Nachruf Professor Dr. rer. nat. Gerd Glaeske

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2022

Herr Professor Dr. rer. nat. Gerd Glaeske ist am 27. Mai 2022 im Alter von 77 Jahren nach schwerer Krankheit in Hamburg verstorben.

Professor Glaeske hat sich in besonderer Weise in der Versorgungsforschung und der Gesundheitspolitik verdient gemacht. Sein Engagement galt insbesondere der Arzneimittelanwendungsforschung. Unnachgiebig und medienwirksam verfolgte er sein Ziel, die Versorgungsqualität und -sicherheit der Patienten mit Arzneimitteln zu optimieren. Durch zahlreiche Interviews und Stellungnahmen zu arzneimittelbezogenen, aber auch sonstigen gesundheitlichen Fragen in Fernsehen, Radio und Printmedien war Glaeske einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Häufig waren dabei seine Aussagen streitbar, pointiert, kontrovers, und spalteten deshalb das Fachpublikum.

Professor Dr. rer. nat. Gerd Glaeske

Gerd Glaeske studierte Pharmazie in Aachen und Hamburg. Er promovierte in pharmazeutischer Chemie mit den weiteren Prüfungsfächern Wissenschaftstheorie und Pharmakologie. Im Jahr 1981 wurde er Mitarbeiter am Bremer Institut für Sozialmedizin und Präventionsforschung (BIPS), später auch Abteilungsleiter der Arzneimittelepidemiologie unter der Institutsleitung von Prof. Dr. Eberhard Greiser.

Von 1988 bis 1992 war er Leiter des Pharmakologischen Beratungsdienstes der AOK Mettmann, wo er erstmalig Analysen mit Daten der gesetzlichen Krankenversicherung durchführte und auf Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen hinwies. Dies wird als der Beginn der Versorgungsforschung in Deutschland angesehen, für deren Etablierung Gerd Glaeske sich stark engagierte, wichtige Beiträge leistete und ein breites, universitäres Netzwerk mitentwickelte. Von 1992 bis 1996 arbeitete Gerd Glaeske erst als Leiter des Pharmakologischen Beratungsdienstes der Ersatzkassenverbände (VdAK/AEV) und danach als Leiter der Abteilung der Verbandspolitik und Grundsatzfragen der medizinischen Versorgung, Verband der Angestellten Krankenkassen e.V. (VdAK) in Siegburg. Zur BARMER Ersatzkasse in Wuppertal wechselte er im Jahr 1996 als Leiter der Abteilung für medizinisch-wissenschaftliche Grundsatzfragen. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei den gesetzlichen Krankenkassen engagierte er sich kontinuierlich für die Verbesserung der Versorgung mit Arzneimitteln und die Reduktion von Über-, Unter- und Fehlversorgung.

Im Jahr 1999 übernahm Gerd Glaeske eine Stiftungsprofessur für Arzneimittelanwendungsforschung am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) an der Universität Bremen und leitete die Forschungseinheit „Arzneimittelberatung und Arzneimittelinformation“. Ab 2007 übte er die Position des Co-Leiters der Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung am ZeS aus sowie später der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung des SOCIUM der Universität Bremen.

Von 2003 bis 2009 war Gerd Glaeske vom Bundesgesundheitsminister einberufenes Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, seit 2003 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), und von 2007 bis zu seinem Rücktritt am 25. März 2008 Mitglied und Vorsitzender im wissenschaftlichen Beirat des Bundesversicherungsamt zur Erstellung eines Gutachtens zum morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich. Ab 2009 war Gerd Glaeske vom österreichischen Bundesminister für Gesundheit berufenes Mitglied der Kommission für rationale Arzneimitteltherapie und bis 2013 Mitglied in der Betäubungsmittel-Kommission des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Gerd Glaeske war Mitbegründer und langjähriges Vorstandsmitglied des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (2006–2014). Seit 2005 war er nach vierjähriger Tätigkeit als 1. Vorsitzender der Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie (GAA) Berater des Vorstands.

Seit 2017 war Professor Glaeske wissenschaftlicher Leiter des von der Universität Bremen und der Krankenkasse BKK24 gegründeten „Länger besser leben.“-Instituts, das sich mit Prävention und Gesundheitsförderung beschäftigt.

Gerd Glaeke publizierte zahlreiche Artikel zur Arzneimittelpolitik und zur Qualität der Arzneimittelversorgung, war Autor und Mitautor sowie pharmakologischer Berater von Arzneimittel-Publikationen wie u. a. „Bittere Pillen“, „Handbuch Medikamente“ und „Handbuch Selbstmedikation“ der Stiftung Warentest. Er war darüber hinaus jahrelanger Herausgeber des BARMER GEK Arzneimittelreports und des Innovationsreports des SOCIUM und der Techniker Krankenkasse, und leistete dadurch einen wichtigen Beitrag für die Nutzung von Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung.

Die Versorgungsforschung und die Gesundheitspolitik in Deutschland haben einen wichtigen Mitstreiter und kritischen Gesprächspartner verloren. In Gedanken sind wir bei seinen Nächsten, seiner Familie und seinen Freunden.

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)