Schmerztherapie bei Tumorpatienten in der (fortgeschrittenen) Palliativsituation

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2020

Autor

Zusammenfassung

Eine erfolgreiche Schmerztherapie soll mit einer genauen Schmerzanamnese und klinischen Untersuchung beginnen. Die verordnungskonforme Einnahme der Arzneimittel erfordert die Mitarbeit und das Verständnis des Patienten für die angesetzte Therapie. Der stufenweise Einsatz der Medikamente richtet sich nach dem Wirkprofil und der analgetischen Potenz. Die Angst vor dem Einsatz der Opioide(Stufe 3 WHO) ist bei der großen therapeutischen Breite und vergleichsweise geringen Nebenwirkungsrate unbegründet. Die Nebenwirkungen werden durch adjuvante Medikamente abgemildert. Sogenannte Co-Analgetika verstärken die Wirkung der Analgetika.

Dieser Artikel gibt einen praktischen Einblick in die aktuelle Therapie der vielfältigen Schmerzen bei Palliativpatienten. Pharmakologische Aspekte stehen nicht Vordergrund, sie werden in der Differenzialtherapie berücksichtigt. Die Angaben in diesem Artikel stimmen weitgehend mit den Empfehlungen der S3-Leitlinie Palliativmedizin 2.0 (Stand 2019) überein (1). Eigene Erfahrungen des Autors bleiben nicht unerwähnt. Einige Therapien sind Off-Label-Use, sie werden vom Autor wegen ihrer Wirksamkeit trotzdem empfohlen.

Schmerztherapie von Tumorpatienten

Zwei Punkte sind bei der Schmerztherapie von Tumorpatienten ausschlaggebend für den Erfolg:

  1. Eine genaue Schmerzanamnese, gefolgt von einer symptombezogenen klinischen Untersuchung, gibt auch ohne großen Einsatz einer Bildgebung wichtige Hinweise für den Auslöser des Schmerzes – und damit für den differenzialtherapeutischen Einsatz der Analgetika und Co-Analgetika. Die danach eingesetzte Bildgebung soll nicht nur den Anfangsverdacht bestätigen, sondern auch die Möglichkeiten einer Kausaltherapie überprüfen.
  2. Eine gründliche Schulung bzw. Aufklärung des Patienten über die Wirkung und Wirkdauer der verordneten Arzneimittel in einer Weise, die der Patient versteht: nicht überreden, sondern überzeugen – soll Einsicht und damit die „notwendige“ Compliance bewirken. Wir behandeln nicht das Symptom „Schmerz“, sondern einen Menschen mit seinen Sorgen, Nöten und Ängsten. Die noch zu besprechende – unbegründete – Angst vor dem Einsatz oder der Einnahme der Opioide Stufe 3 hemmt eine suffiziente Schmerztherapie: „Ist es denn schon so weit…?“ Die – nach Einschätzung des Autors – häufigste Ursache für das Versagen der verordneten Analgetika ist die nicht regelkonforme Einnahme oder das gänzliche Weglassen. Daher ist es essenziell, dem Patienten einen ständig aktualisierten schriftlichen Plan (Bundeseinheitlicher Medikationsplan) der Medikation zur Verfügung zu stellen.

Schmerzanamnese und Untersuchung

Der Patient selbst bestimmt die Intensität seiner Schmerzempfindung auf einer Skala: entweder nach VRS (verbale Rating-Skala: kein, leichter, mittlerer oder starker Schmerz) oder nach der 11-stufigen numerischen Ratingskala (NRS von 0: kein Schmerz bis 10: Vernichtungsschmerz). Die Befragung wird im Verlauf der Therapie wiederholt und dokumentiert sowohl in Ruhe als auch unter Belastung.

Die psychische Verfassung des Patienten ist zu beachten: Hat er begleitend eine Anpassungsstörung oder sogar eine schwere depressive Episode? Einige Patienten (häufig Männer) haben mehr Hemmungen, über ihre Beschwerden zu sprechen – gerade auch in Gegenwart der Angehörigen. Hier sollte nach beiden „Versionen“ gefragt werden: Wie der Patient seine Beschwerden schildert und wie die Angehörigen das Beschwerdemaß einschätzen (natürlich auch umgekehrt!). Welcher Herkunft ist der Patient: Brauchen wir einen Dolmetscher für die Schmerzanamnese?

Ist der Patient kognitiv nicht in der Lage, den Schmerz zu kommunizieren, sind wir auf eine Fremdeinschätzung mit Beobachtung vegetativer Symptome (Blutdruckkrisen, Schwitzen, Unruhe) oder die Mimik angewiesen. Im Zweifelsfall lohnt sich ein Therapieversuch. Besonders wichtig ist die körperliche Untersuchung, manchmal mit Entdeckung banaler Ursachen beim „Blick unter die Bettdecke“: zunehmende Unruhe bei okkludiertem Dauerkatheter mit Überlaufblase.

Die Schmerzlokalisation und der Schmerzauslöser präzisieren die Diagnostik: Berichtet der Patient von einem streng belastungsabhängigen Schmerz, der in Ruhelage nahezu verschwindet und lässt er sich an den tragenden Skelettabschnitten lokalisieren (LWS, Hüfte etc.), so ist ein knöcherner Schmerz sehr wahrscheinlich.

Klagt der Patient über Schmerzen im rechten Oberbauch und tasten wir eine deutlich vergrößerte Leber (ergänzend „Kratzauskultation“), die auf lokalen Druck den Schmerz reproduziert, kann von einem Leberkapsel-Spannungsschmerz ausgegangen werden. Eine orientierende Sonografie zeigt in den allermeisten Fällen das Ausmaß des Leberbefalles. Grundkenntnisse der Sonografie sind in der Palliativmedizin äußerst hilfreich und kleine transportable Sonografiegeräte verhelfen vor Ort zur Präzisierung der klinischen Diagnostik und gegebenenfalls Therapie.

Ob die Bildgebung eingesetzt werden kann, ist von mehreren Faktoren abhängig: Wird der Patient von seiner Lebenserwartung auch dahingehend profitieren, dass er einer kausalen Therapie zugeführt werden kann bzw. wird er einem operativen und/oder strahlentherapeutischen Vorgehen zustimmen? In welchem Setting befindet sich der Patient: Ist er ambulant mit langwierigen Transportwegen oder bereits stationär? Ist er bei knöchernen Schmerzen transportfähig bzw. kann er die Diagnostik (liegen auf harter Unterlage!) tolerieren? Oder bedarf es zuvor einer angepassten Analgetika-Einstellung inklusive einer Bedarfsmedikation, die sich der Patient unmittelbar vor der Diagnostik geben (lassen) kann (siehe unter Durchbruchschmerzen).

Bezüglich der verschiedenen Möglichkeiten einer strukturierten Erfassung der Schmerzen mittels Fragebögen sei auf das entsprechende Kapitel 9 Tumorschmerz – 9.2 Schmerzerfassung der S3-Leitlinie Palliativmedizin (1) verwiesen.

Schulung des Patienten

Das vereinbarte Ziel der Schmerztherapie soll die Schmerzreduktion auf ein für den Patienten erträgliches Maß sein. Das Versprechen der Schmerzfreiheit wäre gegebenenfalls nur durch eine Vollnarkose zu erzielen.

Grundsätzlich erfolgt die Einnahme der Analgetika regelmäßige („by the clock“), damit der Schmerz erst gar nicht wieder auftritt bzw. unerträglich wird, und nicht nach Bedarf. Es muss immer wieder erläutert werden: Wir behandeln Krebsschmerzen – einen Dauerzustand und keine gelegentlichen Kopfschmerzen. Andernfalls besteht die Gefahr nach der Einnahmepause mit Schmerzexacerbation die Dosis so zu erhöhen, dass Nebenwirkungen vermehrt auftreten und zum Therapieabbruch führen.

Besonders relevant ist die genaue Häufigkeit der Einnahme. Wird als Basismedikament der Stufe 1 Novaminsulfon eingesetzt, egal ob in Tropfen, Tabletten, Zäpfchen oder parenteral als Kurzinfusion, sind immer vier Gaben pro Tag obligat. Für eine kontinuierliche Analgesie bedarf es bei einer Wirkdauer von sechs bis acht Stunden einer regelmäßigen Einnahme. Die letzte Gabe sollte unmittelbar vor dem Einschlafen erfolgen.

Bei Retardpräparaten können wir uns nicht immer auf die vom Hersteller versprochene Wirkdauer von zwölf Stunden verlassen (entspricht zwei Gaben pro Tag). Sollte die Wirkung am Tag nicht ausreichen, so ist eine dritte Gabe empfehlenswerter als die Dosiserhöhung am Morgen oder Abend. Damit ist ein „geglätteter“ Wirkspiegel zu erwarten. Wacht der Patient dagegen morgens mit Schmerzen auf, empfiehlt es sich, die Abenddosis zu erhöhen. Alternativ kann der Wecker für eine frühere Einnahme als üblich gestellt werden, um den zwölf Stunden Abstand zu verkürzen.

Neben seiner Basismedikation mit festen Einnahmezeiten der Retardpräparate müssen wir den Patienten eine Bedarfsmedikation in einer nicht retardierten Form zur Behandlung von Durchbruchschmerzen zur Verfügung stellen. Der sogenannte Durchbruchschmerz kann unvorhersehbar auftreten und bedarf einer raschen, d. h. auch sofort verfügbaren Schmerzmedikation. Weiß der Patient, dass bevorstehende Situationen den Schmerz auslösen werden (z. B. Mobilisation zur Toilette, Pflegemaßnahmen, Diagnostik oder Verbandswechsel), so muss er in angemessenem zeitlichen Abstand zuvor die Bedarfsmedikation einnehmen bzw. anwenden können (nasal, oral oder parenteral), damit ein ausreichend erhöhter Wirkspiegel den Schmerz ausreichend kupiert. Idealerweise kann der Patient sich das Mittel selbst verabreichen und die schmerzlindernde Wirkung tritt nach wenigen Minuten ein.

Arzneimittel

Die Anwendung der verschiedenen Analgetika erfolgt nach dem dreistufigen WHO-Stufenschema, die aktuelle S3-Leitlinie verzichtet auf Stufe 2 und nennt Nichtopioide und Opioide. Bei allen Stufe-1-Analgetika (Novaminsulfon, NSAR und Paracetamol) sind die entsprechenden Nebenwirkungen und Kontraindikationen zu berücksichtigen.

Novaminsulfon soll in der maximalen Tagesdosis (4 x 1 g) appliziert werden. Falls der Geschmack der Tropfen auch mit Hilfsmitteln (schwarzer Tee oder Obstsäfte) die Einnahme für den Patienten erschwert, ist mit Hinweis auf die Menge der Tabletten pro Tag: 4 x 2 (!) auf diese umzustellen. Bei Schluckunfähigkeit bietet sich die rektale Applikation mit 1 g Suppositorien an. Erfahrungsgemäß ist die Akzeptanz der rektalen Applikationsform sowohl bei Patienten als auch Angehörigen/Pflegepersonal gering und nur als Notbehelf einsetzbar. Eine parenterale Gabe ist ausschließlich langsam intravenös möglich, am besten als Kurzinfusion in Volumina von 100 bis 250 ml, die der möglichen Hypotonie unter Novaminsulfon entgegenwirken. Die in unseren Breiten sehr selten auftretenden Blutbildveränderungen (führend Leukopenie) sind durch entsprechende Kontrollen auszuschließen. Bei Leukopenie ist sofortiges Absetzen geboten. Ein Vorteil von Novaminsulfon ist neben der analgetischen die spasmolytische Wirkung, die es für den Einsatz von spastischen Bauchschmerzen prädestiniert. Ein weiterer Vorteil ist die antipyretische Wirkung in der finalen Palliativsituation, wenn ein Infekt nicht mehr durch Antibiotika behandelt werden soll. Eine sehr gute Wirksamkeit zeichnet Novaminsulfon bei pleuritischen Schmerzen aus (meist opioidrefraktär).

NSAR (Ibuprofen oder Diclofenac) sind die Domäne der knöchernen oder entzündlich verursachten Schmerzen. Die Tagesmaximaldosen sind zu beachten (Ibuprofen 3 x 800 mg, Diclofenac 2 x 75 mg pro Tag). Das ulzerogene Risiko kann mit Säureblockern verringert werden. Ein Magengeschwür in der Anamnese verbietet den Einsatz, ebenso eine fortgeschrittene Nieren- oder Herzinsuffizienz. Die Applikation erfolgt ausschließlich oral (inkl. enteral via PEG als Saft/Sirup) oder als Suppositorium mit den gleichen Einschränkungen der Akzeptanz wie bei Novaminsulfon. Die (orthopädisch beliebte) parenterale intramuskuläre Applikation ist ungeeignet als Dauermedikation.

Paracetamol ist die analgetisch schwächer wirksame Alternative zu Novaminsulfon, die Tagesmaximaldosis beträgt 6 g, üblich sind 4 x 1 g oral (Tabletten, Saft). Eine parenterale Applikation (Perfalgan®) soll intravenös sehr schnell erfolgen („im Schuss“), sonst verringert der hepatische Abbau die Analgesie. Die Wirksamkeit ist nur analgetisch und antipyretisch, die antiphlogistische Wirkung der NSAR und die spasmolytische Wirkung von Novaminsulfon fehlen. Ein fortgeschrittener Leberparenchymschaden ist eine Kontraindikation für den Einsatz.

Tilidin/Naloxon (Valoron® und Generika) und Tramadol werden in der WHO-Schema als „Stufe 2“ bezeichnet: schwach wirksame Opioide. Zur Verordnung der Retardpräparate wird kein BtM-Rezept benötigt. Wegen des Missbrauchspotenzials fällt die nicht retardierte Form von Tilidin/Naloxon (Tropfen) seit dem 1. Januar 2013 unter die BtmVV. Laut Leitlinie sind Tilidin/Naloxon und Tramadol für den Einsatz bei „mittleren“ Tumorschmerzen vorgesehen. Auf Grund ihrer Nebenwirkungen (Übelkeit, Obstipation, zentralnervöse Nebenwirkungen) und fehlender Möglichkeit der Dosissteigerung (Tagesdosis max. 400 mg bei Tramadol, 600 mg bei Tilidin/Naloxon) sind sie für die Tumorschmerztherapie weniger geeignet. Bei progredienter Grunderkrankung ist mit einer Zunahme der Symptomlast zu rechnen und damit eine Dosisanpassung fällig. Die Stufe 2 darf übersprungen werden. Codein hat seine Indikation in der antitussiven Wirkung. Es hat auf Grund der schwachen analgetischen Wirkung und Variabilität im Stoffwechsel keine Indikation bei der Schmerztherapie.

Morphin, Oxycodon, Hydromorphin, Fentanyl, Buprenorphin und Levomethadon sind die in Deutschland gebräuchlichsten stark wirksamen Opioide der Stufe 3 und werden über BtM-Rezept verordnet. Grundsätzlich gibt es für jedes dieser Opioide keine Obergrenze in der Dosierung (Ausnahme: Buprenorphin). Daher sind sie für den Einsatz bei schweren Tumorschmerzen sowohl allein als auch in Kombination mit Stufe-1-Analgetika bestens geeignet.

Bezüglich der analgetischen Wirkung konnte bei äquipotenter Dosierung zwischen den gebräuchlichsten Opioiden – Morphin, Oxycodon und Hydromorphin – kein Unterschied festgestellt werden. Das mögliche Nebenwirkungsspektrum und die Art der Applikation sollen den unterschiedlichen Einsatz begründen. Bei Organinsuffizienz (Leber und/oder Niere) sind Hydromorphin oder Fentanyl zu bevorzugen, bei Morphin kumulieren aktive Metabolite im Liquor.

Der Start einer Opiodtherapie Stufe 3 beginnt mit der kleinsten Dosiseinheit. Sie kann aus nicht retardierter oder aus der Kombination eines Retardpräparates und einer nicht retardierten Darreichungsform bestehen. Zu empfehlen ist diese Kombination wegen der Wirkspiegel und erhöhter Compliance (weniger Applikationen). Werden nur Retardpräparate verordnet, dauert es 24 bis 48 Stunden, bis der endgültige Wirkspiegel erreicht ist. Mit der nicht retardierten Form kann der Patient selbstständig das Defizit in der analgetischen Wirkung ausgleichen. Die Einzeldosis dieser Präparation soll 1/6 der Tagesdosis sein. Ist nach 48 Stunden immer noch eine regelmäßige Einnahme der nicht retardierten Form notwendig, ist die Dosis der Retardform entsprechend der addierten Menge der nicht retardierten Form zu erhöhen (Patient soll die Anzahl der eingenommenen Dosen dokumentieren). Als ein klassisches Beispiel seien MST® (T=Tablette) retard in verschiedenen Wirkstärken (von 10 bis 200 mg aufwärts, Einnahme alle zwölf Stunden) in Kombination mit Morphinlösung 2 % (0,5 ml = 10 mg) genannt. Mit einem Wirkungseintritt der Tropfen ist nach 30 Minuten zu rechnen. Ist bei schwersten Schmerzzuständen eine sofortige Linderung erforderlich, soll Morphin (MSI® – I = Injekt) s.c. gegeben werden. Mit einer deutlichen Schmerzerleichterung ist nach 10 Minuten zu rechnen. Die rascheste Schmerzlinderung ist mit einer kontinuierlichen intravenösen (alternativ kontinuierlich s.c.) Therapie zu erzielen – eine regelmäßige Dosisanpassung vorausgesetzt. Dieses Vorgehen ist auf Palliativstationen üblich. Im ambulanten Bereich kann dies durch ein Palliativteam (24-Stunden/sieben Tage die Woche kontaktierbar) bewerkstelligt werden. Bei der Umrechnung von oral auf parenteral wird mit dem Faktor 2:1 (s.c.) bis 3:1 (i.v.) gerechnet (i.v. dreifach wirksamer als oral).

Oxycodon hat die 1,5-fache bis zweifache Wirksamkeit von Morphin. Die Retardtabletten sollen zwölf Stunden Wirksamkeit haben. Eine nicht retardierte Lösung ist verfügbar. Die fixe Kombination Oxycodon/Naloxon wird beworben mit verringerter Obstipation. Die Kombination verhindert eine Dosissteigerung über 160 mg Oxycodon/Tag. Der Bedarf an Laxantien ist unserer Erfahrung nach nur unwesentlich verringert. Der Abbau erfolgt hepatisch, auf die Interaktion mit Betablockern (hemmen den Abbau) ist zu achten.

Hydromorphon ist fünf- bis achtmal wirksamer als Morphin. Es ist in Retardtabletten ab 4 mg aufwärts bis 24 mg verfügbar, nicht retardiert in 1,3 und 2,6 mg Tabletten, parenteral von 2 bis 100 mg Ampullen. Der Vorteil bei Hydromorphin ist die bessere Einsatzmöglichkeit bei Leber- und Niereninsuffizienz. Die große Spannweite der Dosierungen sei als Hinweis zu verstehen auf die große therapeutische Breite der Opioide.

Levomethadon ist ca. zwei- bis viermal potenter als Morphin. Es ist in Tropfenform verfügbar, die Dosis wird langsam über Tage gesteigert. Es hat Vorteile bei neuropathischen Schmerzen. Wegen seiner speziellen Pharmakologie (Fast- and Slow-Metaboliser) soll es nur durch erfahrene Schmerztherapeuten eingesetzt werden.

Die Matrixpflaster mit Buprenorphin oder Fentanyl haben ihre Domäne bei stabilem Schmerzverlauf, bei Schluckunfähigkeit, gastrointestinaler Malabsorbtion oder „Vergesslichkeit“ der Patienten durch Reduktion der Tablettenzahl. Die Umrechnung für Fentanyl zu Morphin beträgt 1:100 (Fentanyl transdermal zu Morphin oral – siehe auch Packungsbeilage Fentanylpflaster (2)).1

Fentanyl wird von 12 μg/h bis 150 μg/h als Drei-Tage-Pflaster rezeptiert, Steigerungen sind sinnvoll bis 300 μg/h. Der Nachteil liegt in dem extrem langsamen An- und Abfluten des Wirkspiegels: Bei Ersteinstellung oder Dosisänderung ist der Wirkspiegel frühestens nach 24 Stunden erreicht. Bei Umstellung von oral auf Pflaster soll daher die bisherige Opioidgabe in den ersten 12 Stunden unverändert fortgesetzt werden. Falls die Patienten am 3. Applikationstag vermehrt über Schmerzen klagen als Indiz für eine verringerte Abgabe aus der Matrix, ist das Intervall auf 48 Stunden zu verkürzen, der Pflasterhersteller zu wechseln (verschiedene Beladung der Matrixsysteme mit Fentanyl) oder die Pflasterdosis generell zu erhöhen. Bei dem Aufkleben ist auf intakte, möglichst faltenfreie Haut (oberer Rücken- oder Brustbereich) zu achten. Die Ränder des Pflasters müssen umlaufend fest angedrückt werden. Teilweise abgelöste Pflaster (verringerte Kontaktfläche) sind gänzlich zu erneuern. Kachexie oder Wärme (Fieber, Wärmflasche, Saunagang) erhöhen die Resorption, dabei ist mit vermehrten Nebenwirkungen zu rechnen. Wegen der stabileren Freisetzung und Gefahr der Überdosierung bei Pflasterverletzung sollen nur noch Matrixpflaster und keine Reservoirpflaster verordnet werden. Als kurzwirksame Bedarfsmedikation stehen bukkal anzuwendende Tabletten (Abstral® oder Effentora® 100 bis 800 μg, Actiq® bis 1600 μg) oder Nasensprays in verschiedenen Formen (Pecfent® oder Instanyl®) zur Verfügung. Der hohe Preis limitiert ihren Einsatz: die Einzeldosis kostet um 10 €. Da Fentanyl keinem Patentschutz unterliegt, haben sich als Individualrezeptur hergestellte Nasensprays (von 25 bis 400 μg/Hub) etabliert, die von ausgewählten Apotheken mit entsprechender Ausrüstung hergestellt werden. Die Dosierung des Sprays richtet sich nach dem Pflaster: die Zwei- bis Vier-Stunden-Dosis. Beispiel: ein Pflaster mit 50 μg/h erfordert ein Nasenspray mit 100 μg/Hub. Häufig wird vergessen, bei Steigerung der Pflasterdosis die Dosis des Nasensprays entsprechend zu erhöhen.

Buprenorphin (Transtec® und Generika) steht für die Therapie von Tumorschmerzen in Pflasterstärken von 35 und 70 μg/h alle vier Tage zur Verfügung. Der Umrechnungsfaktor zu Morphin beträgt 1:75 bezogen auf die Tagesdosis. Im Unterschied zu den anderen Opioiden ist es ein partieller μ-Rezeptorantagonist: In geringeren Dosen wirkt es analgetisch, in höheren Dosen mehr antagonistisch am Rezeptor (Ceiling-Effekt). Eine Dosierung mit mehr als 140 μg/h ist daher obsolet. Als Bedarfsmedikament stehen nicht retardierte Sublingualtabletten (Temgesic® 0,2 und 0,4 mg) zur Verfügung. Die niedrig dosierten Sieben-Tage-Pflaster von Buprenorphin haben bei Tumorschmerzen keine Indikation.

Tapentadol (Palexia®) ist zugelassen für die Behandlung chronischer schwerer Schmerzen. Studien zur Tumorschmerztherapie liegen bisher nicht vor. Laut Leitlinie gibt es keine Empfehlung zum Einsatz in der Tumorschmerztherapie. Ebenso wird auf den Einsatz der verschiedenen Cannabispräparate hier nicht eingegangen (vgl. Artikel in AVP 1/2018 (3)).2

Durchbruchschmerzen

Bei Durchbruchschmerzen hat sich neben der parenteralen Gabe eines Opioids der Stufe 3 (zum Beispiel als Bolusgabe bei laufender Morphinmedikation durch eine Pumpe oder als s.c. Applikation) Fentanyl als Nasenspray in angepasster Dosis seit über zehn Jahren sehr bewährt. Die Berechnung der Dosis des Bedarfes richtet sich nach der Dauertherapie des Fentanyl-Pflasters: Wir empfehlen die zwei- bis vierfache Stundendosis des aufgeklebten Pflasters als Spraydosis, um eine ausreichende Erhöhung des Wirkspiegels zu erzielen. Beispiel: Ein 25 μg/h Fentanylpflaster erfordert einen 50 μg/Hub Nasenspray, bei unzureichender Wirkung Wiederholung dieser Dosis in die gegenseitige Nasenöffnung nach zehn Minuten. Eine Schulung des Patienten über die richtige Anwendung (Flasche senkrecht halten und nicht waagerecht, Pumpenstempel vollständig herunterdrücken) mit Demonstration ist erforderlich. Viele ambulante Palliativteams verordnen das Nasenspray aus Kostengründen als Individualrezeptur statt als Fertigarzneimittel (Pecfent®, Instanyl®), da die Kosten hierfür bei einem Bruchteil der industriell konfektionierten Präparate liegen. Insbesondere bei Individualrezepturen, aber auch bei den Fertigarzneimitteln, ist große Vorsicht wegen Verwechslungsgefahr mit anderen Nasensprays geboten.3

Nebenwirkungen der Opioidtherapie

Die häufigsten Nebenwirkungen der Opioide sind Übelkeit (passager in den ersten Tagen der Einnahme), Obstipation (anhaltend während der gesamten Einnahmedauer), Müdigkeit, seltener Harnverhalt bei Männern (multifaktoriell: körperliche Schwäche, Unmöglichkeit der Miktion im Stehen) und Verwirrtheit. Die gefürchtete Atemdepression spielt deutlich seltener eine Rolle. Eine Ausnahme sind Endzustände einer fortgeschrittenen COPD mit CO2-Retention oder neurodegenerative Erkrankungen (ALS) mit reduziertem Atemantrieb. Hier kann das eingesetzte Opioid eine CO2-Narkose mit dramatischen Folgen auslösen – insbesondere die transdermalen Systeme: Das Opioid wird auch bei anhaltender Bewusstlosigkeit weiter resorbiert. Die Indikation von Opioiden bei derartigen Krankheitszuständen ist streng zu stellen bzw. es sind kleinsten Dosierungen anzusetzen mit häufigen Kontrollen.

Der Einsatz der Opioide erfordert eine adjuvante Medikation zur Behandlung der Nebenwirkung: Bei Übelkeit haben sich niedrig dosiert Haloperidol (3 x 5 Tropfen, alternativ Metoclopramid bis 3 x 10 mg) vor der Nahrungsaufnahme in den ersten Tagen bewährt. Bei Obstipation müssen Laxanzien wie Macrogol mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden, ergänzend/alternativ können Bisacodyl-Tropfen eingesetzt werden. Lactulose-Sirup ist zwar preiswerter in der Verordnung, verursacht aber häufig Blähungen. Bei mehrtägiger Obstipation sind rektale Systeme (Suppositorien, Klysmen, Einläufe) zusätzlich notwendig. Als Ultimo ratio steht der periphere Opioidrezeptorantagonist Naltrexon (Relistor®) parenteral zur Verfügung. Die Kontraindikationen von Naltrexon (Peritonealkarzinose, Divertikulose wegen möglicher Perforation) sind zu beachten. Bei Opioidmedikation ist die Verordnung von Laxanzien eine Kassenleistung (ein entsprechender Vermerk auf dem Rezept ist empfehlenswert). Eine Kombination von Laxantien mit verschiedenen Wirkprinzipien ist sinnvoller als die Maximaldosis einer Einzelsubstanz.

Differenzialdiagnostisch muss bei abdominellem Krebsbefall eine mechanische Darmobstruktion mitbedacht bzw. ausgeschlossen werden. Bei mechanischem Ileus sind Laxanzien kontraindiziert und alternative Therapien einzuleiten. Dies betrifft auch die Analgetikamedikation, die umgehend von oral (unsichere bzw. fehlende Resorption) auf parenteral umgestellt werden muss (allenfalls noch Suppositorien möglich).

ZNS-Nebenwirkungen durch Opioideinnahme reichen von leichter Benommenheit bis zu massiver Sedierung. Bei schweren Nebenwirkungen wie Halluzination und Delir ist die Opioidgabe umgehend zu pausieren. Nach Abklingen der Symptome kann nach einem Opioidwechsel ein erneuter Therapieversuch in reduzierter Dosis unternommen werden.

In den S3-Leitlinien Palliativmedizin (1) wird zur Therapie der Benommenheit Methylphenidat (Ritalin®) als Off-Label-Use genannt mit sehr enger therapeutischer Breite. In der fortgeschrittenen Palliativsituation hat diese Therapie meiner Ansicht nach keine Indikation, da eine Sedierung hierbei eher von Vorteil ist.

Wegen der ZNS-Nebenwirkungen ist der Patient auf seine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit (bei stabiler Opioidmedikation) bzw. Fahruntüchtigkeit bei wechselnder Opioidmedikation (Einsatz der Bedarfsmedikamente) hinzuweisen und dies ist in den Unterlagen zu dokumentieren.

Die bei hoher Dosierung häufiger auftretenden Myoklonien unter Morphin lassen sich durch einen Wechsel des Opioids auf Hydromorphin oder Fentanyl zumindest reduzieren.

Wenn trotz unzureichender Analgesie die Nebenwirkungen des eingesetzten Opioids eine Do-sissteigerung verbieten, empfiehlt sich der Wechsel von einem Opioid der Stufe 3 auf ein an-deres. Umrechnungstabellen erleichtern den Wechsel (vgl. (4)). Die Dosis des neuen Opioids soll verringert sein, wenn die Nebenwirkung Grund des Wechsels ist (Tabelle 1). Die Dosis kann äquivalent sein, wenn wegen ungenügender Wirkung gewechselt wird.

Tabelle 1: Morphinäquivalenzdosen (4)


Sollte auch die kontinuierliche parenterale Opioidgabe (Morphin oder Hydromorphon) nicht zu einer ausreichenden Schmerzkontrolle führen oder zu starke Nebenwirkungen verursachen, kann die Morphin-Applikation mittels Peridural- oder Spinalkatheter in Kombination mit Clonidin (Off-Label-Use) und einem Lokalanästhetikum erfolgen. Dies erfordert die entsprechende fachliche Expertise und ein stationäres Setting. Der Vorteil ist die Verringerung der Opioiddosis um den Faktor 100. Auf die lokale Schmerztherapie mittels Blockade (Plexus oder Truncus coeliacus) wird hier nicht weiter eingegangen. Eine Alternative in der Finalsituation des Krankheitsverlaufes ist die sogenannte palliative Sedierung: Mittels kontinuierlicher Midazolam- oder Propofol-Gabe wird unter Fortführung der Analgetikatherapie das Bewusstsein soweit gedämpft, dass der Zustand vom Patienten als subjektiv erträglich eingestuft wird. Auf die sehr differenzierte Indikation kann aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden. Sie ist eine vom Patienten akzeptierte Alternative zum gelegentlich vom ihm gewünschten assistierten Suizid.4

Alle Opioide können bei prädisponierten Patienten zu psychischer Abhängigkeit führen mit der Neigung der häufigen Einnahme und Dosissteigerung. Besonders die rasch anflutenden Präparate (Fentanyl nasal appliziert; Oxycodon, z. B. das früher bekannte Eukodal®) haben eine euphorisierende Begleitwirkung. Bei einer Pumpentherapie wird die für den Patienten komfortable Bolusgabe mit einer Sperrzeit (mindestens 20 Minuten, in der Regel eine Stunde) blockiert. Die in Deutschland restriktive Verordnung durch die BtMVV ist ein gewisser Schutz vor unkontrollierter Dosissteigerung. Bei längerer Einnahme von höheren Dosen entsteht bei allen Patienten eine körperliche Abhängigkeit. Ein abruptes Absetzen insbesondere hoher Dosen muss daher vermieden werden, andernfalls ist mit Entzugssymptomen (Herzrasen, Schwitzen, Dysphorie) zu rechnen. Die gefürchtete psychische Abhängigkeit stellt in der fortgeschrittenen Palliativsituation kein eigentliches Problem dar, da der Krankheits- (bzw. Lebens-)lauf limitiert ist, der Nutzen durch die ausreichende Analgesie (=Lebensqualität) überwiegt diesen Nachteil bei Weitem.

Adjuvante Medikamente

Bei starken neuropathischen Schmerzen (Charakter elektrisierend, einschießend, verbunden mit Taubheitsgefühl bei Belastung) helfen Antikonvulsiva wie Gabapentin (Start mit 300 mg/Tag, max. 3600 mg/Tag verteilt über Einzeldosen) oder Pregabalin (Start 25 bis 75 mg zur Nacht, max. 600 mg/Tag verteilt auf mehrere Gaben), den Schmerz zu reduzieren. Weil die Medikamente Müdigkeit als Nebenwirkung haben, kann die erste Dosis vorzugsweise abends eingenommen werden. Dosissteigerungen haben langsam über Tage zu erfolgen, in der Regel wird nicht die Maximaldosis benötigt. Die niedrigste wirksame (oder tolerierte) Dosis ist die Erhaltungsdosis. Ein abruptes Absetzen nach längerer Einnahme ist zu vermeiden wegen Entzugssymptomen bzw. Entzugskrämpfen. Pregabalin wirkt auch bei generalisierter Angststörung stimmungsstabilisierend. Bei nächtlichen brennenden Ruheschmerzen helfen Antidepressiva vom Typ Amitriptylin, Beginn mit 25 bis 50 mg. Maximal werden im Palliativbereich 75 mg gegeben. Bei den häufig älteren und komorbiden Patienten sind die Kontraindikationen (kardial, hepatisch, Harnretention) zu beachten. Eine Alternative ist die Gabe von Levomethadon (siehe oben).5

Bis zu einem Drittel der Tumorpatienten leidet unter einer behandlungsbedürftigen Depression. Diese muss neben der Schmerztherapie mitbedacht werden, andernfalls führt die alleinige Schmerztherapie nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Wenn Schlafstörungen und Appetitmangel als häufige Begleiterscheinung zusätzlich vorliegen, empfiehlt sich die Verordnung von Mirtazapin. Die Aufklärung über den Einsatz dieses Medikamentes soll auch über die „erwünschten“ Nebenwirkungen erfolgen. Werden Appetitsteigerung, guter Schlaf sowie Stimmungsverbesserung genannt, erhöht sich die Akzeptanz durch die Palliativpatienten. Einstiegsdosis sind 15 mg zur Nacht (bei Untergewicht und höherem Alter auch 7,5 mg). Mit dem Einsetzen der antidepressiven Wirkung ist frühestens nach einer Woche zu rechnen. Liegt eine Antriebsschwäche vor, kann ein Therapieversuch mit Citalopram 10 mg morgens begonnen werden. Bei allen Antidepressiva sind die Kontraindikationen zu beachten. Bei lebensmüden Patienten soll zusätzlich nach Suizidgedanken gefragt werden, um rechtzeitig intervenieren zu können.

Bei vielen Patienten bestehen schmerzbedingte Schlafstörungen. Benzodiazepine vom Typ Lorazepam (0,5 bis 2 mg) sind eine wirksame Ergänzung zur abendlichen Analgetika-Einnahme (Tavor® 1,0 exp (aut idem) bei Einschlaf-, Lorazepam 1,0 bei Durchschlafstörungen). Das Gewöhnungs- und Suchtpotenzial ist abzuwägen gegen die Verbesserung der Qualität der verbleibenden Lebensspanne.

Bei ausgeprägten viszeralen spastischen Schmerzen kann Butylscopolamin (Buscopan®) parenteral kontinuierlich oder als Kurzinfusion appliziert werden. Die orale Gabe ist wegen mangelnder Resorption so gut wie unwirksam. Die anticholinerge Nebenwirkung mit der Verringerung der Sekretion (Mund und Bronchien) wird in der Sterbephase zur Verringerung des ausgeprägten Trachealrasselns genutzt. Auf Nebenwirkung bezüglich erhöhtem Augeninnendruck ist zu achten.

Bei Knochenschmerzen ist bei ausgeprägtem Knochenödem um die Metastasen Dexamethason als abschwellendes Medikament wirksam (Vorsicht bei Kombination mit NSAR: ulzerogenes Risiko vervielfacht!).

Bei zu erwartender mehrmonatiger Schmerztherapie der Knochenmetastasen ist neben einer Kausaltherapie (OP und/oder Bestrahlung) der Einsatz der sogenannten Bisphosphonate auch als Co-Analgetika zu erwägen. Neben den intravenös zu applizierenden Bisphosphonaten Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat steht der s.c. zu applizierende humane monoklonale IgG2-Antikörper Denosumab (Xgeva®) gegen den RANK-Ligand zur Verfügung. Vor Beginn ist zahnärztlich ein entzündlicher Fokus im Gebissbereich auszuschließen (Cave: Kieferosteonekrose). Die parenterale Gabe der Bisphosphonate alle drei bis vier Wochen ist der oralen Gabe wegen der Umständlichkeit der Einnahme und der geringen Resorptionsquote zu bevorzugen. Vor der Gabe sollte der Kalziumspiegel kontrolliert und Kalzium und Vitamin D substituiert werden.

Dexamethason ist als Co-Analgetikum bei Leberkapselspannungsschmerz hochwirksam. Neben den vielen bekannten unerwünschten Nebenwirkungen besitzt Dexamethason das in der Palliativmedizin häufig erwünschte Potenzial der Appetitsteigerung, Antriebssteigerung und Stimmungsverbesserung. Auf gegenteilige psychische Nebenwirkungen (Schlafstörungen, Alpträume, Wahnvorstellungen) ist zu achten. Die morgendliche Einmalgabe der gesamten Tagesdosis ist wegen der langen Wirkdauer ausreichend.

Ethische Aspekte der Palliativbehandlung

Eine abschließende ethische Reflexion zur Überlegung von erwünschter Wirkung und möglicher Nebenwirkung ist unter (5) nachzulesen.

Eine elementare ärztliche/pflegerische Aufgabe ist die Begleitung des Sterbenden: lindernde Betreuung der Symptome, Eingehen auf emotionale Not, Gewähren von menschlicher Nähe, Zeit für (non-)verbale Kommunikation. Rechtlich ist der Arzt zur Hilfe im Sterben verpflichtet, auch wenn auf lebenserhaltende Maßnahmen verzichtet wurde. Eine unterlassene Schmerztherapie kann als unterlassene Hilfeleistung gewertet werden.

Eine Behandlungsbegrenzung (=Sterbenlassen – früher „passive Sterbehilfe“) liegt vor, wenn eine lebenserhaltende Behandlung wegen nicht mehr bestehender medizinischer Indikation nicht begonnen oder eine laufende nicht fortgesetzt oder aktiv beendet wird. Durch Therapiezieländerung tritt die Palliation in den Vordergrund. Sie bedarf einer ausführlichen Absprache mit Mitbehandelnden, Angehörigen und dem Patienten. Eine effektive Symptomkontrolle im Sterbeprozess kann als unbeabsichtigte (!) Nebenwirkung eine Lebensverkürzung zur Folge haben (früher „indirekte Sterbehilfe“). Sie ist straflos, wenn sie medizinisch indiziert ist, ein entsprechender Patientenwille und keine Tötungsabsicht vorliegent.

Fazit für die Praxis

Schmerzen bei Tumorpatienten in der Palliativsituation effektiv zu behandeln, setzt neben Kenntnissen der Pharmakologie der eingesetzten Arzneimittel und möglichst wenig invasiver Abklärung der Ursachen des Schmerzes auch das einfühlsame Eingehen auf Wünsche und Sorgen der Patienten und deren Angehörigen voraus.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Fußnoten – Weiterführende Informationen

1 Informationen zur Umrechnung und zur Opioidrotation finden Sie unter: www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201801/033h/index.php

2 Weitere Informationen zu Tapentadol: www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/WA/Archiv/Tapentadol.pdf

Weitere Informationen zu Cannabisarzneimitteln: www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/WA/Archiv-Fertigarzneimittel/Cannabis.pdf

3 Ausführliches Schulungsmaterial zum Umgang mit Fentanyl-Nasensprays ist für Patienten und Ärzte verfügbar unter: www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Risikoinformationen/Schulungsmaterial/Wirkstoff/_functions/F_node.html

4 Informationen zum Umgang mit Off-Label-Use in der Palliativmedizin finden Sie unter: www.dgpalliativmedizin.de/dgp-aktuell/zum-umgang-mit-off-label-use-in-der-palliativmedizin-muenchner-kompetenzzentrum-palliativpharmazie-veroeffentlicht-gemeinsam-mit-der-dgp-zweite-auflage.html

5 Informationen zum Abhängigkeitspotenzial von Pregabalin finden Sie unter: www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/vorab/20200217-Pregabalin.pdf

Literatur
  1. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung, www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/palliativmedizin/ (letzter Zugriff 7. Dezember 2019). AWMF-Registernummer: 128/001OL, Langversion 2.0, 2019.
  2. Ratiopharm GmbH: Fachinformation „Fentanyl-ratiopharm® 12 / 25 / 50 / 75 / 100 Mikrogramm/h Matrixpflaster“. Stand: 2016.
  3. Häuser W: Medizinalhanf in der Inneren Medizin, Schmerzmedizin und Palliativmedizin. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2018; 45: 23-28.
  4. Schnabel A, Rittner HL: Opioidrotation in der Praxis – was, warum und wie? Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2018; 45: 33-37.
  5. Verrel, T, Schmidt, KW: Überblick zu den Fallgruppen der Sterbebegleitung und Sterbehilfe. Hessisches Ärzteblatt 2012; 73: 501.

vorab online

Dieser Artikel wurde am 3. August 2020 vorab online veröffentlicht.