Melden Sie Nebenwirkungen!

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2024

Rubrik: Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Jedes Arzneimittel hat einen beabsichtigten Effekt, kann aber auch Nebenwirkungen hervorrufen, die unerwünscht sind (UAW). Diese können bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auftreten, d. h. die richtige Dosis des Medikaments wurde in der richtigen Indikation angewandt. Aber auch wenn das Arzneimittel in einer nicht zugelassenen Indikation (Off-Label-Use) oder einer abweichenden Dosierung oder einem abweichenden Applikationsweg angewendet wird sowie bei Missbrauch und Medikationsfehlern, können UAW auftreten.

Alle diese Ereignisse sollten Sie als Arzt oder Ärztin der AkdÄ melden.

Warum Nebenwirkungen melden?

In den Zulassungsstudien für Arzneimittel können seltene oder sehr seltene Nebenwirkungen wegen der geringen Zahl an Patienten oft nicht erkannt werden. Die Anwendung findet unter genau definierten Bedingungen statt. In der täglichen Praxis ist dieser genau definierte Studienfall aber eher selten, Nebenerkrankungen, Komedikationen oder hohes Alter wurden für dieses Medikament wahrscheinlich gar nicht untersucht. Wird durch Ihre Meldung eine bisher noch nicht bekannte UAW aufgedeckt und kann diese sogar auf eine bestimmte Risikokonstellation zurückgeführt werden, tragen Sie wesentlich zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei. Arzneimittelsicherheit ist kein Selbstzweck, sie korreliert mit der Patientensicherheit. Durch Maßnahmen – wie die Vermeidung bestimmter Risikokonstellationen oder auch häufigere Kontrollen – können UAW minimiert werden (1, 2).

Unter einer Nebenwirkung versteht man eine schädliche und unbeabsichtigte Reaktion auf ein Arzneimittel. Jedes Arzneimittel kann Nebenwirkungen verursachen. Nebenwirkungen können bei regulärer Anwendung entsprechend der Produktinformation auftreten (= bestimmungsgemäßer Gebrauch). Als Nebenwirkung werden aber auch Reaktionen angesehen, die auf Überdosierung, Fehlgebrauch, Medikationsfehler oder Missbrauch zurückzuführen sind, oder die bei Anwendung außerhalb der zugelassenen Indikation im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit auftreten (Off-Label-Use). Die Begriffe „Nebenwirkung“ und „unerwünschte Arzneimittelwirkung“ werden synonym verwendet.

Welche Nebenwirkungen melden?

Melden Sie alle möglichen UAW, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Gabe eines Arzneimittels auftreten (Abbildung 1). Dabei ist es zunächst erst einmal egal, ob sie glauben, dass die mögliche UAW durch dieses Arzneimittel auch verursacht wurde. Ausführlich haben wir diese Frage dargestellt im Leitfaden der AkdÄ „Nebenwirkungen melden“: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/UAW/index.html.

Von besonderem Interesse für die Überwachung der Sicherheit von Arzneimitteln sind vor allem:

  • Nebenwirkungen, die nicht in der Fachinformation aufgeführt sind oder die in ihrer Schwere oder Häufigkeit die Angaben der Fachinformation übertreffen;
  • schwerwiegende Nebenwirkungen;
  • Nebenwirkungen von Arzneimitteln, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind.

Auf jeden Fall gemeldet werden sollten schwerwiegende Nebenwirkungen, die nicht in der Fachinformation aufgeführt sind.

Nach § 4 AMG sind schwerwiegende Nebenwirkungen solche, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen.

Was passiert mit Ihren Meldungen?

Die Meldungen werden durch die AkdÄ gesichtet und nach Aufarbeitung in die europäische Datenbank (Eudravigilance) weitergeleitet. Werden mehrere gleichlautende Nebenwirkungen gemeldet oder ein besonders schwerwiegender Fall einer Nebenwirkung, werden diese Meldungen darauf geprüft, wie wahrscheinlich es ist, dass dieses Arzneimittel diese Nebenwirkung auch verursacht hat. Konkurrierende Ursachen müssen dafür ausgeschlossen werden, es wird nach einem plausiblen Entstehungsmechanismus gesucht. Weitere Informationen werden eingeholt, Spezialisten des jeweiligen Krankheitsbildes hinzugezogen.

Besonders schwerwiegende Fälle werden im Ausschuss „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen“ der AkdÄ sowie im Ärzteausschuss für Arzneimittelsicherheit mit den zuständigen Bundesoberbehörden BfArM und PEI gemeinsam diskutiert und mögliche Konsequenzen besprochen. Neben einer besseren Aufklärung von Patientinnen und Patienten oder Fachkreise können dies auch einmal regulatorische Maßnahmen sein.

Wer meldet Nebenwirkungen?

Nach der ärztlichen Berufsordnung ist die Meldung von UAW eine Pflicht unseres Berufsstandes. Darüber hinaus sind Apotheker und Zahnärzte nach Ihren jeweiligen Berufsordnungen verpflichtet UAW anzuzeigen, aber auch Angehörige anderer Heilberufe sowie Patienten melden. Die Meldung von Impfkomplikationen ist im Infektionsschutzgesetz vorgeschrieben und erfolgt u. a. an das PEI. Die Meldung zu Blutprodukten ist im Transfusionsgesetz geregelt.

Wo melden Sie Nebenwirkungen?

Ärzte und Ärztinnen können schnell und komplikationslos online an die AkdÄ melden: https://www.akdae.de/arzneimittelsicherheit/uaw-meldung. Auch die Meldung per Brief oder Fax ist möglich. Das BfArM und PEI haben ein gemeinsames Online-Meldesystem: https://nebenwirkungen.bund.de.

Fazit

Nach der Zulassung eines Arzneimittels zeigt sich häufig erst in der Anwendung unter Alltagsbedingungen an vielen Patientinnen und Patienten, wie sicher und zuverlässig ein Arzneimittel wirklich ist. Die Meldung von Nebenwirkungen ist nicht nur eine ärztliche Pflicht nach der Berufsordnung, sondern trägt wesentlich zum Erkenntnisgewinn über neue Arzneimittel bei und hilft bei der Risiko-Nutzen-Abschätzung der neuen, aber auch älterer Arzneimittel. Jede gemeldete Nebenwirkung hilft, die Sicherheit von Arzneimitteln für Ihre Patientinnen und Patienten zu erhöhen und dadurch die Verträglichkeit und den Behandlungserfolg zu verbessern. Darum: Melden Sie bitte!

Literatur

  1. Köberle U, Dicheva-Radev S, Gundert-Remy U. Melden von Nebenwirkungen durch Ärztinnen und Ärzte. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2023; 14(3):20–9.
  2. Köberle U, Dicheva-Radev S, Vogt B, Pühler W, Thürmann P, Gundert-Remy U. Nebenwirkungen verhindern: Beitrag der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2024; 15(3):12–7.
  3. Zieschang M. Bei Risiken und Nebenwirkungen… Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2022; 49(1–2):3–4.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.