohortenstudie mit über 70.000 Frauen, die eine geringere Rate koronarer Ereignisse bei Hormonanwenderinnen (4) zeigte. Warum diese Annahmen von den Ergebnissen der WHI-Studien dann widerlegt wurden, wird bis heute diskutiert. Eine Möglichkeit ist, dass sich die Hormonanwenderinnen in der Nurses‘ Health Study auch grundsätzlich gesundheitsbewusster verhielten (z. B. Ernährung, Bewegung, Rauchverhalten) und dass in den Auswertungen nicht genügend für diese Confounder kontrolliert wurde.
Unbestritten ist, dass die langfristige Östrogeneinnahme mit Gesundheitsgefahren verbunden ist. Für eine Nutzen-Risiko-Analyse wurden in einer Cochrane-Metaanalyse die Daten von über 43.000 Teilnehmerinnen in 22 placebokontrollierten Hormonstudien zusammengefasst (5). Darin fand sich für alle Hormonbehandlungen eine Risikoerhöhung für Venenthrombosen, Schlaganfall und Gallenblasenerkrankungen.
Nur für die kombinierte Östrogen/Gestagen-Behandlung, aber nicht für die Östrogen-Monotherapie bestätigte sich die in den WHI-Studien beobachtete Zunahme koronarer Ereignisse. Die Monotherapie reduzierte darüber hinaus die Rate an Brustkrebs und klinisch relevanten Frakturen.
Der wichtigste Warnhinweis zum Brustkrebsrisiko durch Hormontherapie stammt aber aus der größten Untersuchung überhaupt. In der nichtinterventionellen „Million Women Study“ wurden über eine Million Frauen zwischen 50 und 64 Jahren nach Menopause-Status und Hormontherapie befragt und das Auftreten von Brustkrebs und die Sterblichkeit untersucht. Belegt wurde eine signifikante, mit der Einnahmedauer korrelierende Risikoerhöhung für Brustkrebs für alle Formen der Hormontherapie; sogar die Mortalität zeigte sich erhöht (6).
Eigentlich sind angesichts der Datenlage die Konsequenzen klar:
Trotzdem wird in regelmäßigen Abständen versucht, die Hormondauertherapie zu rehabilitieren. Als Argumente für eine Renaissance der Hormontherapie wird in erster Linie die Timing-Hypothese angeführt. In der Mehrzahl der klinischen Prüfungen, so auch WHI, hätten die Studienteilnehmerinnen erst spät mit der Hormonbehandlung begonnen, ein früherer Behandlungsbeginn näher an der Menopause könne günstiger sein.
Verwiesen wird auf eine Subgruppenanalyse der WHI-Studien (8): Bei Beginn der Hormontherapie zwischen dem 50. und 59. Lebensjahr wurden unter Östrogen-Monotherapie keine erhöhten und unter Kombinationsbehandlung mit Gestagen nur minimal erhöhte kardiovaskuläre Ereignisraten beobachtet. Post-hoc-Analysen wie diese haben aber allenfalls hypothesenbildenden Charakter, auch die Studienautoren betonten dies.
Mit größter Zurückhaltung muss eine Studie aus Dänemark betrachtet werden (9). Von 1990 bis 1993 wurden etwa 1000 Frauen (45 bis 58 Jahre) bis zu zwei Jahre nach Menopausebeginn eingeschlossen und erhielten randomisiert, aber offen Estradiol (mit bzw. ohne Norethisteron, je nach Hysterektomie-Status) oder keine Therapie. Die eigentlich über 20 Jahre geplante Studie sollte primär osteoporosebedinge Frakturen und Knochendichte untersuchen, sekundäre Endpunkte waren Brustkrebs und Klimakteriumbeschwerden. Aufgrund der WHI-Daten wurde die Studie 2002 vorzeitig abgebrochen. Zur großen Überraschung wurde sie zehn Jahre später mit völlig anderen Endpunkten veröffentlicht: Aus dänischen Registern stammende Daten wurden auf den kombinierten Endpunkt Tod, stationäre Einweisung wegen Herzinfarkts oder Herzinsuffizienz ausgewertet.
Während der aktiven Behandlungsphase (zehn Jahre) trat unter Hormontherapie bei 16 von 502 Frauen ein Ereignis des kombinierten Endpunkts auf, ohne Behandlung waren es 33 von 504. Nur der kombinierte Endpunktunterschied erreichte statistische Signifikanz, jedoch keine der einzelnen Endpunktkomponenten.
Das Fehlen einer Kontrollbehandlung, das offene Design, ein kompletter und nachträglicher Endpunktwechsel, die unklar definierte Datenquelle, die kleine Stichprobe, die geringe Ereignisrate und damit zweifelhafte statistische Power sind so schwere methodische Mängel, dass sie die Studie zum Negativbeispiel für EbM-Kurse qualifizieren. Ganz sicher ist sie nicht geeignet, die Ergebnisse der großen zitierten Studien zu konterkarieren.
Ohne Zweifel sind auch an der einen oder anderen der großen Untersuchungen zur postmenopausalen Hormontherapie methodische Kritiken gerechtfertigt. Doch wird durch solche Kritik höchstens die Aussagekraft abgeschwächt oder die Übertragbarkeit auf bestimmte Patientenpopulationen eingeschränkt. Eine berechtigte methodische Kritik berechtigt jedoch niemals zum Umkehrschluss, dass also die gegenteilige Aussage als Ergebnis angenommen werden kann.
Auch die vom US-Kongress unterstützte, aber unabhängige US Preventive Services Task Force kommt ganz aktuell zu dem eindeutigen Schluss, dass von einer Hormontherapie, die über eine kurzfristige Symptomkontrolle hinausgeht, abzuraten ist (10).
Warum angesichts der überwältigend negativen Datenlage Fachgesellschaften und Berufsverbände nach wie vor in Internetauftritten einen Langzeitnutzen der Hormontherapie behaupten, ist rational nicht nachvollziehbar. Über die tatsächlichen Gründe kann nur spekuliert werden.
Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.