„To Plaque or not to Plaque“, das ist hier die Frage…
Rubrik: Editorial
Kaum eine Fragestellung der Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse löst so viel kontroverse Diskussion aus wie die prognostische Relevanz atherosklerotischer Gefäßwandveränderungen, vulgo Plaques, für das klinische Outcome der Patienten. Das gilt für die Coronarien bezüglich des Risikos für Myokardinfarkte genauso wie für die Carotiden bezüglich des Schlaganfallrisikos.
Intima und Media der Carotiden nehmen mit dem Lebensalter zu. Allerdings gibt es keine Normwerte. Als Plaque in der Carotis gilt jede umschriebene atherosklerotische Veränderung der Gefäßwand. Darüber hinaus: Keineswegs jede Plaque führt zu einer hämodynamisch wirksamen Einengung des Gefäßlumens. Daher ist zur funktionellen Feststellung einer Carotisstenose die Farbduplexsonographie (FKDS) mit Quantifizierung lokaler Strömungsbeschleunigungen erforderlich. Der diagnostische Weg ist also etwas unübersichtlich.
Nützlicher Nebeneffekt – zumindest aus Sicht der pharmazeutischen Industrie: Da die pathophysiologische Kausalkette (LDL-Erhöhung à Plaque à Ruptur à Schlaganfall) so plausibel erscheint, wird aus dem Nachweis von Plaques zwanglos die Notwendigkeit einer cholesterinregulierenden Arzneimitteltherapie abgeleitet. Zunächst mit Statinen, gerne augmentiert um Ezetimib. Wenn dann nicht die LDL-Zielwerte der European Society of Cardiology (ESC) erreicht werden, seien sie evidenzbasiert oder nicht, hat die Industrie auch schärfere Waffen im Angebot: Bempedoinsäure, Inclisiran und vielleicht auch PCSK9-Antikörper.
Aber was hat der Patient davon? Ab Seite 143 wird detailliert ein systematisches Review zu Statin-Interventionen bei Carotisplaques symptomfreier Patienten referiert. So viel vorweg: Die Zahlen sind ernüchternd. Plaques allein bedeuten kein ausreichendes Risiko, um eine medikamentöse Lipidsenkung zu rechtfertigen.
Dies unterstreicht die Bedeutung eines weiteren Beitrags in dieser Ausgabe von AVP für die evidenzgestützte ärztliche Therapieentscheidung. „Klinische Studie“ ist ein dehnbarer Oberbegriff in der medizinischen Forschung, der gerne auch für Projekte der Datensammlung verwendet wird, die schon von ihrer Methodik her aussagefrei bleiben werden. Nur durch den Goldstandard der klinischen Forschung, das ist die randomisierte kontrollierte Studie (randomised controlled trial, RCT) mit patientenrelevanten Endpunkten, kann belastbare Evidenz hergestellt werden. Aber wie erkennt man im Praxisalltag eine gute RCT? Mit einer neuen Artikelserie möchten wir Sie dabei unterstützen, indem wir Sie mit dem nötigen „Werkzeug“ ausstatten, um klinische Studien zu Arzneimitteln kritisch zu lesen und sich Ihre eigene, evidenzbasierte Meinung zu bilden. Den ersten Beitrag dazu finden Sie ab Seite 179.
Die Redaktion wünscht bereichernde und angenehme Lektüre,
Ihr Bernd Mühlbauer
Interessenkonflikte
Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.