Helicobacter-pylori-Eradikation zur Vorbeugung des Magenkrebses?
Therapie aktuell
Therapie aktuell
Weltweit sterben etwa 1 Million Menschen jährlich an Magenkrebs (1). Hiervon werden etwa 700.000 einer Infektion durch Helicobacter pylori zugeordnet. Insgesamt nimmt jährlich die Anzahl der Magenkrebserkrankungen um etwa 2 % ab, wobei die Ursachen hierfür multifaktoriell sind (verbesserte Hygiene u. a.).
2012 wurde eine placebokontrollierte Studie veröffentlicht, die bei 3365 randomisierten Patienten mit nachgewiesenem H. pylori zeigte, dass durch eine Eradikation des Keimes eine Reduktion des Magenkrebsrisikos möglich ist. Während bei der Kontrollpopulation 4,6 % an Magenkrebs erkrankten, waren es in der Behandlungsgruppe nur 3 % (Odds Ratio 0,61; 95 % CI 0,38–0,96) (2). Eine Kohortenstudie an den Bewohnern der zu Taiwan gehörenden Matsu-Inseln untersuchte die Effekte einer H.-pylori-Eradikation an 4000 Teilnehmern eines Präventionsprogramms in einem Vergleich der Zeiträume 1995–2003 und 2004–2008. Die Magenkarzinominzidenz konnte um 25 %, die Ulkuskrankheit um 67 % gesenkt werden (3). Eine Metaanalyse, die sechs Arbeiten mit Randomisierung bei insgesamt 3294 asymptomatischen Erwachsenen einschloss, kam ebenfalls zu einem statistisch signifikanten Ergebnis (2,4 % in der Kontrollgruppe, 1,6 % in der Behandlungsgruppe, Relative Risk 0,66 (95 % CI 0,46–0,95) (4).
So statistisch abgesichert diese Ergebnisse sind, ergeben sich bei genauer Betrachtung doch erhebliche Spielräume für das ärztliche Ermessen. Rechnet man nämlich bei der zuerst zitierten Arbeit die NNT (number needed to treat) aus, so kommt man auf 63. Bei der Metaanalyse ergibt sich 125. Dies heißt, dass 63 bzw. 125 Patienten behandelt werden müssen, um eine Person vor dem Magenkrebs zu retten. Dies lässt die Indikation aus rein prophylaktischer Sicht als fraglich erscheinen, wenn auch durch die Beseitigung des H. pylori in den Behandlungsgruppen die Zahl der Ulcera und der Dyspepsien gemindert wurde. Immerhin können die Ergebnisse Grund sein, im Zweifelsfall, also z. B. bei funktioneller Dyspepsie (5), die Indikation großzügig zu stellen. Gegen die Behandlung ist anzuführen, dass alle Antibiotika zu Resistenzen des H. pylori sowie anderer Bakterien der Körperflora führen können mit Entwicklung z. B. multiresistenter, gramnegativer Bakterien (MRGN) oder der Begünstigung einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoe (6). Weiterhin ist ein Erfolg nur in ca. 80 % der Fälle zu verzeichnen. Patienten müssen dann die evtl. mit Durchfällen und anderen UAW belastete Therapie wiederholen oder die Sache ergebnislos abbrechen. Die Ergebnisse wurden im Übrigen allein an asiatischen Patienten erhoben, die anderen Essgewohnheiten unterliegen und zum Teil eine deutlich höhere Magenkarzinominzidenz aufweisen.
Der Nachweis des H. pylori und die Kontrolle nach der Therapie sind durch den Stuhltest (7) sehr erleichtert. Packungen zur Eigenkontrolle sind heute schon über das Internet erhältlich. Bezüglich der Durchführung der Eradikation sei auf (8) verweisen.
Statistisch gesehen ist die Eradikation des H. pylori eine effektive Maßnahme zur Prävention des Magenkrebses. Betrachtet man allerdings die NNT (number needed to treat), die zwischen 63 und 125 liegt, und den Umstand, dass die Behandlung nicht immer zum Ziel führt und nicht komplikationsfrei sein muss, ergibt sich ein weiter ärztlicher Ermessensspielraum. Neben der gesicherten Indikation zur Eradikation bei H.-pylori-positivem Ulkus und MALT-Lymphom kann auch bei H.-pylori-positiven Personen mit dyspeptischen Beschwerden oder positiver Familienanamnese für Magenkarzinome die Indikation zur Eradikationsbehandlung anhand der vorgestellten Daten diskutiert werden (9).
Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.