„Ozempic-Babys“? – was sagt die Datenlage

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 2/2024

Rubrik: Das aktuelle Thema

Die „Sensation“

Seit 2023 wird in der Presse vermehrt von den sogenannten „Ozempic-Babys“ berichtet: Frauen, die jahrelang nicht schwanger werden konnten, nutzen das Glucagon-like peptide-1 (GLP-1)-Analogon Semaglutid zur Gewichtsreduktion und werden (ungeplant) schwanger (1, 2). Waren es am Anfang einzelne Fälle, mehren sich mittlerweile die Berichte darüber, insbesondere in den sozialen Medien. So hat die Facebook-Gruppe „I got pregnant on Ozempic” bereits über 1300 Mitglieder (Stand: 30.08.2024).

Auch der AkdÄ wurde ein solcher Fall aus Deutschland als vermutete „Nebenwirkung“ von Wegovy® (Semaglutid) gemeldet. Bei einer 26-jährigen Patientin (BMI 36 kg/m2) bestand seit über fünf Jahren ein unerfüllter Kinderwunsch. Weder bei ihr noch bei ihrem Partner konnte eine Diagnose gestellt werden, die dies erklären würde. Sie verhüteten seit über drei Jahren nicht mehr. Nach etwa acht bis zehn Wochen Anwendung von Wegovy® wurde sie unerwartet schwanger.
Auch wenn letztlich unklar bleibt, welche Faktoren den unerwarteten Schwangerschaftseintritt in diesem individuellen Fall positiv beeinflusst haben, möchten wir anlässlich dieses Fallberichts über die aktuelle Datenlage zum Thema Semaglutid und Schwangerschaft informieren.

Der Zusammenhang

Adipositas führt zu einer chronischen Entzündung im Fettgewebe. Die Zellen werden immer größer und erreichen schließlich ihre Speichergrenze und lösen eine chronische Entzündungsreaktion aus, bei der die Serinphosphorylierung des Insulinrezeptor-Substrats-1 (IRS-1) zur Insulinresistenz und damit zur Hyperglykämie führt. Adipositas ist daher häufig mit Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) assoziiert, der durch eine Insulinresistenz mit konsekutiver Hyperinsulinämie gekennzeichnet ist. Im Verlauf von vielen Jahren führt dies schließlich zum Verlust der physiologischen Insulinproduktion (3).

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die Auswirkungen von Adipositas und T2DM über den Bereich der Stoffwechselstörungen hinausgehen und tiefgreifende Folgen für die reproduktive Gesundheit von Mann und Frau haben (4, 5). Übergewicht, Adipositas und T2DM spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese vom polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS), indem unter anderem die steigende Insulinresistenz die ovarielle Produktion von Androgenen stimuliert (6, 7). Störungen des Eisprungs kommen bei Frauen mit Adipositas häufiger vor, mit steigendem BMI steigt auch das Risiko für anovulatorische Unfruchtbarkeit (4). Es ist auch bekannt, dass sich Ovulationsrate und Zyklusregelmäßigkeit bei Frauen mit PCOS durch eine moderate Gewichtsabnahme mittels einer Änderung des Lebensstils mit und ohne begleitende Medikamente zur Gewichtsabnahme verbessern lassen. Eine Verbesserung der Amenorrhoe wird bei einigen Frauen mit Adipositas nach einer bariatrischen Operation beobachtet. Weiterhin haben Frauen mit Adipositas ein höheres Risiko für eine Fehlgeburt (4).

GLP-1 ist ein physiologisches Hormon, das mehrere Aufgaben bei der Glukose- und Appetitregulierung sowie im kardiovaskulären System hat. Die glukose- und appetitregulierenden Wirkungen werden über spezifische GLP-1-Rezeptoren vermittelt. GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) wie Semaglutid binden selektiv an den GLP-1-Rezeptor und aktivieren ihn (8). In klinischen Studien wurde gezeigt, dass die Energieaufnahme reduziert ist, das Sättigungsgefühl, das Völlegefühl und die Kontrolle über das Essverhalten erhöht und Hungergefühle sowie die Häufigkeit und Intensität von Heißhungerattacken verringert sind. Ein hoher Blutzuckerspiegel wird durch Stimulation der Insulinsekretion und Senkung der Glukagonsekretion reduziert. Während einer Hypoglykämie wird die Sekretion von Insulin vermindert, nicht aber die Glukagonsekretion. In den klinischen Studien führte die Behandlung mit GLP-1-RA zu klinisch relevanter und anhaltender Gewichtsabnahme im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit Adipositas oder Übergewicht (8).

Somit ist es erklärbar, dass die mit GLP-1-RA erzielte Gewichtsabnahme und Verbesserung der Stoffwechsellage zu einer Verbesserung der Fertilität beitragen können. Denkbar ist aber auch ein Versagen kombinierter hormonaler Kontrazeptiva aufgrund beeinträchtigter Wirksamkeit durch Erbrechen und Durchfall, die als sehr häufige Nebenwirkungen der GLP-1-RA bekannt sind (8–15).

Kontrazeptiva und gastrointestinale Beschwerden

Östrogene werden nach der Resorption im Magen-Darm-Trakt teilweise bereits in der Darmschleimhaut und in der Leber durch die dort vorhandenen Enzyme metabolisiert und dabei meist inaktiviert (First-Pass-Effekt). Die entstandenen Metabolite werden über die Galle oder die Niere eliminiert. Bei einer Ausscheidung über die Galle können die im Dickdarm vorhandenen Darmbakterien sie wieder aktivieren und die Neu-Aufnahme über die Darmschleimhaut ermöglichen (enterohepatischer Kreislauf, EHK). Dadurch gelangt bei jedem Schritt ein Teil der Östrogene wieder in den systemischen Kreislauf und kann seine kontrazeptive Wirksamkeit entfalten. Bei schweren gastrointestinalen Beschwerden wie Erbrechen und Durchfall bis etwa vier Stunden nach Einnahme eines kombinierten oralen Kontrazeptivums kann die Resorption des Östrogens direkt beeinträchtigt werden. Durchfälle können zudem die Darmflora schädigen und dadurch den EHK unterbrechen. Die Beeinträchtigung der Resorption reduziert die systemischen Wirkstoffspiegel und kann die kontrazeptive Sicherheit kompromittieren (Angaben der Fachinformation beachten!) (16–18).

Die Arzneimittel: GLP-1-RA und GIP-/GLP-1-RA in der Schwangerschaft

In Deutschland sind mehrere GLP-1-RA verfügbar: Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid und Semaglutid. Die Wirkstoffe sind Agonisten des humanem GLP-1 und binden am selben Rezeptor. Sie werden mittels rekombinanter DNA-Technologie gentechnisch hergestellt. Sie weisen die gleichen Wirkungen wie das physiologische Inkretin GLP-1 auf und werden daher auch als Inkretinmimetika bezeichnet. Sie verbessern die glykämische Kontrolle durch Senkung der Nüchtern- und postprandialen Glukosekonzentration bei Patienten mit T2DM über unterschiedliche Mechanismen: Erhöhung der Glukosesensitivität der β-Zellen, Steigerung der Insulinsensitivität und glukoseabhängige Steigerung der Insulinsekretion.

Tirzepatid ist ein lang wirkender Agonist an den Rezeptoren für glukoseabhängiges insulinotropes Polypeptid (GIP) und GLP-1. GIP-Rezeptoren sind wie GLP-1-Rezeptoren auf den endokrinen α- und β-Zellen der Bauchspeicheldrüse, sowie in Herz, Gefäßen, Immunzellen (Leukozyten), Darm und Niere vorhanden. Zusätzlich sind GIP-Rezeptoren auch auf Adipozyten zu finden. Tirzepatid wirkt wie die anderen GLP-1-RA und senkt zusätzlich das Körpergewicht und die Körperfettmasse über eine verringerte Nahrungsaufnahme durch die Regulierung des Appetits (10).

Alle GLP-1-RA und der GIP/GLP-1-RA Tirzepatid sind für eine Anwendung in der Schwangerschaft nicht zugelassen (Tabelle 1).

Aufgrund der hohen molekularen Masse der GLP-1-RA wird derzeit angenommen, dass sie während des ersten Trimesters nicht die Plazenta überschreiten. Tierexperimentelle Studien haben allerdings eine Reproduktionstoxizität gezeigt. U.a. wurde in präklinischen Studien unter der Behandlung eine Abnahme des neonatalen Wachstums von gesäugten Ratten festgestellt. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist derzeit nicht geklärt (8–15).

In den pivotalen Studien wurde auch die gemeinsame Gabe von oralen Kontrazeptiva und GLP-1-RA evaluiert (Tabelle 1). Den Fachinformationen ist zu entnehmen, dass die Verabreichung eines oralen Kombinationskontrazeptivums (Ethinylestradiol/Norgestimat oder Ethinylestradiol/Levonorgestrel) in Gegenwart eines GLP-1-RA bzw. Tirzepatid zwar zu einer Verringerung der maximalen Plasmakonzentration (cmax) des oralen Kontrazeptivums und der Fläche unter der Kurve (AUC) sowie zu einer Verzögerung der Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration (tmax) für Östrogen und Gestagen um etwa zwei bis vier Stunden führte. Diese Verringerung der Exposition wird allerdings nicht als klinisch relevant erachtet, sodass eine Dosisanpassung oraler Kontrazeptiva nicht erforderlich ist (8, 10–15).

Die Datenlage

Kongenitale Fehlbildungen stellen meist eine erhebliche Belastung insbesondere für die Betroffenen und deren Familien dar. In der Durchschnittbevölkerung besteht bei jeder Schwangerschaft ein Risiko von ca. 3 % für angeborene, große Fehlbildungen (siehe Kasten „Risiko für kongenitale Anomalien“).

Unter dem Begriff „große Fehlbildungen“ (major birth defects) werden singuläre und kombinierte strukturelle Störungen und Syndrome zusammengefasst, die die Lebensfähigkeit beeinträchtigen und in der Regel interventionsbedürftig sind. Die Ursachen von angeborenen Fehlbildungen und Anomalien sind zahlreich und umfassen unter anderem Chromosomenstörungen, Genmutationen und Virusinfektionen in der Schwangerschaft.  Allerdings bleibt die Ursache bei einem erheblichen Anteil unklar und es wird eine multifaktorielle Ätiologie angenommen. Exogene ätiologische Faktoren sind beispielsweise Arzneimittel mit teratogenen Eigenschaften, wie zum Beispiel Vitamin-A-Derivate (Retinoide) oder mütterliche Stoffwechselerkrankungen, beispielsweise Diabetes mellitus (19).

Unter anderem für die folgenden Substanzen ist eine teratogene Wirkung beim Menschen nachgewiesen: Androgene, Carbamazepin, Cumarinderivate, Cyclophosphamid, Methotrexat, Mycophenolat, Penicillamin, Phenobarbital/Primidon, Phenytoin, Retinoide (Acitretin, Isotretinoin, Tretinoin), Topiramat, Thalidomid, Valproinsäure, Vitamin A (in sehr hohen Dosen) und Zytostatika (allgemein). Zu den wichtigsten Arzneimittel mit fetotoxischem Potenzial gehören u. a. ACE-Hemmer, Aminoglykoside (systemisch), Amiodaron, AT1-Antagonisten, Azathioprin, Tetrazykline und Thyreostatika (21).

Die Prävalenz von Diabetes mellitus und Übergewicht bzw. Adiposität nimmt in den westlichen Ländern seit Jahren zu. Immer häufiger betroffen sind Frauen im gebärfähigen Alter. Daher stellt sich die Frage nach der Sicherheit von GLP-1-Analoga in dieser Patientengruppe beim Eintreten einer (ungeplanten) Schwangerschaft. 2024 wurden die Ergebnisse von zwei Kohortenstudien veröffentlicht, die die Sicherheit von GLP-1-RA in der Schwangerschaft untersucht haben (9, 20). Die Charakteristika der Studien sind in Tabelle 2 und 3 zusammengefasst.

European Network of Teratology Information Services (ENTIS): koordiniert seit 1990 die Aktivitäten und die Zusammenarbeit der verschiedenen Teratology Information Services (TIS), mit dem Ziel, zur Primärprävention von angeborenen Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen durch Informationen zur Arzneimittelsicherheit in der Schwangerschaft beizutragen. Die zwei TIS aus Deutschland sind: Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie (Universitätsklinikum Ulm) und Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie (Charité, Berlin).

Ergebnisse und Limitationen

Die Exposition gegenüber GLP-1-RA im ersten Trimester war in dieser Kohortenstudie mit prospektiver Datenerhebung (20) nicht mit einem erhöhten Risiko für große Fehlbildungen assoziiert im Vergleich zu T2DM (2,6 % vs. 2,3 %; bereinigte Odds Ratio (OR) 0,98; 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,16–5,82) oder Übergewicht/Adipositas (2,6 % vs. 3,9 %; bereinigte OR 0,54; 95 % CI 0,11–2,75). In der Population unter GLP-1-RA betrug die kumulative Inzidenz für Lebendgeburten, Spontanaborte / intrauterinen Tod und Schwangerschaftsabbrüche 59 %, 23 % bzw. 18 %. In der Diabetes-Referenzgruppe betrugen die entsprechenden Inzidenzen 69 %, 26 % und 6 %, während sie in der Gruppe Übergewicht/Adipositas bei 63 %, 29 % und 8 % lagen. Ursachenspezifische Risikomodelle (Cox-Regression) ergaben kein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsverluste in der GLP-1-RA-Gruppe gegenüber der Diabetes-Referenzgruppe und der Referenzgruppe mit Übergewicht/Adipositas.

Es ist zu berücksichtigen, dass diese Kohortenstudie nur eine kleine Anzahl von Frauen einschließen konnte, die sich selbst bei einer Beratungsstelle für Arzneimittelsicherheit (TIS, Teratology Information Service) gemeldet haben bzw. über ihre Ärztinnen und Ärzte gemeldet wurden. Damit handelt es sich möglicherweise um eine positive Selektion von Patientinnen und nicht um eine repräsentative Stichprobe aller Schwangeren, die im ersten Trimenon einem GLP-1-RA exponiert waren. Sozioökonomische Faktoren oder der Bildungsstatus der Patientinnen wurden nicht berichtet, sodass eine Verzerrung nicht ausgeschlossen werden kann. Auch wurden nicht die Schwere des Diabetes mellitus oder die Güte der Krankheitskontrolle (HbA1c-Werte) erhoben und berücksichtigt. Es ist bekannt, dass eine schlechte Blutzuckerkontrolle während der Schwangerschaft mit einem erhöhten Risiko für große Fehlbildungen/Anomalien beim Kind und anderen ungünstigen Schwangerschaftsoutcomes assoziiert ist (24–26). Das stellt eine Limitation dar. Zu beachten ist auch, dass GLP-1-RA nur als Wirkstoffklasse und nicht die substanzspezifische Teratogenität evaluiert wurden (20).

Ergebnisse und Limitationen

In dieser multinationalen bevölkerungsbasierten Kohortenstudie (9) wurden in der gesamten Studienkohorte (ca. 3,5 Mio Schwangerschaften) 3,76 % der Kinder mit einer großen Fehlbildung geboren. Im Vergleich dazu lag die Prävalenz unter den Säuglingen von Schwangeren mit einem vorbestehendem T2DM (51.862 Frauen) bei 5,28 %. In der Studienpopulation betrug die Prävalenz großer Fehlbildungen bei Kindern, bei denen perikonzeptionell keine mütterliche Therapie mit einem Antidiabetikum bestand, 4,77 %, sowie unter den jeweiligen Medikamenten: Metformin 5,32 %, Sulfonylharnstoffen 9,71 %, DPP-4-Hemmern 6,14 %, GLP-1-RA 8,23 % und SGLT-2-Inhibitoren 7,04 %. Unter Insulintherapie betrug sie 7,83 %.

Die Prävalenz kardialer Fehlbildungen war erhöht bei Kindern von Diabetikerinnen: 2,25 % gegenüber 1,31 % in der der gesamten Schwangerschaftskohorte. Die Prävalenz für Herzfehlbildungen war in der Studienkohorte am niedrigsten bei Kindern von Müttern ohne perikonzeptionelle Anwendung eines Antidiabetikums (2,30 %) oder nur mit Metformin (2,04 %) und damit niedriger als unter Insulin (4,20 %), Sulfonylharnstoffen (4,85 %), DPP-4-Hemmern (3,26 %), GLP-1-RA (3,22 %) und SGLT-2-Inhibitoren (3,88 %). Somit zeigte sich unter den restlichen Antidiabetika kein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Insulin.

In einer weiteren Analyse, adjustiert für Alter der Mutter, Geburtsjahr und Adipositas (sowie Land für die nordische Kohorte), wurden relative Risiken (aRR) berechnet, wobei eine perikonzeptionelle Exposition gegenüber Insulin als Referenz gewertet wurde. Das aRR für große kongenitale Fehlbildungen nach perikonzeptioneller Exposition gegenüber den jeweiligen Substanzgruppen lag bei Sulfonylharnstoffen bei 1,18 (95 % CI 0,94–1,48), bei DPP-4-Hemmern bei 0,83 (95 % CI 0,64–1,06), bei GLP-1-RA bei 0,95 (95 % CI 0,72–1,26) und bei SGLT-2-Inhibitoren bei 0,98 (95 % CI 0,65–1,46). Ebenso ergaben sich keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für kardiale Fehlbildungen nach entsprechender perikonzeptioneller Exposition gegenüber einem der untersuchten Antidiabetika im Vergleich zu Insulin. Auch unter der Einschränkung der Expositionsdefinition in der Sensitivitätsanalyse auf die Exposition im ersten Trimester zeigten sich keine erhöhten Risiken unter den untersuchten Antidiabetika im Vergleich zu Insulin: Sulfonylharnstoffe (relatives Risiko (RR) 1,02; 95 % CI 0,79–1,32), DPP-4-Hemmer (RR 0,82; 95 % CI 0,55–1,23), GLP-1-RA (RR 1,03; 95 % CI 0,73–1,47) oder SGLT-2-Hemmer (RR 1,20; 95 % CI 0,69–2,11).

Es ist zu berücksichtigen, dass diese Kohortenstudie nur Patientinnen mit T2DM eingeschlossen hat und nicht Frauen mit Übergewicht und Adipositas ohne Diabetes. Da es sich um eine populationsbasierte Kohortenstudie unter Einbeziehung verschiedener Registerdaten handelt, konnten Verzerrungen durch spezifische Charakteristika und Komorbiditäten der Patientinnen, die die Auswahl des Antidiabetikums steuern, nicht ausgeschlossen werden. So war der Anteil der Frauen mit Übergewicht/Adipositas und mit PCOS in den Gruppen mit Exposition gegenüber GLP-1-RA deutlich höher als bei der Gruppe mit den restlichen Antidiabetika, während ein deutlich höherer Anteil von Frauen mit diabetischen Komplikationen oder lipidsenkender Medikation in den Gruppen mit SGLT-2-Inhibitoren zu finden war. Auch konnten HbA1c-Werte nicht mitanalysiert werden, sodass eine Adjustierung bezüglich der Krankheitskontrolle unmöglich war und eine Verzerrung daher nicht auszuschließen ist. Für zwei Subkohorten (USA und Israel) waren die verfügbaren medianen perikonzeptionellen HbA1c-Werte unter Insulin, SGLT-2-Inhibitoren und DDP-4-Hemmer höher als unter Metformin. Auch dies könnte die Ergebnisse verzerren, da der Schweregrad des T2DM und der Hyperglykämie mit einem erhöhten Risiko für angeborene Fehlbildungen assoziiert ist (4).

Wichtig ist auch, dass die Basis für die Auswertungen Diagnose- und Verordnungsdaten waren. Die Autoren merken daher selbst an, dass eine eingelöste Verordnung für ein Antidiabetikum nicht die tatsächliche Einnahme durch die Schwangere verifiziert. Häufig wurden von denselben Frauen im selben Zeitraum Verordnungen für Insulin oder Metformin eingelöst, daher besteht durchaus die Möglichkeit, dass die untersuchten Antidiabetika gar nicht eingenommen oder angewendet wurden, also die Exposition fraglich sein könnte. Zudem wurden nur Lebendgeburten eingeschlossen, weil keine Informationen zur Häufigkeit von Spontanaborten, Totgeburten oder Schwangerschaftsabbrüchen vorlagen. Auch dies könnte zu einer Verzerrung und Unterschätzung des Risikos beigetragen haben. Zudem wurden keine weiteren relevanten neonatalen Risiken evaluiert.
Trotz der Einbeziehung von Daten aus sechs Ländern blieb die Anzahl der perikonzeptionell exponierten Schwangerschaften, die bestimmten Antidiabetika-Klassen ausgesetzt waren, jeweils gering, sodass die Schätzungen, wie die Autoren selbst anführen, ungenau sein können und die obere Grenze des 95 % Konfidentintervalls ein bis zu zweifach erhöhtes Risiko beinhaltet. Zu beachten ist auch, dass nur Klasseneffekte der GLP-1-RA insgesamt und nicht eine substanzspezifische Teratogenität evaluiert wurden.

Was wir jetzt wissen

Zwei aktuelle Kohorten-Studien haben kein erhöhtes Risiko für kongenitale große Fehlbildungen bei Kindern von Frauen ergeben, die in der frühen Schwangerschaft mit GLP-1-RA oder anderen Antidiabetika behandelt wurden. Solche Studien sind wichtig, da eine mögliche Teratogenität dieser Arzneimittel beim Menschen bisher nicht ausreichend evaluiert ist. Die vorliegenden Studien weisen allerdings Limitationen auf und sind daher keine Entwarnung für die Anwendung in der Schwangerschaft. Alle GLP-1-RA und der GIP-/GLP-1-RA Tirzepatid sind für eine Anwendung in der Schwangerschaft nicht zugelassen. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt. In präklinischen Studien wurde unter der Behandlung eine Abnahme des neonatalen Wachstums von gesäugten Ratten festgestellt.

Was wir noch nicht wissen

Auch wenn in beiden genannten Studien kein erhöhtes Risiko für angeborene Fehlbildungen gefunden wurde, so reichen diese ersten, beiden Studien aus verschiedenen Gründen nicht aus, um daraus eine „relative Sicherheit“ anzunehmen. Auch sind weitere Endpunkte zu berücksichtigen, wie z. B. erhöhte Risiken für metabolische Erkrankungen oder Wachstumsstörungen bei den Kindern. Derzeit kann ein potenzielles teratogenes Risiko von GLP-1-RA sowie des GIP-/GLP-1-RA Tirzepatid nicht abschließend bewertet werden. Weitere Studien, auch wirkstoffspezifisch, sind dringend erforderlich, da Antidiabetika und insbesondere GLP-1-RA immer häufiger zur Behandlung von Diabetes mellitus und auch vermehrt bei anderen Indikationen (wie z. B. Adipositas) eingesetzt werden. Es ist anzunehmen, dass zukünftig die Anzahl von Frauen mit ungeplanten oder geplanten Schwangerschaften, die mit dieser Wirkstoffgruppe behandelt wird, zunimmt.

Fazit für die Praxis

Metabolische Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes mellitus können unter anderem Zyklusstörungen bedingen und den Eisprung und die Nidation stören und somit die Fertilität beeinträchtigen. Eine Gewichtsabnahme hat positive Effekte auf die Reproduktionsfähigkeit und sollte bei Frauen mit Übergewicht/Adipositas und Kinderwunsch immer angestrebt werden. Wenn die Behandlung mit GLP-1-RA oder Tirzepatid erfolgt, sollte nach gegenwärtigem Wissensstand eine sichere Kontrazeption gewährleistet werden. Dies sollte auch bei Frauen erwogen werden, die vor der Anwendung eines GLP-1-Agonisten nicht (mehr) davon ausgegangen sind, auf natürlichem Weg schwanger werden zu können. Diese Arzneimittel sollten vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden (Angaben der Fachinformation zu Wartezeit beachten). Semaglutid und andere GLP-1-RA sowie Tirzepatid sind nicht für die Anwendung in der Schwangerschaft zugelassen. Zwei aktuelle Kohortenstudien haben kein erhöhtes Risiko für kongenitale Anomalien bei Frauen ergeben, die in der frühen Schwangerschaft GLP-1-RA angewendet haben. Diese Daten reichen aber nicht aus, um das teratogene Risiko von GLP-1-RA abschließend zu bewerten, und sollten nicht als Entwarnung eingestuft werden. Bei einer Exposition gegenüber GLP-1-RA im ersten Trimenon sollten Schwangere sich hinsichtlich einer Risikoeinschätzung beraten lassen; dies ist z. B. möglich am Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité, die einem Einverständnis auch den Schwangerschaftsverlauf und das -outcome dokumentiert. Dadurch helfen sie, die Datenlage zur Anwendung von GLP-1-RA in der Schwangerschaft zu verbessern.

Literatur

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Interessenkonflikte

Die Autorinnen und der Autor geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.