Gibt es das wirksamste Antihypertensivum für die einzelne Patientin oder den einzelnen Patienten?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 2/2023

Das aktuelle Thema

Antihypertensive Therapie

Normalerweise werden die Erstlinientherapeutika der antihypertensiven Therapie als gleichwertig bezüglich ihrer Wirksamkeit angesehen, wenn die Patientin oder der Patient keine Nebenerkrankung hat. Aber ist das wirklich so?

Sundström et al. (1) gingen dieser Frage mit einer Untersuchung an 280 Patientinnen und Patienten im doppelblinden, randomisierten, mehrfachen Cross-over-Design nach. Die Eingeschlossenen hatten ein Durchschnittsalter von 64 Jahren, waren zu 54 % männlich und hatten eine Grad-1-Hypertonie sowie ein niedriges kardiovaskuläres Risiko. Alle Patientinnen und Patienten waren bezüglich ihrer Hypertonie entweder bisher unbehandelt oder mit höchstens einem Antihypertensivum zur Einstellung.

Jede Patientin und jeder Patient hatten nach einer zweiwöchigen Phase mit Placebo jeweils sechs Behandlungsperioden mit einer Titrationsperiode von ein bis zwei Wochen mit halber Dosis für insgesamt sieben bis neun Wochen. Vier verschiedene Blutdrucksenker wurden gemäß einer zufälligen Verteilung nacheinander gegeben: ein ACE-Hemmer (20 mg Lisinopril), ein AT1-Blocker (16 mg Candesartan), ein Kalziumkanalblocker (10 mg Amlodipin) und ein Thiazid (25 mg Hydrochlorothiazid, HCT). Zudem wurden pro Patientin bzw. Patient zwei dieser Behandlungen nach dem Zufallsprinzip wiederholt. Daraus resultierten 1468 Behandlungen mit einer medianen Dauer von 56 Tagen. Zwischen den einzelnen Zyklen fand jeweils eine einwöchige Wash-out-Phase mit Placebo statt.

Die Kontrollen erfolgten am Ende jeder Behandlungsperiode durch 24-Stunden-Langzeitblutdruckmessung. Primärer Endpunkt war der systolische Blutdruck tagsüber (10–20 Uhr).

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigten eine große Variabilität bezüglich der Höhe des Blutdrucks zwischen den einzelnen Patienten mit gleicher Behandlung aber auch bei einzelnen Patienten zwischen den unterschiedlichen Behandlungen sowie zwischen den zwei Behandlungen mit dem gleichen Blutdrucksenker.

Bei denselben Patienten ergaben sich keine wesentlichen Effektunterschiede zwischen dem ACE-Hemmer Lisinopril und dem AT1-Blocker Candesartan sowie zwischen dem Thiazid HCT und dem Kalziumantagonisten Amlodipin: Hier war eine „personalisierte“ Auswahl der Behandlung am unwichtigsten. Bei den übrigen Vergleichen war die Blutdruckdifferenz beim einzelnen Patienten mit verschiedenen Antihypertensiva im Durchschnitt 4,4 mmHg und damit erheblich. Die größten Effektunterschiede zeigten sich zwischen Candesartan versus Amlodipin und Lisinopril versus Amlodipin. Bei der wiederholten Gabe des Antihypertensivums wurden die Ergebnisse der ersten Gabe bei denselben Patienten bestätigt.

Dass es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Lisinopril und Candesartan in der Blutdrucksenkung gab, ist durch den ähnlich Wirkmechanismus erklärbar – dass zwischen HCT und Amlodipin keine Unterschiede zu finden waren, eher nicht.

Durch die „personalisierte“ Behandlung war eine höhere mittlere Blutdrucksenkung zu erzielen als unter einer Dosiserhöhung oder durch die Zugabe eines zweiten Antihypertensivums (im Vergleich zu einer Metaanalyse (2)).

Was für Schlüsse kann man jetzt aus dieser Studie ziehen? Antihypertensiva der Erstlinientherapie sind keineswegs für jede einzelne Patientin und jeden einzelnen Patienten vergleichbar wirkungsstark. Es könnte also Sinn machen, Arzneimittel der Erstlinientherapie gegeneinander auszutauschen, um die beste Wirkung zu erzielen. Unklar ist aber, wie man das in die tägliche Praxis übertragen soll. Wie findet man heraus, welche Patientin und welcher Patient auf diese oder jene Medikamentenklasse am besten anspricht, ohne es einfach auszuprobieren? Gibt es irgendwelche Patientencharakteristika, die helfen können, das wirksamste Arzneimittel für den Einzelnen herauszusuchen? Jedes einzelne Medikament mit Wash-out-Periode auszuprobieren, dürfte in der Praxis kaum möglich sein.

Zudem darf nicht vergessen werden, dass die hier eingeschlossene Population eine sehr homogene und eng selektierte war: ein Land, ein medizinisches Zentrum, nur mäßig erhöhter Blutdruck (154/89 mmHg bei Randomisierung im Mittel), wenige Komorbiditäten.

Fazit

Nicht jede Medikamentenklasse der Erstlinientherapie des Bluthochdrucks ist bei der einzelnen Patientin und dem einzelnen Patienten vergleichbar gut wirksam. Ob es gelingt, diese Erkenntnis in die tägliche Praxis zu übernehmen, dürfte davon abhängen, ob man Untergruppen von Patientinnen und Patienten definieren kann, die dieses bessere oder schlechtere Ansprechen vorhersagen lassen.

Literatur

  1. Sundström J, Lind L, Nowrouzi S et al.: Heterogeneity in Blood Pressure Response to 4 Antihypertensive Drugs: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2023; 329: 1160-1169.
  2. Wald DS, Law M, Morris JK et al.: Combination therapy versus monotherapy in reducing blood pressure: meta-analysis on 11,000 participants from 42 trials. Am J Med 2009; 122: 290-300.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.