Irreführende Werbung zu Sinupret® letztinstanzlich verboten
In einer Anzeige in der Zeitschrift „PTA heute – Praxiswissen für die Apotheke“ (Zeitschrift der Deutschen Apotheker Zeitung für PTA) warb die Herstellerfirma Bionorica mit antiviralen und entzündungshemmenden Eigenschaften ihres Arzneimittels Sinupret®. Bereits im Februar 2019 untersagte das LG Nürnberg-Fürth die Werbung mit diesen zugesicherten Eigenschaften (1). Dieses Urteil wurde nun auch letztinstanzlich vom BGH bestätigt (2). Es handle sich um eine unzulässige irreführende Werbung, da das Medikament mit einer therapeutischen Wirkung beworben wurde, die tatsächlich nicht nachgewiesen werden konnte.
Zu diesen beiden Aussagen lagen zum Zeitpunkt der Annonce lediglich Tierversuche sowie Versuche außerhalb lebender Organismen (in vitro) vor. Um die Wirkungen am Menschen zu belegen, müssen jedoch auch human-pharmakologische Untersuchungen durchgeführt werden. Es half auch nicht, dass das Medikament laut der Fachinformation zur Anwendung bei akuten, unkomplizierten Entzündungen der Nasennebenhöhlen bei Erwachsenen zugelassen ist: „Die therapeutische Wirksamkeit von Sinupret® gegen Rhinosinusitis sei [...] lediglich durch eine doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie dahingehend nachgewiesen, dass hinsichtlich der nasalen Sekretion und des Gesichtsschmerzes ein relevanter Vorteil bei der Einnahme des Arzneimittels erzielt werde“, so das OLG Nürnberg zweitinstanzlich (3). Dieser Einschätzung folgte letztendlich auch der 1. Zivilsenat des BGH. Dass diese Wirksamkeit im Zusammenhang mit einer entzündungshemmenden und antiviralen pharmakologischen Wirkung des Arzneimittels stehe oder auf einer solchen beruhe, lasse sich der Fachinformation nicht entnehmen (2).
Durch die Urteile wird ersichtlich, wie wichtig die Angaben in der Zulassung eines Medikaments und die behördliche Prüfung einer Fachinformation als Nachweis für die Richtigkeit einer Werbebehauptung ist (4). Die Firma, die für ein Arzneimittel werben möchte, muss nach dem Strengeprinzip sorgsam darauf achten, dass sich die behaupteten Werbeangaben mit dem decken, was als wissenschaftlich gesichert angesehen werden kann.
Zetterqvist et al. untersuchten in Schweden und Großbritannien (5) die Ergebnisse von Selbstregulation zu irreführender Werbung. Im Zeitraum von 2004 bis 2012 wurden in beiden Ländern jeweils mehr als 500 Fälle registriert. Es steht jedoch zu befürchten, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist, würde man die Werbung von unabhängigen Institutionen untersuchen lassen.
Fazit
- Symptombezogene Wirkung ist nicht gleichbedeutend mit der ursächlichen Wirkung eines Arzneimittels.
- Zulassung und Fachinformation können grundsätzlich den Nachweis wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse erbringen. Was in der Werbung behauptet wird, muss aber auch wirklich in der Zulassung stehen.
- Die in der Werbung behaupteten Tatsachen müssen zum Zeitpunkt der Werbehandlung bereits nachgewiesen sein. Eine nachträgliche Durchführung von Studien, die die beworbenen Behauptungen beweisen, ist nicht ausreichend für die Bewertung der Zulässigkeit von Werbeaussagen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung.
- Studien an tierischen Organismen und außerhalb lebender Organismen sind in aller Regel kein Nachweis für die entsprechenden Wirkungen am Menschen.
Um über die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie hinaus solche Fälle zu verfolgen, braucht es eine pharmaunabhängige Institution, die sich solcher Untersuchungen annimmt.
Interessenkonflikte
Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.
Literatur
- Landgericht Nürnberg-Fürth: Urteil vom 7. Februar 2019. Az: 3 HKO 4987/18.
- Bundesgerichtshof: Urteil vom 5. November 2020. I ZR 204/19.
- Oberlandesgericht Nürnberg: Urteil vom 29. Oktober 2019. 3 U 559/19.
- Meinhardt, jurisPR-WettbR 2/2021, Anm. 2.
- Zetterqvist AV, Merlo J, Mulinari S: Complaints, complainants, and rulings regarding drug promotion in the United Kingdom and Sweden 2004-2012: a quantitative and qualitative study of pharmaceutical industry self-regulation. PLoS Med 2015; 12: e1001785.
vorab online
Dieser Artikel wurde am 9. März 2021 vorab online veröffentlicht.