Fäkaler Mikrobiomtransfer zur Behandlung rezidivierender Infektionen mit Clostridium difficile
Therapie aktuell
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Das Mikrobiom des Darmes wird derzeit intensiv erforscht. Es ist in vielen Aspekten von Bedeutung für den Erhalt der Gesundheit. Zur Therapie von Krankheitszuständen wurde die Übertragung von Stuhl bereits vor Jahrhunderten in China und Arabien eingesetzt. Störungen des Mikrobiom, z. B. durch Antibiotika, begünstigen die Entwicklung einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoe, die – bei ausgeprägter Toxinbildung – lebensbedrohlich sein kann. Trotz adäquater Behandlung kann es zu rezidivierenden Erkrankungen kommen mit chronischen Schmerzen und Fatigue. Der fäkale Mikrobiomtransfer kann in dieser Erkrankungssituation neun von zehn Betroffenen heilen. Dies ist durch eine randomisierte Studie und in Metaanalysen gezeigt worden. Die Schritte zur rigorosen Spenderauswahl und der Durchführung, aber auch formal-juristische Implikationen werden aufgezeigt. Jeder Mikrobiomtransfer sollte in das „MikroTrans“-Register gemeldet werden. Ein Mikrobiomtransfer aus anderen Indikationen sollte derzeit nur innerhalb von Studien erfolgen.
The microbiome of the bowel is currently under intense investigation. It is important for the preservation of health. For the therapy of illnesses, microbiome transfer has already been used centuries ago in China and Arabia. Disturbances of the microbiome, e.g. by antibiotics, facilitate the development of a Clostridium difficile-related diarrhoea which can be life-threatening. In spite of adequate treatment recurrent infection with chronic pain and fatigue may occur. Fecal microbiome transfer can heal up to nine of ten affected persons with recurrent infection. This is shown by a randomised study and in metaanalyses. The steps for a strict donor selection and the process of microbiome transfer are presented together with formal implications. Every microbiome transfer should be documented in the “MikroTrans” register. A microbiome transfer for indications other than Clostridium difficile infection should currently occur only within studies.
Die Anzahl der Mikroorganismen innerhalb unseres Verdauungstraktes übersteigt bei Weitem die Zahl unserer Körperzellen. Dieses „Mikrobiom“ des Darmes ist in den letzten zehn Jahren weltweit in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt. Besonders bemerkenswert sind dabei die zahlreichen Interaktionen, die zwischen Mensch und Mikrobiom in manchen Aspekten so intensiv erscheinen, dass nicht immer eindeutig unterschieden werden kann, wer Wirt und wer Gast ist (1). Während diese Interaktionen erst in den letzten Jahren intensiv beforscht wurden, hat die therapeutische Anwendung von Stuhl eine jahrhundertealte Tradition. Im China des 16. Jahrhunderts sind verschiedene „Stuhl-Mixturen“ zur spezifischen Behandlung unterschiedlicher Magen-Darm-Erkrankungen beschrieben. Auch bei den Beduinen wurde Kameldung zur Behandlung akuter Durchfallerkrankungen eingesetzt. In der modernen, westlichen Medizin finden sich Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts erste Publikationen zum erfolgreichen Einsatz des Mikrobiomtransfers in der Behandlung der pseudomembranösen Colitis (2). In der klinischen Anwendung steht diese Indikation heute im Fokus.
Die meisten antibiotikaassoziierten Durchfälle sind osmotisch und auf die verminderte metabolische Aktivität der durch die Antibiotika reduzierten Darmflora zurückzuführen. Diese osmotischen Durchfälle sistieren nach Absetzen der Antibiotika. Circa jede fünfte antibiotikaassoziierte Diarrhoe wird jedoch durch eine Überwucherung der Flora mit Clostridium difficile verursacht, dessen Toxin die Durchfälle induziert. Ein spontanes Abklingen dieser Clostridium-difficile-assoziierten Durchfälle ist nur bei 20 % der Betroffenen zu erwarten (3). Die Zahl der klinisch relevanten Clostridium-difficile-Infektion nach Antibiotikatherapie hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. 2011 wurden in Deutschland allein im stationären Bereich fast 100.000 Clostridium-difficile-Infektionen dokumentiert (4). Auch die Zahl der schwerwiegenden und tödlichen Verläufe mit toxischem Megakolon und akutem Nierenversagen hat zugenommen, u. a. weil neue Clostridien-Stämme eine bis tausendfach gesteigerte Toxinproduktion aufweisen.
Clostridium difficile ist antibiotikasensibel. Bei milder Erstmanifestation ist eine Behandlung mit Metronidazol per os ausreichend (4 x 250 mg für 10 Tage). Bei schwereren Verläufen erfolgt die Behandlung mit Vancomycin p.o. (viermal 125–250 mg täglich für 10 Tage), gegebenenfalls ergänzt durch intravenöses Metronidazol (3). Rezidive sind mit bis zu 25 % häufig. Nach dem zweiten Rezidiv muss sogar in über 60 % mit Erkrankungsrückfällen gerechnet werden. Fidaxomycin wurde 2012 in die Behandlung von Clostridien-Infektionen eingeführt (zweimal 200 mg p.o. für 10 Tage). Der gemeinsame Bundesausschuss sieht bei dieser Substanz einen deutlichen Behandlungsvorteil gegenüber dem Vancomycin beim ersten Erkrankungsrezidiv, jedoch nicht in der Erstbehandlung oder nach weiteren Rezidiven (Metronidazol p.o. spielt bei der Behandlung von Clostridien-Rezidiven keine Rolle). Auch für diese Substanz liegt das Rezidivrisiko bei über 10 % (5).
Erwartungsgemäß steigt mit der Zahl der Clostridien-Infektionen auch die Zahl der Patienten, die von rezidivierenden Verläufen betroffen sind. Diese Patienten entwickeln zusätzlich zu den Durchfällen in der Regel weitere Symptome wie chronische Bauchschmerzen, Gewichtsverlust oder Fatigue (6).
Wie eingangs erwähnt, wurde Ende der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts erstmals über die erfolgreiche Behandlung rezidivierender Clostridien-Infektionen durch Transfer von Stuhl eines gesunden Spenders auf einen kranken Empfänger berichtet. Erst in den letzten 15 Jahren finden sich jedoch regelmäßig Publikationen zum Einsatz des fäkalen Mikrobiomtransfers zur Behandlung der Clostridien-Infektion. Cammarota et al. haben 2014 die bis dahin publizierten Fallberichte und Fallserien in einer Metaanalyse zusammengefasst (7): Bei 536 dokumentierten Patienten betrug die Heilungsrate durchschnittlich 86 %. Es gibt eine nichtsignifikante Tendenz für den Vorteil einer Mikrobiom-Applikation in das Zökum bzw. Colon ascendens mit einer durchschnittlichen Heilungsrate von 93 %. In die Metaanalyse inkludiert war auch die bislang einzige randomisierte Studie, von der in AVP 5/2013 schon berichtet wurde: Nach Einschluss von 42 Patienten wurde die Studie in einer Interimsanalyse aus ethischen Gründen abgebrochen, da sich ein erheblicher therapeutischer Vorteil des Mikrobiomtransfers (13 von 16 Patienten) gegenüber einer Vancomycin-basierten Standardtherapie (7 von 26 Patienten) zeigte (8). Weitere 2014 publizierte Fallserien bestätigen konstant die Erfolgsrate des fäkalen Mikrobiomtransfers in der Behandlung rezidivierender Clostridien-Infektionen (9). Typischerweise normalisiert sich der Stuhlgang nach Mikrobiomtransfer innerhalb weniger Tage. Bei einzelnen Patienten kann dies bis zu drei Wochen dauern und ein kleiner Teil der Behandelten bedarf eines zweiten oder dritten Transfers. Das beim Empfänger neue restituierte Mikrobiom ist stabil, der therapeutische Erfolg bezüglich der Durchfälle anhaltend. Auch die genannten Begleitsymptome einer chronisch rezidivierenden Clostridien-Infektion werden in erheblichem Maße gebessert (6).
Wann der beste Zeitpunkt für einen Mikrobiomtransfer bei der Behandlung von Clostridien ist, wurde bisher nicht analysiert. Allgemein akzeptiert wird eine Indikationsstellung im zweiten Erkrankungsrezidiv, sofern eine Vorbehandlung mit Vancomycin und/oder Fidaxomycin in adäquater Dosierung und Dauer erfolgte (10;11).
Bei der Durchführung eines fäkalen Mikrobiomtransfers sind eine Reihe von Voraussetzungen zu beachten (10-12):
Der Mikrobiomtransfer bei rezidivierender Clostridium-difficile-Infektion ist die bislang einzige, als gesichert geltende Indikation für dieses Verfahren. Weitere Indikationen wie Beeinflussung von Adipositas, Reizdarmsyndrom oder chronisch entzündliche Darmerkrankungen sollten nur in Studien geprüft werden. Zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sei erwähnt, dass offensichtlich nur ein kleiner Teil der Patienten, der bislang nicht definierbar ist, von einem Mikrobiomtransfer profitiert (14). Aufgrund der denkbaren, teilweise aber auch schon belegten langfristigen Auswirkungen eines veränderten Mikrobioms auf den Empfänger, kann von der unkontrollierten Ausdehnung der Indikation nur dringend abgeraten werden. Zukünftig werden möglicherweise Kapsel-Präparationen kryokonservierter Spenderstühle und standardisiert zusammengestellte Keimspektren zur Anwendung kommen. Die ersten Schritte in Richtung dieser „Arzneimittelproduktion“ (mit allen juristischen und Zulassungsimplikationen) sind in Phase-I-Studien getan (15).
Rezidivierende Infektionen mit Clostridium difficile sind auch in Deutschland ein zunehmendes Problem. Im zweiten Erkrankungsrezidiv erscheint heute ein fäkaler Mikrobiomtransfer mit einer Wirksamkeit von 81−93 % der Standardtherapie überlegen und sicher. Er ist in dieser Situation indiziert, sofern im ersten Rezidiv eine adäquate Behandlung mit Vancomycin oder Fidaxomycin durchgeführt wurde. Von dem unkontrollierten Einsatz der Methode in anderen Indikationen wird aufgrund der unklaren Langzeitauswirkungen abgeraten. Der fäkale Mikrobiomtransfer unterliegt dem Arzneimittelgesetz mit besonderer Verantwortlichkeit des durchführenden Arztes und ist anzeigepflichtig. Die Spenderselektion geht deutlich über den Ausschluss bakterieller, parasitärer und viraler Erkrankungen hinaus. Eine Dokumentation der Behandlungsfälle im „MikroTrans“-Register wird empfohlen.
Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.
Im Übrigen wird auf die auf der Homepage der AkdÄ publizierten Interessenkonflikte verwiesen.