COVID-19-Rebound unter Paxlovid™: aktuelle Entwicklungen

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2023

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Weiterer Autor: Dr. med. Michael Zieschang, Darmstadt

Wir haben im AVP-Heft 4 im Dezember 2022 über ein mögliches COVID-19-Rebound nach der Einnahme von Paxlovid™ berichtet (Rebound-Phänomen nach Einnahme von Paxlovid™). Zu diesem Zeitpunkt gab es in der europäischen Produktinformation von Paxlovid™ (im Gegensatz zur US-amerikanischen) keine Angaben über einen möglichen Rebound der viralen RNA.

Im Januar 2023 befasste sich das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der EMA mit dem Thema und empfahl eine Anpassung der europäischen Produktinformation (1) (siehe Kasten).

Auszug aus der Fachinformation zu Paxlovid™ (2)

5.1 Pharmakodynamische Eigenschaften

Wiederanstieg der Viruslast und behandlungsbedingte Mutationen

In einer Untergruppe von mit Paxlovid und Placebo behandelten Teilnehmern der Studie EPIC-HR wurde an Tag 10 und/oder Tag 14 ein Wiederanstieg viraler RNA im Nasensekret nach der Behandlung unabhängig von COVID-19-Symptomen beobachtet.

Ein Wiederanstieg der Viruslast trat in der Studie EPIC-HR sowohl bei mit Paxlovid behandelten Teilnehmern als auch bei unbehandelten (Placebo-) Teilnehmern auf, jedoch war die Inzidenz im Paxlovid-Arm höher (6,96 % gegenüber 4,08 %). Bislang werden der Wiederanstieg der Viruslast und das Wiederauftreten von COVID-19-Symptomen nicht mit einer schwereren Erkrankung oder dem Auftreten einer Resistenz in Verbindung gebracht.

Aktuell wurde eine retrospektive Kohortenstudie aus Hong Kong veröffentlicht, die das Rebound-Phänomen nach Paxlovid™ untersucht hat (3). Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten mit bestätigter COVID-19-Diagnose in Hong Kong, China, die zwischen 26. Februar und 3. Juli 2022 (während der Omicron-BA.2.2-Varientenwelle) hospitalisiert waren und keine Sauerstoffbehandlung benötigten. Die Patienten erhielten Molnupiravir (800 mg 2 x tgl. für 5 Tage), Nirmatrelvir/Ritonavir (Nirmatrelvir 300 mg/ Ritonavir 100 mg 2 x tgl. für 5 Tage) oder keine antivirale Therapie (Kontrollgruppe). Ein Wiederanstieg der Viruslast war definiert als eine Verringerung des Cycle-threshold(Ct)-Wert bei einem quantitativen RT-PCR-Test (≥ 3) zwischen zwei aufeinanderfolgenden Messungen, wobei diese Verringerung bei einer unmittelbar darauf folgenden Ct-Messung (bei Patienten mit ≥3 Ct-Messungen) aufrechterhalten worden sein sollte.

Anhand von logistischen Regressionsmodellen wurden prognostische Faktoren für einen Rebound identifiziert und der Zusammenhang zwischen dem Rebound und einem zusammengesetzten klinischen Endpunkt aus Tod, Aufnahme auf der Intensivstation oder Beginn einer invasiven mechanischen Beatmung bewertet.

Eingeschlossen wurden 4592 Patienten: 1998 Frauen und 2594 Männer. Zu einem Rebound der Viruslast kam es bei 16 von 242 Patienten (6,6 %; 95 % Konfidenzintervall [CI] 4,1–10,5), die Nirmatrelvir/Ritonavir erhielten, bei 27 von 563 (4,8 %; 95 % CI 3,3–6,9]), die Molnupiravir erhielten, und bei 170 von 3787 (4,5 %; 95 % CI 3,9–5,2) in der Kontrollgruppe. Der Unterschied zwischen den drei Gruppen war nicht statistisch signifikant. Unabhängig von der antiviralen Behandlung war allerdings eine Immunsuppression mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Rebounds verbunden (Nirmatrelvir/Ritonavir: Odds Ratio [OR] 7,37; 95 % CI 2,56–21,26; p = 0,0002; Molnupiravir: 3,05; 95 % CI 1,28–7,25; p = 0,012; Kontrolle: 2,21; 95 % CI 1,50–3,27; p < 0,0001). Bei den Patienten, die Nirmatrelvir/Ritonavir erhielten, war die Wahrscheinlichkeit eines Rebounds höher bei Patienten im Alter von 18–65 Jahren (im Vergleich zu > 65 Jahren; OR: 3,09; 95 % CI 1,00–9,53; p = 0,050), bei Patienten mit hoher Komorbidität (Score > 6 auf dem Charlson Comorbidity Index; OR: 6,02; 95 % CI 2,09–17,38; p = 0,0009) und bei Patienten, die gleichzeitig Kortikosteroide einnahmen (OR: 7,51; 95 % CI 1,67–33,82; p = 0,0086). In dieser Gruppe war die Wahrscheinlichkeit eines Rebounds bei Patienten, die nicht vollständig geimpft waren, geringer (OR: 0,16; 95 % CI 0,04–0,67; p = 0,012). Bei Patienten, die Molnupiravir erhielten, war die Wahrscheinlichkeit eines Rebounds bei Patienten im Alter von 18–65 Jahren (OR: 2,68; 95 % CI 1,09–6,58; p = 0,032) oder bei gleichzeitiger Einnahme von Kortikosteroiden (OR: 3,11; 95 % CI 1,23–7,82; p = 0,016) erhöht. Das Auftreten eines Rebounds war nicht mit dem zusammengesetzten Endpunkt (Tod, Aufnahme auf die Intensivstation oder Beginn einer invasiven mechanischen Beatmung) ab Tag 5 der Nachbeobachtung assoziiert.

Bewertung und Fazit

Neben den zahlreichen Fallberichten zu COVID-19-Rebounds nach Paxlovid™ stammen die Daten dazu ­– abgesehen von der Zulassungsstudie EPIC-HR – vor allem aus retrospektiven Kohortenstudien. Die meisten davon kommen zudem aus der Zeit, als die Omicron-BA.2.2-Variante dominierte. Auch fehlt immer noch eine Standarddefinition des COVID-19-Rebounds und muss noch festgelegt werden. Daher ist die Häufigkeit des COVID-19-Rebounds mit und ohne orale Virustatika auch nach der Studie aus Hong Kong völlig unklar. Unklar ist auch, ob es an der virustatischen Behandlung liegt oder es sich um einen natürlichen Verlauf der COVID-19-Infektion handelt und ob vollständig immunisierte (bzw. zweifach geboosterte) Personen seltener davon betroffen sind als nicht bzw. nicht vollständig immunisierte.

Diese aktuelle Kohortenstudie deutet darauf hin, dass ein COVID-19-Rebound mit oder ohne orale antivirale Behandlung auftreten kann und nicht besonders häufig ist. In bestimmten Patientensubgruppen wurde eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Rebounds gefunden. Ein Rebound der Viruslast schien nicht mit schwerwiegenden klinischen Folgen assoziiert zu sein. Die Studie hat aber auch zahlreiche Limitationen. Es handelt sich um eine retrospektive Routinedatenauswertung anhand dokumentierter Ct-Werte ohne Kenntnis der genauen Omicron-Subvariante, die die Infektion verursacht hat, und ohne weitere Informationen zur Quantifizierung der Viruslast. Das Fehlen von SARS-CoV-2-Sequenzierungsdaten lässt daher nicht den Ausschluss behandlungsresistenter Mutationen zu sowie auch nicht die Differenzierung zwischen einem Rückfall oder einer Reinfektion. Auch beschreiben die Autoren selbst mögliche Selektionsverzerrungen der Daten: Es handelte sich um eine sehr kleine Stichprobe und es wurden ausschließlich hospitalisierte Patienten eingeschlossen: Ihre genauen Risikofaktoren werden nicht thematisiert. Weiterhin ist es unklar, ob die eingeschlossenen Patienten ausschließlich aufgrund einer COVID-19-Infektion hospitalisiert worden waren. Daher ist die externe Validität der Studienergebnisse als sehr eingeschränkt anzusehen.

Es kann nur geschlussfolgert werden, dass weitere Studien erforderlich sind, um das Risiko eines Rebounds nach Paxlovid™-Einnahme, insbesondere in Abhängigkeit von einzelnen Komorbiditäten und klinischen Bedingungen, genau abzuschätzen. Auch die möglichen Mechanismen des Rebounds und die Auswirkungen der antiviralen Therapie (Dosierung, Dauer und Zeitpunkt) auf den Rebound sind weiterhin zu untersuchen.

Verdachtsfälle von Nebenwirkungen unter Paxlovid™ sollten der AkdÄ mitgeteilt werden.

Literatur

  1. European Medicines Agency (EMA): European Public Assessment Report: Paxlovid – Procedural steps taken and scientific information after the authorisation: https://www.ema.europa.eu/documents/procedural-steps-after/paxlovid-epar-procedural-steps-taken-scientific-information-after-authorisation_en.pdf (letzter Zugriff: 22. März 2023). Stand: 7. März 2023.
  2. European Medicines Agency (EMA): European Public Assessment Report: Paxlovid – Anhang 1: Zusammenfassung der Mekmale des Arzneimittels: https://www.ema.europa.eu/documents/product-information/paxlovid-epar-product-information_de.pdf (letzter Zugriff: 22. März 2023). Stand: 7. März 2023.
  3. Wong CKH, Lau KTK, Au ICH et al.: Viral burden rebound in hospitalised patients with COVID-19 receiving oral antivirals in Hong Kong: a population-wide retrospective cohort study. Lancet Infect Dis 2023: S1473-3099(22)00873-8.

Interessenkonflikte

Die Autoren geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.