Chronisches Handekzem: aktuelle Empfehlungen zur Behandlung erwachsener Patienten

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2022

Therapie aktuell

Chronisches Handekzem

Das Handekzem ist eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die gekennzeichnet ist unter anderem. durch Erythem, Xerosis, Rhagaden und Hyperkeratose (1;2). Handekzeme werden nach Verlauf (akut, subakut, chronisch), Ätiopathogenese (allergisch, irritativ) und Morphologie (z. B. hyperkeratotisch, rhagadiform, dyshidrotisch) eingeteilt.

Als chronisch wird ein Handekzem bezeichnet, das länger als drei Monate andauert oder innerhalb eines Jahres mindestens zweimal auftritt (1). Patienten mit einer atopischen Hautdiathese oder manifester atopischer Dermatitis (Neurodermitis) haben ein erhöhtes Risiko zur Ausbildung eines chronischen Handekzems (1). Das chronische Handekzem hat häufig eine berufsbedingte Ätiologie (3). Die korrekte Identifizierung und nachfolgend die konsequente Meidung der auslösenden Noxen (die wichtigsten: Feuchtarbeit, Hautirritanzien, Kontaktallergene) ist daher essenziell.

Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerem bis schwerem chronischen Handekzem

Zur Therapie wird neben allgemeinen Maßnahmen eine Stufentherapie empfohlen, die je nach Schwere der Erkrankung topische und systemische Arzneimittel sowie Phototherapie beinhaltet (2). Die Datenlage zur Behandlung des Handekzems ist unzureichend, wie unter anderem ein Cochrane-Review gezeigt hat (4). Deswegen basiert die empfohlene Stufentherapie auf der wahrscheinlichen Wirksamkeit und nicht auf der Stärke der Evidenz (2).

In jedem Stadium der Erkrankung wird eine topische Basispflege empfohlen (1;2). Mittel der Wahl in der Erstlinientherapie sind topische Glukokortikoide (1;2). Sie sind in der kurzfristigen Anwendung für gewöhnlich sehr wirksam. Da sie bei längerfristiger Anwendung eine Hautatrophie verursachen können, sollten sie möglichst nicht länger als sechs Wochen angewendet werden und dann nur unter sorgfältiger ärztlicher Überwachung. Wenn eine längerfristige Therapie notwendig ist, kann die topische Anwendung der Calcineurininhibitoren Tacrolimus und Pimecrolimus erwogen werden (1;2). Ihre Anwendung erfolgt außerhalb der Zulassung, außer bei Patienten mit einem chronischen Handekzem bei atopischem Ekzem (5;6).

Topische Arzneimittel mit Tacrolimus (Protopic®, Tacrolimus® Dermapharm, Takrozem®) und mit Pimecrolimus (Elidel®) sind zugelassen zur Behandlung des mittelschweren bis schweren atopischen Ekzems bei Erwachsenen, die auf herkömmliche Therapien wie z. B. topische Kortikosteroide nicht ausreichend ansprechen oder diese nicht vertragen; sowie zur Vorbeugung von Ekzemschüben und zur Verlängerung der schubfreien Intervalle bei Patienten mit häufigen Exazerbationen.

Das atopische Ekzem wird auch als Neurodermitis, atopische Dermatitis und endogenes Ekzem bezeichnet.

Wenn die Erstlinientherapie nicht ausreicht, werden in der nächsten Stufe topisch hochpotente Glukokortikosteroide empfohlen, auch in Kombination mit einer Phototherapie (1;2). Bei der Phototherapie wird laut Cochrane-Review die UV-Wirkung durch topisches Psoralen, einer lichtsensibilisierenden Substanz verstärkt (PUVA), und könnte einer Therapie mit UVB überlegen sein könnte (4). Eine langfristige Anwendung der Phototherapie kann allerdings das Risiko für Hautkrebs erhöhen.

Zur Behandlung schwer erkrankter Patienten werden in der dritten Therapiestufe neben der topischen Therapie auch systemische antiinflammatorische Arzneimittel empfohlen (1;2), darunter insbesondere eine kurzfristige Therapie mit Glukokortikoiden (z. B. Prednisolon 0,5–1 mg/kg/d), die möglichst drei Wochen nicht überschreiten sollte. Aufgrund der bekannten Nebenwirkungen von systemischen Glukokortikoiden ist eine Dauertherapie nicht angezeigt.

Alitretinoin (Alitrederm®, Toctino®) ist zur systemischen Behandlung von schwerem chronischen Handekzem zugelassen, wenn die Behandlung mit potenten topischen Kortikosteroiden nicht anspricht (7;8). Das Cochrane-Review zeigte eine Überlegenheit von Alitretinoin im Vergleich zu Placebo (4). Zu beachten ist unter anderem die Teratogenität von Alitretinoin, sodass bei Frauen im gebährfähigen Alter eine strikte Schwangerschaftsverhütung notwendig ist.

Wenige Daten liegen zu Acitretin (Acicutan®) vor, das ebenfalls zur Klasse der Retinoide (Derivate der Vitamin-A-Säure) gehört, und für das ebenfalls ein strenges Programm zur Schwangerschaftsverhütung zwingend zu beachten ist (1;2;9). Es kann als Therapieoption bei Patienten mit hyperkeratotischem Handekzem der Handfläche erwogen werden, die auf eine Erst- und Zweitlinientherapie nicht ausreichend angesprochen haben oder bei denen diese Therapie kontraindiziert ist (1). Ein Einsatz von Acitretin bei Handekzem ist im Rahmen eines Off-Label-Use möglich.

Acitretin (Acicutan®) ist zugelassen bei großflächigen und schweren therapierefraktären Formen der Psoriasis; Psoriasis pustulosa an Händen und Füßen; schwerer Ichthyosis congenita und ichthyosiformer Dermatitis; Lichen ruber planus der Haut und der Schleimhäute sowie bei anderen schweren und refraktären Formen von Dermatitis, gekennzeichnet durch Dyskeratose und/oder Hyperkeratose.

Retinoide und Schwangerschaftsverhütungsprogramm

Acitretin und Alitretinoin sind Retinoide, die bei oraler Anwendung in der Schwangerschaft schwere Geburtsdefekte verursachen können. Diese Arzneimittel sind daher bei Frauen im gebärfähigen Alter kontraindiziert, es sei denn, dass alle Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms eingehalten werden: konsequente Einhaltung einer sicheren Kontrazeption, Durchführung monatlicher Kontrolluntersuchungen einschließlich Schwangerschaftstests, Verschreibungs- und Abgabebeschränkungen.

Der verschreibende Arzt muss sicherstellen, dass:

  • die Patientin die Voraussetzungen für das Schwangerschaftsverhütungsprogramm erfüllt, einschließlich eines Nachweises, dass sie über ein angemessenes Verständnis verfügt.
  • die Patientin bestätigt, dass sie die vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt.
  • die Patientin versteht, dass sie mindestens einen Monat vor Beginn der Behandlung durchgängig und korrekt eine sehr zuverlässige Methode zur Empfängnisverhütung (d. h. eine nutzerunabhängige Methode) oder zwei sich ergänzende nutzerabhängige Methoden zur Empfängnisverhütung anwenden muss und dass sie die zuverlässige Empfängnisverhütung während der gesamten Behandlungsdauer und für mindestens einen Monat nach Behandlungsende weiterführen muss.
  • Schwangerschaftstests mit negativem Resultat vor und während der Behandlung sowie einen Monat (bzw. drei Jahre bei Acitretin) nach dem Therapieende vorliegen. Die Daten und Ergebnisse der Schwangerschaftstests müssen dokumentiert werden.

Falls bei einer mit Alitretinoin behandelten Frau eine Schwangerschaft eintritt, muss die Behandlung sofort abgebrochen und die Patientin zur Abklärung und Beratung an einen im Bereich der Teratologie spezialisierten oder erfahrenen Arzt überwiesen werden. Falls eine Schwangerschaft nach Behandlungsende eintritt, bleibt ein Risiko ernsthafter und schwerwiegender Missbildungen des Fötus bestehen.

Um verschreibende Ärzte und Patienten bei der Vermeidung einer fetalen Exposition gegenüber Retinoiden zu unterstützen, sind Schulungsmaterialien verfügbar, welche die Warnungen zur Teratogenität bekräftigen, Hinweise zur Empfängnisverhütung vor dem Behandlungsbeginn geben und Aufklärung über Notwendigkeit von Schwangerschaftstests liefern.

Schulungsmaterial zu Alitretinoin:

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/EducationMaterial/Anlagen/acitretin-alitretinoin-isotretinoin-aerzte-harm.pdf

Schulungsmaterial zu Acitretin:

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/EducationMaterial/Anlagen/acitretin-alitretinoin-isotretinoin-aerzte-harm.pdf

Rechtliche Rahmenbedingungen

Nach § 3b Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) darf die Höchstmenge der Verschreibungen von oral anzuwendenden Arzneimitteln mit Acitretin oder Alitretinoin für Frauen im gebärfähigen Alter je Verschreibung den Bedarf für 30 Tage nicht übersteigen. Solche Verschreibungen (auch in elektronischer Form) sind lediglich bis zu sechs Tage nach dem Datum ihrer Ausfertigung gültig.

Ciclosporin (Sandimmun® optoral und Generika) ist nur bei Patienten mit atopischer Dermatitis zur Behandlung des Handekzems zugelassen (10). Zur Anwendung bei Handekzem liegen nur wenige Daten vor (2). Sein Einsatz wird nur bei Patienten mit schwerem Handekzem empfohlen, die auf eine Erst- und Zweitlinientherapie nicht ausreichend angesprochen haben oder bei denen diese Therapie kontraindiziert ist (1). Die Therapie sollte über sechs Monate erfolgen, je nach Ansprechen auch kürzer oder aber auch länger (2). Zeigt sich nach acht Wochen keine klinische Besserung, sollte die Behandlung beendet werden. Aufgrund des erhöhten Risikos für Hautkrebs unter Ciclosporin wird UV-Schutz empfohlen.

Die Datenlage zu Azathioprin bei chronischem Handekzem ist ebenfalls äußerst begrenzt (1;2). Auch hier erfolgt der Einsatz bei Handekzem im Rahmen eines Off-Label-Use (11). Wie bei Ciclosporin ist auch bei Azathioprin ein erhöhtes Risiko für Hautkrebs (bei langfristiger Behandlung) zu beachten. Es kann als Therapieoption bei Patienten insbesondere mit einem atopischen Handekzem erwogen werden, bei denen Bedarf für eine langfristige Behandlung besteht und die auf eine Erst- und Zweitlinientherapie nicht ausreichend angesprochen haben oder bei denen diese Therapie kontraindiziert ist.

Auch für Methotrexat in der Indikation Handekzem liegen nur unzureichende Studienergebnisse vor (1;2). Als Therapieoption kann es bei Patienten insbesondere mit einem atopischen Handekzem erwogen werden, bei denen Bedarf für eine langfristige Behandlung besteht und die auf eine Erst- und Zweitlinientherapie nicht ausreichend angesprochen haben oder bei denen diese Therapie kontraindiziert ist. Die Behandlung des Handekzem erfolgt im Rahmen eines Off-Label-Use (12).

Es ist wichtig zu bedenken, dass der Zulassungsstatus keinen Rückschluss auf die Wirksamkeit eines Arzneimittels erlaubt, oder auf die Über- oder Unterlegenheit im Vergleich zu anderen Therapieoptionen. Der Zulassungsstatus hat aber einen Einfluss auf die Kostenübernahme dieser Arzneimittel durch die gesetzliche Krankenversicherung (13).

Kriterien für die Behandlungsentscheidung

Die Auswahl der Therapie für erwachsene Patienten mit mittelschwerem bis schwerem chronischen Handekzem richtet sich nach Art des Handekzems, den Begleiterkrankungen und Lebensumständen des Patienten sowie möglichen Nebenwirkungen der Arzneimittel (1;2).

Alternativ zur topischen Glukokortikoidtherapie, vor allem für Patienten, die unzureichend auf topische Kortikosteroide ansprechen oder für die eine Behandlung mit topischen Kortikosteroiden medizinisch nicht angezeigt ist, kommt eine topische Therapie mit Calcineurin-Antagonisten (Tacrolimus, Pimecrolimus) oder Calcipotriol (CAVE: Off-Label-Use) infrage. Der Vorteil gegenüber den topischen Glukokortikoiden ist die Möglichkeit einer langdauernden Behandlung (2). Topisches Delgocitinib könnte in Zukunft eine Therapieoption sein (3).

Calcipotriol (z. B. Daivonex®, Calcipotriol Hexal®) ist zugelassen zur kleinflächigen äußerlichen Anwendung bei leichter bis mittelschwerer Psoriasis vom Plaque-Typ. Der Einsatz bei Handekzem erfolgt daher im Rahmen von Off-Label-Use.

Eine zeitlich begrenzte systemische Glukokortikoidtherapie ist eine weitere Option. Für eine länger dauernde systemische Therapie stehen Retinoide (Acitretin und Alitretinoin) zur Verfügung, sowie der Calcineurin-Antagonist Ciclosporin. Die Entscheidung für Retinoide oder Ciclosporin könnte weniger durch unterschiedliche Wirksamkeiten als durch ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil geleitet sein, das bei den Retinoiden vor allem die Teratogenität umfasst und bei Ciclosporin nephrotoxische und immunsuppressive Nebenwirkungen. Zu beachten ist auch das hohe Interaktionspotenzial von Ciclosporin. Klassische Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Methotrexat kommen selten beim chronischen Handekzem zum Einsatz.

Der Einsatz von Dupilumab ist bisher begrenzt auf Handekzeme im Zusammenhang mit einer atopischen Dermatitis. Dupilumab könnte in Zukunft aber auch eine Therapieoption werden für Patienten mit schwerem chronischem Handekzem, die auf eine Erst- und Zweitlinientherapie nicht ausreichend ansprechen (3).

Literatur

  1. Diepgen TL, Andersen KE, Chosidow O et. al.: Guidelines for diagnosis, prevention and treatment of hand eczema. J Dtsch Dermatol Ges 2015; 13: e1-22.
  2. Elsner P, Agner T: Hand eczema: treatment. J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34 (Suppl. 1): 13-21.
  3. Dubin C, Del Duca E, Emma Guttman-Yassky E: Drugs for the treatment of chronic hand eczema: successes and key challenges. Ther Clin Risk Manag 2020; 16: 1319-1332.
  4. Christoffers W, Coenraads P, Svensson Å et al.: Interventions for hand eczema (Review). Cochrane Database Syst Rev 2019; Issue 4: CD004055.
  5. Leo Pharma A/S: Fachinformation „Protopic® 0,1 % Salbe“. Stand: August 2020.
  6. Meda Pharma GmbH & Co. KG: Fachinformation „Elidel® 10 mg/g Creme“. Stand: Oktober 2018.
  7. Dermapharm AG: Fachinformation „Alitrederm® 10 mg Weichkapseln“. Stand: Februar 2020.
  8. GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG: Fachinformation „Toctino 10 mg Weichkapseln, Toctino 30 mg Weichkapseln“. Stand: Dezember 2020.
  9. Dermapharm AG: Fachinformation „Acicutan® 10 mg Hartkapseln, Acicutan® 25 mg Hartkapseln“. Stand: Dezember 2020.
  10. Mylan Germany GmbH: Fachinformation „Ciclosporin dura Weichkapseln“. Stand: September 2020.
  11. Ratiopharm GmbH: Fachinformation „Azathioprin-ratiopharm 25 mg/50 mg Filmtabletten“. Stand: Juni 2021.
  12. Pfizer Pharma GmbH: Fachinformation „Lantarel® FS 7,5/10/15/20/25 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze“. Stand: Oktober 2021.
  13. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA): Off-Label-Use – Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsbieten: https://www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/off-label-use/. Letzter Zugriff: 1. November 2022.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.