Nebenwirkungen aktuell: Miliartuberkulose im Zusammenhang mit Certolizumab pegol

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2022

Der Fall: Eine 31-jährige Patientin litt seit über zehn Jahren an einem Morbus Bechterew. Vor Beginn einer immunsuppressiven Behandlung war vor einigen Jahren ein Tuberkulose-Screening durchgeführt worden, welches negativ ausfiel. Seit eineinhalb Jahren wurde sie mit Certolizumab pegol behandelt. Ein leichter Husten vor einigen Wochen besserte sich spontan und zog keine Konsequenz nach sich. Dann traten Nachtschweiß, Fieberschübe und thorakale Schmerzen auf, was als Ausdruck der Grunderkrankung gewertet wurde. Deshalb wurde die Applikation von Certolizumab pegol intensiviert. Als kurze Zeit später Aszites festgestellt wurde, erfolgte stationär eine umfangreiche Diagnostik. Zunächst bestand der Verdacht eines metastasierten Ovarialkarzinoms mit Peritonealkarzinose und Metastasen in Lunge und Milz. Differenzialdiagnostisch wurde eine atypische Tuberkulose erwogen, wofür im Verlauf auch der Nachweis von Mycobacterium tuberculosis im Sputum sowie der bronchoalveolären Lavage sprach. Die Diagnose einer Miliartuberkulose1 mit pulmonaler, splenischer, hepatischer und peritonealer Beteiligung wurde letztlich histologisch nach explorativer Laparoskopie gesichert. Die Patientin wurde mit verschiedenen tuberkulostatischen Arzneimitteln behandelt, welche sie auch nach der Entlassung noch für etwa ein Jahr fortführen sollte.

Bewertung: Der Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha-Inhibitor Certolizumab pegol neutralisiert das proinflammatorische Zytokin TNF-alpha, welches eine wichtige Rolle bei Entzündungsprozessen spielt. Da TNF-alpha auch die Immunantwort der Zellen moduliert, besteht die Möglichkeit einer Immunsuppression (1). Tuberkulose, einschließlich Miliar-, disseminierte und extrapulmonale Tuberkulose, wird als gelegentliche Nebenwirkung in der Produktinformation aufgeführt. Vor Beginn einer Behandlung mit Certolizumab pegol müssen Patienten auf eine aktive oder latente Tuberkulose untersucht werden. Liegt eine aktive Tuberkulose vor, darf keine Behandlung mit Certolizumab pegol begonnen werden bzw. muss eine solche abgesetzt werden. Bei Verdacht auf latente Tuberkulose, sollte ein Arzt mit Erfahrung in der Behandlung der Tuberkulose konsultiert werden. Wenn während oder nach der Behandlung mit Certolizumab pegol Symptome auftreten, die an eine Tuberkulose denken lassen (z. B. persistierender Husten, Gewichtsverlust, Auszehrung, leichtes Fieber, Abgeschlagenheit), sollte ärztlicher Rat eingeholt werden (1).2

Fazit: Wie bei anderen TNF-alpha-Inhibitoren sollte zeitnah vor Beginn der Behandlung mit Certolizumab pegol eine Untersuchung auf eine latente oder aktive Tuberkulose erfolgen. Wenn während der Behandlung unspezifische bzw. Allgemeinsymptome wie Nachtschweiß, Fieber oder thorakale Schmerzen auftreten, sollte nicht nur eine Verschlechterung der Grunderkrankung, sondern auch eine Tuberkulose erwogen werden. Auch bei – wie im vorliegenden Fall – zunächst untypischer Manifestation sollte ggf. eine Tuberkulose differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen und bei Bestätigung der Diagnose Certolizumab pegol abgesetzt und eine tuberkulostatische Behandlung initiiert werden.

Fußnoten

1 Miliartuberkulose ist eine disseminierte Form der Tuberkulose, bei der kleine, hirsekorn- bis linsengroße Krankheitsherde in der Lunge und anderen Organen (z. B. Leber, Milz) zu finden sind. Etwa 1–2 % der Tuberkuloseerkrankungen entfallen auf die Miliartuberkulose (2).

2 Gemäß Fachinformation umfasst dies eine detaillierte Anamnese hinsichtlich der persönlichen Tuberkulose-Krankengeschichte und vorherigen Kontakten zu Patienten mit aktiver Tuberkulose und vorheriger und/oder aktueller immunsuppressiver Behandlung. Bei allen Patienten sollen geeignete Screening-Untersuchungen, z. B. Tuberkulinhauttest und Röntgen-Thorax-Aufnahme, durchgeführt werden (1).

Literatur
  1. UCB Pharma GmbH: Fachinformation Cimzia® 200 mg Injektionslösung in einem Fertigpen. Stand: September 2021.
  2. Deximed – Hausarztwissen online: deximed.de. Letzter Zugriff: 2. März 2022.

vorab online

Dieser Artikel wurde am 28. März 2022 vorab online veröffentlicht.