Hepatitis bei einem Kind nach Therapie einer Bronchitis mit Amoxicillin/Clavulansäure

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 2/2023

Fallberichte

Weitere Autoren: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Wolfgang Rascher, Erlangen; Dr. med. dent. Salma Okko, Rheinbach

Der AkdÄ wurde der Fall eines zehnjährigen Mädchens gemeldet, das nach Einnahme von Amoxicillin/Clavulansäure an einer akuten Hepatitis erkrankte. Das bislang gesunde Kind hatte aufgrund einer Bronchitis über sieben Tage Amoxicillin/Clavulansäure 400/57 mg in einer Dosierung von 3 x 5 ml (entspricht 3 x 400/57 mg) erhalten. Etwa drei Wochen später traten cholestatische Symptome auf: Pruritus, Sklerenikterus, bierbrauner Urin, entfärbter Stuhl. Zur Abklärung erfolgte eine stationäre Aufnahme.

Das Labor zeigte eine deutliche Erhöhung der Cholestaseparameter (gamma-GT: 501 U/l, Gesamtbilirubin: 4,4 mg/dl, alkalische Phosphatase 540 U/l) und der Transaminasen (ALT: 611 U/l, AST: 247 U/l). Sonographisch stellte sich eine leichte Hepatomegalie und ein auf 12 mm erweiterter Ductus hepatocholedochus dar. Eine Virushepatitis konnte bei negativen Antikörpertitern ausgeschlossen werden. Es gab keinen Hinweis auf eine Autoimmunhepatitis (ANA-Screening und Leber-Nieren-Mikrosomen-Antikörper negativ), einen Morbus Wilson (Coeruloplasmin im Normbereich) oder einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel.

Während des Krankenhausaufenthaltes zeigte sich eine spontane Besserungstendenz der Cholestaseparameter und Transaminasen bei allerdings weiterhin deutlicher Erhöhung (beispielsweise ALT: 332 U/L). Etwa einen Monat nach Beginn der Symptomatik erfolgte eine Leberbiopsie. Diese zeigte eine gemischtzellige Infiltration der Portalfelder, die vereinbar mit einer autoimmunen oder medikamentös-toxischen Genese erschien. Eine daraufhin veranlasste Immununtersuchung der Schnitte sprach aufgrund der geringen Anzahl von Immunzellen gegen eine Autoimmunhepatitis.

Nach der Leberbiopsie wurde eine Therapie mit Prednisolon eingeleitet (100 mg i.v. über drei Tage, dann 50 mg per os über zwei Wochen, anschließend Reduktion auf 25 mg per os). Hierunter kam es zu einer allmählichen weiteren Besserung der Cholestaseparameter und Transaminasen.

Arzneimittel und Krankheitsbild

Hepatitis und cholestatischer Ikterus sind bekannte Nebenwirkungen von Amoxicillin/Clavulansäure, wurden aber bei Kindern bislang sehr selten beschrieben. Laut Fachinformation ist bei respiratorischen Erkrankungen die Anwendung von Amoxicillin/Clavulansäure beschränkt auf die akute bakterielle Sinusitis, die akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis und die ambulant erworbene Pneumonie (1). Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin rät bei einer akuten unkomplizierten Bronchitis bei Patienten ohne chronische Lungenerkrankung generell von einer Antibiotikatherapie ab, da diese nahezu immer viral bedingt ist (2). Bei einer leichten, ambulant erworbenen Pneumonie wäre ein Aminopenicillin (ohne Kombination mit einem ß-Laktamase-Inhibitor) Mittel der ersten Wahl.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte empfehlen bei akuter Bronchitis neben einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr nur die Gabe von Paracetamol oder Ibuprofen, da in den allermeisten Fällen keine antibiotische Therapie erforderlich ist (90 %). Für den Fall, dass anhaltendes Fieber > 39° C über mehr als drei Tage besteht oder ein erneuter Fieberanstieg nach Entfieberung über mehr als 24 Stunden auftritt, kann bei erhöhten Entzündungszeichen eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin 50 mg/kg pro Tag in zwei bis drei Einzelgaben indiziert sein (3).

Bewertung der Kausalität

Aufgrund der erfolgten Ausschlussdiagnostik und dem pathologischen Befund ist am ehesten von einer medikamentös-toxischen Hepatitis auszugehen. Das Kind erhielt außer Amoxicillin/Clavulansäure keine weitere medikamentöse Therapie. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Hepatitis und der Einnahme von Amoxicillin/Clavulansäure erscheint deshalb sehr wahrscheinlich.

In der EudraVigilance-Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen (4) finden sich zum 10.05.2023 633 Meldungen zu Hepatitis unter Amoxicillin/Clavulansäure. Die überwiegende Mehrheit dieser Fälle betrifft Erwachsene, zu pädiatrischen Patienten unter 18 Jahren wurden einige wenige Verdachtsfälle gemeldet. Grundsätzlich lassen diese Zahlen keine Aussage über die tatsächliche Inzidenz der jeweiligen Nebenwirkung zu. Zudem lässt sich ohne eine vertiefende Analyse ein kausaler Zusammenhang zwischen der Reaktion und dem Arzneimittel nicht herstellen.

Fazit für die Praxis

Unter Amoxicillin/Clavulansäure kann es zu einer arzneimittelinduzierten Hepatitis kommen. Bei ansonsten gesunden Patienten mit unkomplizierten respiratorischen Infekten ist keine Antibiotikatherapie erforderlich.

Literatur

  1. 1 A Pharma GmbH: Fachinformation „AmoxiClav 400/57 TS - 1 A Pharma®“. Stand: Februar 2022.
  2. Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin: Klug entscheiden: Eine akute unkomplizierte Bronchitis bei Patienten ohne chronische Lungenerkrankung soll nicht mit einem Antibiotikum behandelt werden: https://www.klug-entscheiden.com/empfehlungen/detailansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bnews%5D=175&cHash=c2c02f2882813ac01359a7058399b0aa. Letzter Zugriff: 31. Mai 2023.
  3. Simon A, Tennebaum T, Huppertz HI et al.: Diagnose und Therapie von Atemwegsinfektionen (ohne ambulant erworbene Pneumonie) bei ambulant behandelten Kindern ohne schwerwiegende Grunderkrankung. Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (DGKJ), der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) und des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Monatsschr Kinderheilkd 2017; 165: 711-724.
  4. Europäische Datenbank gemeldeter Verdachtsfälle von Arzneimittelnebenwirkungen: https://www.adrreports.eu/de/index.html. Letzter Zugriff: 10. Mai 2023.

Interessenkonflikte

Die Autorinnen und Autoren geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.