Antihypertensive Fixkombination zur Initialtherapie – keine gut begründete Empfehlung

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2022

Zusammenfassung

Pro und Contra einer in vielen Leitlinien empfohlenen initialen antihypertensiven Kombinationstherapie werden im Folgenden diskutiert. Die meisten Studien, die eine solche Empfehlung begründen sollen, sind retrospektiv, nicht randomisiert und haben lediglich, wenn überhaupt, eine schwache Evidenz. Die Kombination von blutdrucksenkenden Medikamenten ist deutlich effektiver als die Dosissteigerung einzelner Medikamente. Gegen eine schrittweise Kombination (z. B. in vier- bis sechswöchentlichen Abständen) spricht unserer Ansicht nach nichts. Durch die Verwendung von Fixkombinationen in einer Tablette (meist deutlich teurer als die Einzelkomponenten) erhofft man sich Vorteile in der Adhärenz. Dieser mögliche Vorteil konnte allerdings ebenfalls nicht in klinisch bedeutsamen Endpunkten belegt werden. Fixkombinationen sollte man daher lediglich in Sonderfällen (Patienten mit hoher Tablettenanzahl und Klagen darüber) verwenden.

In vielen Leitlinien (1-3) wird zur Behandlung einer Hypertonie schon zu Beginn eine Fixkombination zweier antihypertensiver Medikamente empfohlen. Ausgenommen von dieser Empfehlung sind lediglich Patienten mit Grad-I-Hypertonie oder solche, die älter als 80 Jahre oder gebrechlich sind. Zwei Artikel in Hypertension von 2021 diskutieren Pro (4) und Contra (5) einer solchen Strategie.

Raschere initiale Blutdrucksenkung

Es wird argumentiert, dass der Beginn der antihypertensiven Einstellung mit einer Kombinationstherapie zu einem rascheren Erreichen der Blutdruckziele und damit auch zu einer verringerten Anzahl von harten Endpunkten führe. Als Beleg wird die nachträgliche Auswertung der Value-Studie (6) von Weber et al. (7) angeführt. Hier wurden aber viele Patienten mit Vortherapie in die Studie eingeschlossen und Valsartan gegen Amlodipin plus zusätzliche Medikation getestet. Keineswegs also eine initiale Kombinationstherapie verschiedener Medikamente. Patienten mit einem guten Ansprechen nach einem Monat bzw. einem kontrollierten Blutdruck nach sechs Monaten schnitten darin bei harten kardiovaskulären Endpunkten besser ab als ihre gematchten Kontrollen. Kann das initial gute Ansprechen nicht einfach diejenigen Patienten mit einer guten Prognose selektiert haben, die einfacher einzustellen waren?

Als weiterer Beleg wird eine retrospektive Kohortenstudie von Xu von 2015 (8) angenommen. Darin wurden rückwirkend Daten von 88.756 Erwachsenen mit Hochdruck ausgewertet. Es wurde gesehen, dass Patienten mit systolischen Blutdruckwerten von über 150 mmHg mehr kardiovaskuläre Ereignisse hatten und dass sich bei Blutdruckwerten zwischen 130 und 150 mmHg dieses Risiko nicht weiter senken ließ. Betrug die Zeit bis zur Intensivierung der antihypertensiven Therapie weniger als 1,44 Monate im Durchschnitt, wurde dies als Basisrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis und Tod genommen. Für einen Zeitraum bis zur Intensivierung zwischen 1,440 und 4,681 Monaten betrug die Hazard ratio (HR) 1,12 (95 % Konfidenzintervall (CI) 1,05 – 1,20, p = 0,009). Für die Zeit zwischen 4,682 – 8,689 Monaten war die HR 1,23 (95 % KI 1,15 – 1,32, p < 0,001). Danach fiel die HR wieder ab. Durch die Frequenz der Visiten wurde dieses Ergebnis nicht beeinflusst. Aber wer wartet denn in Deutschland mehr als 4,6 Monate, um die Ergebnisse der initialen Blutdrucksenkung beurteilen zu können?

Feste Arzneimittelkombinationen statt Gabe von Einzelmedikamenten?

Es gibt Hinweise, dass Patienten mit Kombinationstherapie verglichen mit denen unter initialer Monotherapie nach einem Jahr deutlich höhere Raten an gut eingestelltem Blutdruck haben (9;10). Wald (9) belegt aber lediglich in einer Metaanalyse von 42 Studien, dass das Hinzufügen einer weiteren Substanz verglichen mit Verdoppelung der Dosis eines Medikaments fünfmal effektiver ist. Die Auswertung elektronischer Patientendaten von Egan (10) zeigt, dass verglichen mit einer Monotherapie zu Beginn Patienten mit einer fixen Dosiskombination als Initialtherapie eine HR von 1,53 (95 % KI 1,47 – 1,58) und Patienten mit einer freien Dosiskombination zu Beginn 1,34 (95 % KI 1,31 – 1,37) für eine bessere Blutdruckkontrolle nach einem Jahr hatten. Dies waren jedoch keine randomisierten Gruppen und weder waren die Blutdruckmessungen, Häufigkeit der Visiten usw. standardisiert.

Außerdem würden Patienten mit initialer Kombinationstherapie eine deutliche bessere Adhärenz aufweisen (11). Der Prozentsatz von Patienten, die ihre Therapie unterbrachen, betrug für Patienten mit einer nichtdiuretischen Monotherapie 39,4 – 43,1 % innerhalb von neun Monaten und 24,8 – 31,4 % für Therapiekombinationen ohne Diuretika (keine Fixkombinationen). Bemerkenswert ist meiner Ansicht nach eher der hohe Prozentsatz in beiden Gruppen. Hat der statistisch signifikante Unterschied auch wirklich klinisch bedeutsame Auswirkungen?

Corrao (12) beschrieb retrospektiv den Verlauf von 242.594 Patienten, die in den Jahren 2000–2001 neu Antihypertensiva verschrieben bekamen. Diese wurden bis 2007 bezüglich Verschreibung von Medikamenten und Krankenhausaufnahmen aus kardio- und zerebrovaskulären Gründen beobachtet. Nach einer mittleren Beobachtungszeit von sechs Jahren wurden 12.016 Patienten stationär aufgenommen. Patienten ohne Therapieunterbrechung hatten verglichen mit denen, die mindestens eine Therapieunterbrechung hatten, ein 37 % niedrigeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse.

Insgesamt sind sich die Autoren, die für eine initiale Kombinationstherapie argumentieren, sehr wohl im Klaren darüber, dass die meisten Studien, die von ihnen zitiert werden, Limitationen haben und bestenfalls eine schwache Evidenz (4). Um die klinischen Auswirkungen antihypertensiver Strategien beurteilen zu können, muss man randomisierte, prospektiv durchgeführte Untersuchungen fordern.

In einem Cochrane Review von 2021 wird festgestellt, dass es nicht genug Evidenz gibt, um eine initiale Kombinationstherapie zu begründen (13). In die Auswertung für dieses Review kamen randomisierte kontrollierte Studien, die bei Patienten mit primärer Hypertonie und Blutdruck > 140/90 oder > 130/80 mmHg und Diabetes eine initiale Monotherapie mit einer initialen Kombinationstherapie verglichen. Die Beobachtungsdauer sollte mindestens zwölf Monate und die Teilnehmerzahl mindestens 50 betragen. Primäre Endpunkte sollten Mortalität, schwere unerwünschte Ereignisse, kardiovaskuläre Ereignisse und kardiovaskuläre Mortalität sein. Sekundäre Endpunkte waren Therapieabbrüche aufgrund von medikamentösen Nebenwirkungen, Blutdruckkontrollen wie in der Studie definiert und Änderung des Blutdrucks. Mit diesen Kriterien konnten vier Studien identifiziert werden, die sämtlich aber nicht nur auf die initiale antihypertensive Therapie ausgerichtet waren. Daher wurden von den Studienautoren zusätzlich Daten für Subgruppen angefordert und analysiert. Für keine der oben genannten Endpunkte konnte dabei ein signifikanter Vorteil festgestellt werden.

In der NICE Leitlinie von 2019 (14) wird ebenfalls festgestellt, dass die gefundene Evidenz nicht ausreicht, um eine initiale Kombinationstherapie empfehlen zu können. Lediglich eine Studie mit sehr geringer Evidenz könnte einen Hinweis auf einen Vorteil bei Diabetikern geben (15).

Es ist richtig, dass man bei Patienten mit einer Hypertonie Grad II–IV nur selten mit einer Substanz allein den Blutdruck gut und effektiv kontrolliert. Aber wieso soll es einen Unterschied machen, wenn sie erst vier oder acht Wochen nach Beginn der Therapie hinzugesetzt wird? Sind nicht Therapiekontrollen und Begleitung des Patienten genauso wichtig für die Adhärenz?

Vermeidet man komplizierte Einnahmeschemata und reduziert die Anzahl der Tabletten, wird man eine bessere Adhärenz erreichen. Aber auch hiervon ist ein klarer Vorteil für harte Endpunkte bisher nicht belegt. Was spricht dagegen, frei zu kombinieren und wenn man die richtige Kombination gefunden hat, eine Fixkombination dieser Einzelmedikamente zu verwenden, falls die Tablettenlast zu groß wird? Darüber hinaus sind die Fixkombinationen meist deutlich teurer als die Einzelkomponenten (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Kosten ausgewählter Antihypertensiva

Fazit

Patienten mit Grad II Hypertonie (RR > 160/100 mmHg) werden in aller Regel nicht mit nur einer antihypertensiven Substanz eingestellt werden können. Die Empfehlung, bei diesen Patienten sofort mit einer Kombinationstherapie zu beginnen, scheint aber nicht gut begründet. Die gewünschte schnelle Einstellung ließe sich unserer Ansicht nach ebenso gut mit einer Intensivierung der Therapie in vier- bis sechswöchentlichen Intervallen erreichen. Die meist deutlich teureren Fixkombinationen sollten Sonderfällen vorbehalten bleiben.

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, keine Interessenkonflikte zu haben.

Literatur
  1. Williams B, Mancia G, Spiering W et al.: 2018 Practice Guidelines for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension and the European Society of Cardiology: ESH/ESC Task Force for the Management of Arterial Hypertension. J Hypertens 2018; 36: 2284-2309.
  2. Whelton PK, Carey RM: The 2017 Clinical Practice Guideline for high blood pressure. JAMA 2017; 318: 2073-2074.
  3. Unger T, Borghi C, Charchar F et al.: 2020 International Society of Hypertension global hypertension practice guidelines. J Hypertens 2020; 38: 982-1004.
  4. Persu  A, Lopez-Sublet M, Algharably EAE-H, Kreutz  R: Starting antihypertensive drug treatment with combination therapy. Hypertension 2021; 77: 800-805.
  5. Zhang ZY, Yu YL, Asayama K et al.: Starting antihypertensive drug treatment with combination therapy: controversies in hypertension – con side of the argument. Hypertension 2021; 77: 788-798.
  6. Julius S, Kjeldsen SE, Weber M et al.: Outcomes in hypertensive patients at high cardiovascular risk treated with regimens based on valsartan or amlodipine: the VALUE randomised trial. Lancet 2004; 363: 2022-2031.
  7. Weber MA, Julius S, Kjeldsen SE et al.: Blood pressure dependent and independent effects of antihypertensive treatment on clinical events in the VALUE Trial. Lancet 2004; 363: 2049-2051.
  8. Xu W, Goldberg SI, Shubina M, Turchin A: Optimal systolic blood pressure target, time to intensification, and time to follow-up in treatment of hypertension: population based retrospective cohort study. BMJ 2015; 350: h158.
  9. Wald DS, Law M, Morris JK et al.: Combination therapy versus monotherapy in reducing blood pressure: meta-analysis on 11,000 participants from 42 trials. Am J Med 2009; 122: 290-300.
  10. Egan BM, Bandyopadhyay D, Shaftman SR et al.: Initial monotherapy and combination therapy and hypertension control the first year. Hypertension 2012; 59: 1124-1131.
  11. Corrao G, Parodi A, Zambon A et al.: Reduced discontinuation of antihypertensive treatment by two-drug combination as first step. Evidence from daily life practice. J Hypertens 2010; 28: 1584-1590.
  12. Corrao G, Parodi A, Nicotra F et al.: Better compliance to antihypertensive medications reduces cardiovascular risk. J Hypertens 2011; 29: 610-618.
  13. Garjón J, Saiz LC, Azparren A et al.: First-line combination therapy versus first-line monotherapy for primary hypertension. Cochrane Database Syst Rev 2020; Issue 2: CD010316.
  14. National Institute for Health and Care Excellence (NICE): Hypertension in adults: diagnosis and mangement: www.nice.org.uk/guidance/ng136 (letzter Zugriff: 27. April 2022). NICE guideline (NG136). 28. August 2019.
  15. Mogensen CE, Viberti G, Halimi S et al.: Effect of low-dose perindopril/indapamide on albuminuria in diabetes – preterax in albuminuria regression: PREMIER. Hypertension 2003; 41: 1063-1071.

vorab online

Dieser Artikel wurde am 9. Mai 2022 vorab online veröffentlicht.