Nebenwirkungen aktuell: Pankreatitis nach Einnahme von Codein bei Patienten nach Cholezystektomie

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2022

Fall 1: Ein 57-jähriger Mann nahm zweimalig Codein-Tropfen (je 20 Tropfen im Abstand von vier Stunden) aufgrund von Reizhusten bei einem grippalen Infekt ein. Etwa 30 bis 45 Minuten nach der zweiten Dosis klagte er über starke Oberbauchschmerzen. In der Rettungsstelle zeigte sich eine deutlich erhöhte Lipase (3498 U/l) bei minimal erhöhten Entzündungswerten und Cholestaseparametern. Die Abdomensonographie war bis auf ein nebenbefundlich festgestelltes Hämangiom unauffällig. Der Gallengang wird als „allenfalls akzentuiert“ beschrieben. Vier Jahre vor dem aktuellen Ereignis war bei biliärer Pankreatitis eine Cholezystektomie erfolgt.

Fall 2: Etwa zwei Stunden nach Einnahme von 45 Tropfen Codein traten bei einem 65-jährigen Patienten gürtelförmig ausstrahlende abdominelle Schmerzen auf. In der Rettungsstelle wurden eine leichte Erhöhung der Lipase (124 U/l) sowie gering erhöhte Cholestaseparameter und Entzündungswerte festgestellt. Die Abdomensonographie war unauffällig, allerdings konnte bei Meteorismus der Pankreas nicht ausreichend eingesehen werden. Der Gallengang erschien sonographisch nicht erweitert. Neun Jahre vor dem aktuellen Ereignis war eine Cholezystektomie aus unbekanntem Grund erfolgt.

In beiden Fällen waren die Patienten seit der Cholezystektomie – bis zu oben beschriebenem Ereignis – beschwerdefrei. Weitere Vorerkrankungen sind nicht bekannt. In Fall 1 hatte der Patient erstmalig seit der Cholezystektomie Codein eingenommen. Vor der Cholezystektomie war Codein bei mehrfachem Gebrauch gut vertragen worden. Für Fall 2 liegen hierzu keine Informationen vor. Unter symptomatischer Therapie (Buscopan, Metamizol) trat bei beiden Patienten eine rasche Besserung ein, sodass die weitere Behandlung ambulant erfolgen konnte.

Bewertung: Bereits 2016 wurde in AVP über einen ähnlichen Fall berichtet (1). Codein kann wie andere Morphinderivate die Kontraktilität intestinaler Muskulatur erhöhen und dadurch zu Spasmen des Sphinkter Oddi führen. Konsekutiv kommt es zu einem Aufstau von Galle und Pankreassekret. Eine Cholezystektomie prädisponiert für Sphinkter-Oddi-Dysfunktionen und stellt somit einen Risikofaktor für Codein-bedingte Spasmen dar.

Die Fachinformation codeinhaltiger Arzneimittel empfiehlt den Einsatz von Codein bei Zustand nach Cholezystektomie nur mit besonderer Vorsicht, da es infolge eines Spasmus des Sphinkter Oddi zu herzinfarktähnlichen Symptomen und einer Verschlechterung einer vorbestehenden Pankreatitis kommen kann (2). Darüber hinaus wird Pankreatitis als Nebenwirkung mit unbekannter Häufigkeit aufgeführt.

In den dargestellten Fällen gibt es keine klinischen Hinweise auf eine Pankreatitis vor der Codein-Einnahme. Der zeitliche Verlauf deutet darauf hin, dass Codein an einem nach Cholezystektomie prädisponierten Sphinkter zu einer Druckerhöhung mit konsekutiver Pankreatitis führte, ohne dass zuvor eine Entzündung des Organs vorlag.

Fazit: Codein kann in seltenen Fällen über einen Spasmus des Sphinkter Oddi eine akute Pankreatitis auslösen. Patienten nach Cholezystektomie haben hierfür ein erhöhtes Risiko.

Literatur
  1. Rosien U, Stammschulte T: Codein und Pankreatitis. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2016; 43: 210-212.
  2. Hexal AG: Fachinformation "Codeintropfen HEXAL® 0,5mg/Tropfen. Lösung zum Einnehmen". Stand: Juli 2015.

vorab online

Dieser Artikel wurde am 28. März 2022 vorab online veröffentlicht.