Amygdalin: Ursache einer Panzytopenie und demyelinisierender Polyneuropathie?
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Berichtet wird über den Fall einer 51-jährigen Patientin mit einem Lymphom, die von einem Heilpraktiker Amygdalin intravenös erhielt und eine demyelinisierende Polyneuropathie und Panzytopenie entwickelte.
Case report of a 51 year old patient suffering from lymphoma who received Amygdalin intravenously from a nonmedical practitioner and developed demyelinating polyneuropathy and pancytopenia.
Der AkdÄ wird folgender Fall berichtet: Eine 51-jährige Patientin mit einem Marginalzell-Lymphom Stadium IV A mit begleitender Paraproteinämie vom Typ IgM-Lambda wird von Onkologen mit Rituximab und Bendamustin behandelt. Ohne Wissen der Ärzte wendet sie sich an einen Heilpraktiker. Dieser infundierte ihr für mindestens 5000 Euro Amygdalin (Laetrile®). Zusätzlich nahm sie Amygdalin oral in Form geschredderter Aprikosenkerne. Unter dieser Therapie kam es zu einer sensomotorischen Neuropathie und einer lang anhaltenden Panzytopenie. Nach der Beendigung der Therapie mit allen drei Substanzen besserten sich die Panzytopenie und die Polyneuropathie langsam. Die Neuropathie wird als axonal und demyelinisierend eingeschätzt.
Zum Amygdalin: Es handelt sich um ein cyanogenes Glykosid, auch als „Vitamin B17“ bezeichnet. Es handelt sich jedoch nicht um eine Substanz, die die Kriterien eines Vitamins erfüllt, insofern ist der Name falsch. In Gegenwart von Wasser und dem Enzym β-Glucosidase wird Blausäure abgespalten (Cyanwasserstoff; Salz: Cyanid). Bekanntlich greifen Cyanide in die Atmungskette ein. Die paramedizinische Vorstellung ist nun, dass die Atmungskette in der Krebszelle gegenüber diesem Cyanid empfindlicher sei als die der normalen Zelle. Dies ist eine unbelegte Spekulation. Wir hatten bereits einmal über eine Amygdalin-Intoxikation berichtet (1). Über die Unwirksamkeit und Schädlichkeit des Amygdalin informiert Lilienthal (2).
Neuropathien sind keine typische UAW von Rituximab und Bendamustin. Andererseits können Paraproteinämien und Autoimmunprozesse eine Neuropathie bewirken. Somit kann Amygdalin hier nur als mögliche oder vielleicht auch als wahrscheinliche Ursache angesehen werden. Dies ist jedoch nicht der eigentliche Grund, weshalb wir den Fall hier mitteilen.
Vielmehr erscheint es uns aus ärztlicher Sicht als skandalös,
Letztlich ist diese beschämende rechtliche Lage auf Gesetze aus dem Dritten Reich zurückzuführen, das sich bekanntlich die „Naturheilmedizin“ auf seine Fahnen geschrieben hatte (3). Als die in der ehemaligen DDR tätigen Kollegen 1990 diese in der Bundesrepublik vorliegende juristische Situation wahrnahmen, waren sie zu Recht entsetzt.
Eine 51-jährige Patientin mit einem Lymphom erhielt ohne Wissen der Ärzte von einem Heilpraktiker (!) Infusionen mit Amygdalin, einem cyanogenen Gykosid. Dieses nahm sie auch oral als geschredderte Aprikosenkerne zu sich. Sie entwickelte eine Polyneuropathie und Panzytopenie. Beide sind möglicherweise auf das Amygdalin zurückzuführen, doch erhielt die Patientin auch Rituximab und Bendamustin. Der eigentliche Grund, weshalb wir den Fall hier mitteilen, ist der, dass wir es für einen Skandal halten, dass ein Heilpraktiker ohne Wissen der behandelnden Ärzte Infusionen mit einem hochgiftigen Stoff durchführen darf und dass dieser Stoff im Internet reichlich angeboten wird.
Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.