Was bringt die NVL Hypertonie Neues?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 2/2023

Das aktuelle Thema

NVL Hypertonie

Die Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) Hypertonie wurde veröffentlicht: www.leitlinien.de/themen/hypertonie/version-1.

Was sind wichtige Bestandteile der NVL Hypertonie?

Als Ziel der Blutdruckeinstellung wird ein Korridor definiert. Die Eckwerte liegen zwischen 120/70 und 160/90 mmHg, mit einem mittleren Wert < 140/90 mmHg. Je nach Lebenserwartung, Alter, kardiovaskulärem Risiko, Einfluss einer Polymedikation, Präferenz der Patientinnen und Patienten sollen in einer partizipativen Entscheidung mit den Patientinnen und Patienten gemeinsam die zu erreichenden Zielwerte festgelegt werden. So wird man zum Beispiel bei jüngeren Patientinnen und Patienten mit Diabetes und großer Proteinurie den Blutdruck sehr niedrig einstellen wollen, während man sich bei biologisch älteren Patientinnen und Patienten mit orthostatischen Symptomen und einer Polymedikation durchaus mit höheren Blutdruckzielen zufriedengeben wird.

Alle vier bis sechs Wochen sollen sich die Patientinnen und Patienten zur Anpassung der Therapie vorstellen und die Medikation, falls die angestrebten Blutdruckziele nicht erreicht sind, angepasst werden. Bei anfänglich hohen Blutdruckwerten wird auch zu Beginn eine Kombinationstherapie favorisiert, was durchaus nicht unumstritten ist. Man möchte dadurch den Blutdruck schneller einstellen und eine bessere Therapieadhärenz der Patientinnen und Patienten erreichen. Infolgedessen hofft man auch, klinisch relevante Endpunkte zu verbessern, was allerdings unserer Ansicht nach noch nicht schlüssig nachgewiesen ist (vgl. AVP 1/2022 und AVP 4/2022). Außerdem kann es durch Fixkombinationen schwieriger werden, bei Unverträglichkeiten die Therapie umzustellen.

Die ausgewählten Substanzen zur Erstlinientherapie und zur Ergänzungstherapie unterscheiden sich nicht von den bisher gängigen Substanzen: ACE-Hemmer/AT1-Blocker, Kalziumantagonisten und Thiazide für die Erstlinientherapie, Betablocker, Spironolacton oder Alphablocker zusätzlich, sollten die ersten drei genannten Substanzklassen zur Blutdruckeinstellung nicht ausreichen.

Eine hypertensive Entgleisung wird als Blutdruck > 180/110 mmHg ohne akute Symptome definiert. Hier soll überlegt werden, ob der Blutdruck nicht schon länger durchgehend zu hoch ist und deswegen langsam stetig gesenkt werden muss oder ob im Ausnahmefall wirklich eine Akuttherapie nötig ist und differenzialdiagnostisch an Panikattacken, Schmerzen oder Medikamente als Auslöser gedacht werden muss. Treten zusätzlich Symptome des ZNS, des Herzens, ein Lungenödem oder ein akutes Nierenversagen auf, wird ein hypertensiver Notfall abgegrenzt. Dann werden eine rasche Blutdrucksenkung und eine stationäre Aufnahme notwendig.

Neue gesenkte Zielwerte für die Einstellung der Schwangerschaftshypertonie werden aufgenommen, da nachgewiesen wurde, dass dadurch die Rate an Präeklampsien gesenkt werden konnte, ohne das Kind durch die niedrigeren Blutdruckwerte zu gefährden.

Die renale Denervation wird weiterhin lediglich als zu diskutierende Möglichkeit in vereinzelten Sonderfällen gesehen.

Für Telemonitoring wird noch keine ausreichende Evidenz gesehen, um sie in die NVL als Empfehlung aufzunehmen.

Fazit für die Praxis

In der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie wird der gegenwärtige evidenzbasierte Stand von Diagnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie sehr gut dargestellt. Es ist eine gute Hilfe für die Behandelnden aber auch für Patientinnen und Patienten. Die neuen Patientenratgeber ergänzen diese Versorgungsleitlinie leicht und allgemeinverständlich.

Literatur

  1. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie – Konsultationsfassung, Version 1.0: https://www.leitlinien.de/themen/hypertonie/konsultation/konsultationsfassung.pdf (letzter Zugriff: 22. Juni 2023). AWMF-Register-Nr.: nvl-009; 2022.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.