Systemische Behandlung mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei Jugendlichen ab 12 bis unter 18 Jahren: Status quo der Empfehlungen

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2022

Therapie aktuell

Atopische Dermatitis

Atopische Dermatitis (AD, auch atopisches Ekzem und Neurodermitis) ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung und gehört zu den häufigsten Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Sie zählt wie Heuschnupfen und Asthma bronchiale zu den atopischen Erkrankungen, die mit Produktion allergenspezifischer Ig-E-Antikörper einhergeht. Atopische Dermatitis tritt entsprechend häufig bei Personen mit atopischen Diathesen auf, die an Heuschnupfen oder Asthma leiden. Betroffen sind die oberen Hautschichten und Symptome sind unter anderem starker Juckreiz und trockene, schuppige und gerötete Haut. Erstmalig tritt die Erkrankung bereits im Säuglings- und Kleinkindalter auf und verläuft schubweise. Mit zunehmendem Alter klingen die Symptome bei den meisten Betroffenen ab. Die Lebenszeitprävalenz von Neurodermitis bei Kindern und Jugendlichen beträgt 14,3 % (1).

Behandlungsstandard mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei Jugendlichen ab 12 bis unter 18 Jahren

Für Jugendliche ab 12 bis unter 18 Jahren, die für eine systemische Therapie infrage kommen, stehen derzeit folgende Behandlungsoptionen zur Verfügung:

I. Für die Therapie der Neurodermitis zugelassene antiinflammatorische Medikamente:

Orale Glukokortikosteroide

Die Kurzzeittherapie (!) mit oralen Glukokortikosteroiden (d. h. wenige Wochen, Dosis ≤ 0,5 mg/kg KG Prednisolonäquivalent) zur Unterbrechung des akuten Schubes sollte vor allem bei der Therapie von erwachsenen Patienten eingesetzt werden. In Ausnahmefällen im Kindes- und Jugendalter, z. B. bei schweren Formen einer Neurodermitis, kann sie in Kombination mit einem Therapiekonzept für die Anschlussbehandlung erwogen werden. Wegen der Nebenwirkungen wird eine längerfristige Therapie der Neurodermitis mit systemischen Glukokortikosteroiden nicht empfohlen (2).

Ciclosporin A

Der Einsatz von Ciclosporin A kann zur kurz- und mittelfristigen Therapie der chronischen schweren Neurodermitis im Erwachsenenalter erwogen werden. Das Verhältnis von erwartetem Nutzen zu Risiken ist vor dem Hintergrund therapeutischer Alternativen individuell zu prüfen. Es wird eine Induktionstherapie empfohlen, wonach so lange mit einer wirksamen Dosis zwischen 2,5 und 5 mg/kg KG täglich behandelt wird, bis eine weitgehende Besserung der Dermatose erreicht worden ist. Anschließend wird empfohlen, die Dosis schrittweise zu reduzieren. Nach Ansprechen kann eine Dosisreduktion (um 0,5–1,0 mg/kg KG/Tag) auf die individuelle Erhaltungsdosis in zweiwöchigen Abständen empfohlen werden.

Aufgrund des Zulassungsstatus kann Ciclosporin A als First-line-Therapie bei der Indikation Systemtherapie der Neurodermitis eingesetzt werden (2).

Ciclosporin A ist auch bei Kindern und Jugendlichen mit Neurodermitis wirksam (3;4). In der Leitlinie zur Neurodermitis wird mit hohem Konsens empfohlen, dass Ciclosporin A auch zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die einen therapieresistenten, schweren Verlauf der Neurodermitis zeigen, als Therapieoption erwogen werden kann. Allerdings ist zu beachten, dass die Behandlung von Jugendlichen unter 16 Jahren ein Off-Label-Use ist (2). Da die Kurzzeit-Intervalltherapie, die mit geringeren kumulativen Dosen von Ciclosporin A verbunden ist, bei vielen Patienten ausreicht, wird bei dieser Indikation ein individuelles Vorgehen vorgeschlagen. Dazu gehört eine empfohlene Induktionstherapie, bei der so lange mit einer wirksamen Dosis zwischen 2,5–5 mg/kg KG/Tag behandelt wird, bis eine weitgehende Besserung der Dermatose erreicht worden ist. Nach Ansprechen kann eine Dosisreduktion (um 0,5–1,0 mg/kg KG/Tag) auf die individuelle Erhaltungsdosis in zweiwöchigen Abständen durchgeführt werden (2).

Bei Ciclosporin A ist es nicht sinnvoll, eine Langzeitbehandlung der Neurodermitis durchzuführen. Bei gutem Ansprechen wird eine Therapieunterbrechung nach vier bis sechs Monaten empfohlen. Spätestens nach einer Dauer von zwei Jahren sollte ein Auslassversuch unternommen werden (2).

Die Einschränkung der Indikation bei vorbestehenden Erkrankungen (Niere, Hypertonie) sowie die Erhöhung von Infektions- und Karzinogenese-Risiko bei Langzeittherapie sind zu beachten. Bei Kindern und Jugendlichen wird ein individuelles Vorgehen vorgeschlagen (2;5).

Dupilumab

Der Einsatz von Dupilumab kann zur Therapie der chronischen, moderaten bis schweren Neurodermitis von Jugendlichen ab zwölf Jahren und bei Erwachsenen, die mit topischen Medikamenten alleine nicht ausreichend behandelt werden können, empfohlen werden. Bei manifesten ekzematösen Läsionen wird die Therapie mit Dupilumab in Kombination mit einer topischen antientzündlichen Behandlung empfohlen (2).

Der primäre Studienendpunkt der Zulassungsstudien zu Dupilumab war eine vollständige oder nahezu vollständige Abheilung der atopischen Dermatitis (d. h. Erreichen eines Investigator's Global Assessment(IGA)-Score von 0–1). Nach 16 Wochen konnte dieser bei lediglich 36–38 % der erwachsenen Patienten erreicht werden (2), also nicht einmal bei der Hälfte der Patienten. Somit zeigte Dupilumab nur eine mäßige Wirksamkeit.

Das Spektrum der Nebenwirkungen von Dupilumab war in diesen Studien relativ begrenzt: Lokalreaktionen nach Injektionen und Konjunktivitis (infektiöse und unspezifische Konjunktivitis) waren die häufigsten Nebenwirkungen im Vergleich zur Placebogruppe. Über schwere Nebenwirkungen wurde nicht berichtet (2).

Auch in der Phase-III-Studie zu Dupilumab bei Jugendlichen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis zeigte sich nach 16 Wochen eine mäßige Wirksamkeit: Lediglich ein Viertel (24,4 %) der 41 Teilnehmer hatte keine oder minimale klinische Zeichen der Krankheit (IGA-Score von 0–1). Die mit Dupilumab behandelten Patienten zeigten außerdem eine signifikante Verringerung des Juckreizes.

Sowohl die Wirksamkeit als auch das Sicherheitsprofil von Dupilumab war mit den Ergebnissen der Studien mit erwachsenen Patienten mit atopischer Dermatitis vergleichbar. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Konjunktivitis sowie Herpesvirus-Infektionen (2).

Zur systemischen Therapie bei schweren Verlaufsformen gibt es für Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren seit kurzer Zeit mit Dupilumab einen neuen, zugelassenen Wirkstoff.

Dupilumab (Dupixent® 200 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze/Fertigpen) ist unter anderem zugelassen zur Behandlung der mittelschweren bis schweren AD bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen. Bei Kindern von sechs bis elf Jahren ist Dupilumab zugelassen zur Behandlung einer schweren AD, wenn sie für eine systemische Therapie in Betracht kommen (6). Der rekombinante, humane, monoklonale IgG4-Antikörper Dupilumab ist spezifisch gegen die an Typ-I- und -II-Rezeptoren vorkommende Interleukin(IL)-4Rα-Untereinheit auf Immunzellen wie B- oder T-Zellen gerichtet und hemmt so die über IL-4 und IL-13 ausgelösten Reaktionskaskaden und wirkt antiphlogistisch und immunsuppressiv (6).

Die Dosierung von Dupilumab beträgt bei Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) ab 60 kg Körpergewicht ebenso wie bei Erwachsenen 600 mg als Anfangsdosis, zwei Injektionen zu je 300 mg, gefolgt von 300 mg alle zwei Wochen als subkutane Injektion. Jugendliche mit Körpergewicht unter 60 kg erhalten 400 mg als Anfangsdosis und 200 mg als Erhaltungsdosis. Kinder (sechs bis elf Jahre) erhalten bei einem Körpergewicht von 15 kg bis < 60 kg 300 mg (eine Injektion zu 300 mg) an Tag 1, gefolgt von weiteren 300 mg an Tag 15, und anschließend 300 mg alle vier Wochen. Bei Patienten mit einem Körpergewicht von 15 kg bis < 60 kg kann nach Ermessen des Arztes die Dosierung auf 200 mg alle zwei Wochen erhöht werden.

Die Sicherheit von Dupilumab wurde in einer Studie an 250 Patienten im Alter von 12 bis 17 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer AD (AD-1526) untersucht. Das bei diesen Patienten bis einschließlich Woche 16 beobachtete Sicherheitsprofil von Dupilumab war mit dem Sicherheitsprofil in Studien bei Erwachsenen mit AD vergleichbar (6). Die Wirksamkeit und Sicherheit von Dupilumab in Kombination mit topischen Kortikosteroiden bei Kindern wurden in einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie (AD-1652) mit 367 Patienten im Alter von sechs bis elf Jahren über 16 Wochen untersucht (7).

Upadacitinib

Mit Upadacitinib wurde kürzlich ein JAK-Inhibitor zur systemischen Therapie bei Jugendlichen ab zwölf Jahren und Erwachsenen zugelassen. Upadacitinib inhibiert selektiv und reversibel die Januskinasen (JAK)1, JAK2 und JAK3, sodass diese nicht mehr in der Lage sind, weitere durch Zytokine verursachte Aktivierungsvorgänge wie Phosphorylierung von STAT (Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription) durchzuführen. Dadurch wird die Transkription spezifischer Zielgene behindert, die unter anderem eine wichtige Rolle bei immunologischen und inflammatorischen Prozessen spielen (8).

Upadacitinib (Rinvoq® 15 mg Retardtabletten) ist unter anderem zugelassen zur Behandlung der mittelschweren bis schweren AD bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, die für eine systemische Therapie infrage kommen (8). Bei Jugendlichen mit einem Körpergewicht von mindestens 30 kg beträgt die empfohlene Dosis von Upadacitinib 15 mg einmal täglich. Upadacitinib kann mit oder ohne topische Kortikosteroide angewendet werden. Topische Calcineurininhibitoren können für empfindliche Bereiche wie Gesicht, Hals, intertriginöse und Genitalbereiche verwendet werden.

Insgesamt wurden 344 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer AD in den drei Phase-III-Studien randomisiert und erhielten entweder 15 mg (n = 114) bzw. 30 mg (n = 114) Upadacitinib oder ein entsprechendes Placebo (n = 116) als Monotherapie oder in Kombination mit topischen Kortikosteroiden (8;9). Die Wirksamkeit war bei Jugendlichen und Erwachsenen vergleichbar. Das Sicherheitsprofil bei Jugendlichen war in der Regel mit dem bei Erwachsenen vergleichbar, wobei die Raten einiger unerwünschter Ereignisse, wie unter anderem Neutropenie und Herpes zoster, dosisabhängig höher waren.

II. Nicht zugelassene antiinflammatorische Arzneimittel

Eine besondere Gruppe bilden die für die Therapie der Neurodermitis nicht zugelassenen antiinflammatorischen Arzneimittel. Zu nennen wären: Azathioprin, Mycophenolatmofetil (MMF) und Methotrexat (MTX).

Azathioprin kann außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes als Off-Label-Use zur Therapie der chronischen, schweren Neurodermitis erwogen werden, wenn Dupilumab oder Ciclosporin nicht wirksam oder kontraindiziert sind (2).

Zum Einsatz von MMF bei Neurodermitis liegen keine randomisierten, kontrollierten, klinischen Studien vor. Ähnlich wie MTX stellt auch MMF eine Off-Label-Therapiealternative bei der schweren Neurodermitis dar (2).

MTX wird häufig zur Behandlung der Psoriasis eingesetzt, zur Therapie der Neurodermitis ist es nicht etabliert, kann aber zur langfristigen Therapie der chronischen, schweren Neurodermitis erwogen werden (2).

III. Nicht zugelassene Biologika

Der Einsatz von Biologika, die nicht zur Therapie der Neurodermitis zugelassen sind, wird nicht empfohlen (2). Es ist aber zu erwarten, dass sich bei ausreichender Studienlage (insbesondere Vergleichsstudien) das Arsenal der Therapeutika zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit neuen Entwicklungen (z. B. Baricitinib, Tralokinumab) erweitern wird. 

Auswahl der Behandlung von Jugendlichen ab 12 bis unter 18 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis

Die Therapie von Jugendlichen ab 12 bis unter 18 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis, die für eine systemische Therapie infrage kommen, sollte nach den folgenden Kriterien ausgewählt werden:

  • Wie gut ist die Wirksamkeit des Arzneimittels für diese Altersgruppe belegt?
  • Wie häufig treten schwere Nebenwirkungen auf?
  • Wie eingeschränkt ist die Behandlungsdauer?

Es ist empfehlenswert, die Indikation zur Systemtherapie der Neurodermitis ausreichend zu dokumentieren, unter Bezug auf objektiven Schweregrad, subjektive Belastung und fehlendes Therapieansprechen anderer Maßnahmen (2).

Literatur

  1. Robert Koch-Institut (RKI): Faktenblatt zu KiGGS Welle 1: Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Erste Folgebefragung 2009 – 2012: www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsF/KiGGS_W1/kiggs1_fakten_subj_gesundheit.pdf;jsessionid=1E85EC2C9293E654C552380E536F786D.internet121 (letzter Zugriff: 16. August 2022). RKI, Berlin, 21. Juli 2014.
  2. Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG): Aktualisierung „Systemtherapie bei Neurodermitis“ zur Leitlinie Neurodermitis [atopisches Ekzem; atopische Dermatitis], Entwicklungsstufe: S2k [ICD 10: L20.8, L20.9, L28.0]: register.awmf.org/assets/guidelines/013_D_Dermatologische_Ges/013-027l_S2k_Neurodermitis_Aktualisierung-Systemtherapie_2021-05.pdf  (letzter Zugriff: 22. November 2022). AWMF-Registernummer: 013-027; Stand: Juni 2020.
  3. Harper JI; Ahmed I, Barclay G et al.: Cyclosporin for severe childhood atopic dermatitis: short course versus continuous therapy. Br J Dermatol 2000; 142: 52-58.
  4. Haw S, Shin MK, Haw CH: The efficacy and safety of long-term oral cyclosporine treatment for patients with atopic dermatitis. Ann Dermatol 2010; 22: 9-15.
  5. Teva GmbH: Fachinformation „Ciclosporin Pro 25 mg Weichkapseln / Ciclosporin Pro 50 mg Weichkapseln/ Ciclosporin Pro 100 mg Weichkapseln / Ciclosporin Pro 100 mg/ml Lösung zum Einnehmen“. Stand: August 2020.
  6. Sanofi-Aventis Groupe: Fachinformation „Dupixent® 200 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze, Dupixent® 200 mg Injektionslösung im Fertigpen“. Stand September 2022.
  7. Paller AS, Siegfried EC, Thaçi D et al.: Efficacy and safety of dupilumab with concomitant topical corticosteroids in children 6 to 11 years old with severe atopic dermatitis: A randomized, dou-ble-blinded, placebo-controlled phase 3 trial. J Am Acad Dermatol. 2020; 83: 1282-1293.
  8. AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG: Fachinformation „Rinvoq® 15 mg/ 30 mg/ 45 mg Retard-tabletten“. Stand: Juli 2022.
  9. Silverberg JI, de Bruin-Weller M, Bieber T et al.: Upadacitinib plus topical corticosteroids in atopic dermatitis: Week 52 AD Up study results. J Allergy Clin Immunol. 2022; 149:977-987.e14.

Interessenkonflikte

Der Autor gibt an, keine Interessenkonflikte zu haben.