Ondansetron und die Krux der Risikokommunikation zu Arzneimitteln bei Schwangeren

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2020

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Zusammenfassung

In einer 2018 veröffentlichten Studie wurde Ondansetron ein teratogenes Risiko, speziell für orale Spaltbildungen, zugeordnet. Eine von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) initiierte und in Deutschland per Rote-Hand-Brief kommunizierte Warnung vor Anwendung in der Schwangerschaft gibt Anlass, Kausalitätsbewertungen auf der Basis statistisch signifikanter Studienergebnisse sorgfältig zu überdenken. Insbesondere wenn relative Risiken von unter 2 errechnet wurden, sollten diese Studienergebnisse von anderen Autorengruppen reproduziert worden sein. Außerdem muss der teratogene Schaden „biologisch plausibel“ sein und tierexperimentelle Daten sollten vergleichbare Hinweise ergeben haben. Produktinformationen zum Risiko eines Arzneimittels müssen so formuliert werden, dass eine vergleichende Risikobewertung zwischen infrage kommenden Therapieoptionen ermöglicht wird und unnötige Ängste mit resultierendem Compliance-Verlust oder irrationalen Entscheidungen bis zum Schwangerschaftsabbruch vermieden werden. Im Falle des Ondansetron ist die wissenschaftliche Datenlage widersprüchlich. Ein teratogenes Risiko speziell für orale Spaltbildungen erscheint bei kritischer Betrachtung der Studie, die der europaweit ausgesprochenen Warnung zugrunde liegt, keineswegs bestätigt. Ondansetron kann daher weiterhin „off label“ als Mittel der Reserve bei Versagen der für die Schwangerschaftsübelkeit etablierten Antiemetika der Wahl, wie Doxylamin oder Meclozin, angesehen werden.

Am Beispiel der aktuellen Vorgänge um Ondansetron können verschiedene Aspekte des Umgangs mit Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in der Schwangerschaft näher betrachtet werden. Dies betrifft vor allem die Kausalitätsbewertung statistisch signifikanter Ergebnisse durch die Autoren einer Studie, die (fach)öffentliche Wahrnehmung vermeintlich endgültiger Ergebnisse einer kürzlich publizierten Studie (1) und die Abwägung regulatorischer Konsequenzen.

Antiemetika in der Schwangerschaft

Seit 2003 hat sich Ondansetron in den USA als meistverordnetes Antiemetikum bei NVP (Nausea and Vomiting in Pregnancy) durchgesetzt. 2016 haben es 22 % aller Schwangeren in den USA angewendet, obwohl es auch dort nicht für diese Indikation zugelassen war bzw. ist (2). Damit gerieten die für NVP zugelassenen (Kombinations-)Präparate mit Doxylamin und Pyridoxin in den Hintergrund. Ob dieser „epidemische“ Ondansetrongebrauch eine Rationale hat, soll hier nicht weiter erörtert werden. Ein Kombinationspräparat mit Doxylamin und Pyridoxin (Cariban®) wurde 2019 in Deutschland für die Behandlung Schwangerer zugelassen, nachdem seit 2007 mit der Marktrücknahme von Meclozin (Postadoxin®) kein Arzneimittel mehr mit dieser Zulassung verfügbar war. Ersatzweise wurde Meclozin über Auslandsapotheken bezogen oder man nutzte „off-label“ andere H1-Rezeptorantagonisten wie Diphenhydramin, Dimenhydrinat oder den Dopamin-D2-Rezeptorantagonisten Metoclopramid. Das ebenfalls als H1-Rezeptorantagonist wirkende Phenothiazin Promethazin kann mit seinem distanzierenden Effekt bei stärker ausgeprägter Schwangerschaftsübelkeit hilfreich sein. Auch das Antidepressivum Mirtazapin wirkt H1-antagonistisch und wurde bei Versagen der oben genannten „klassischen“ H1-Rezeptorantagonisten erfolgreich eingesetzt. Bei leicht ausgeprägter Symptomatik stellen Verhaltensmodifikationen und Ingwerpräparate eine Alternative dar.

Alle H1-Rezeptorantagonisten, also auch Meclozin, Doxylamin, Diphenhydramin und Dimenhydrinat, sind durch eine sedierende Komponente gekennzeichnet, ebenso durch anticholinerge Nebenwirkungen. Anfängliche Verdachtsmomente hinsichtlich teratogener Effekte beim Menschen konnten nicht bestätigt werden, die umfangreichsten Erfahrungen zur Sicherheit liegen zu Meclozin vor (3). Die Dimenhydrinat und Diphenhydramin zugeordnete wehenfördernde Wirkung in der Spätschwangerschaft wurde erstmals von Shephard et al. 1976 (4) explizit als Wehenfrequenzzunahme unter der Geburt thematisiert, erscheint aber aufgrund der vorwiegend im 1. und 2. Trimenon gegebenen Behandlungsindikation einer NVP im klinischen Alltag nicht besonders relevant.

Ondansetron als 5-HT(Hydroxytryptamin)3-Rezeptorantagonist hat den Vorteil, weder sedierend noch anticholinerg zu wirken und eine höhere Wirksamkeit zu besitzen als H1-Rezeptorantagonisten. Dafür sind andere Nebenwirkungen bekannt, wie z. B. Kopfschmerzen, Flush und Obstipation.

Ondansetron – ein Teratogen?

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA empfahl im Oktober 2019 folgende Änderungen in den Produktinformationen, über die in Deutschland mit einem Rote-Hand-Brief informiert wurde: „Ondansetron sollte nicht im 1. Trimenon der Schwangerschaft angewendet werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten eine Schwangerschaftsverhütung in Erwägung ziehen“. Diese Warnungen beruhen im Wesentlichen auf einer einzigen Studie (1). Die Autoren dieser Studie schlussfolgern aus ihrer Auswertung von Medicaid-Versichertendaten in den USA eine Assoziation zwischen der Anwendung von Ondansetron im 1. Trimenon und dem Auftreten von angeborenen oralen Spaltbildungen („a small increased risk of oral clefts“; high dimensional propensity score stratified RR 1,25; 95 % CI 1,04–1,50) bei entsprechend nicht erhöhter Gesamtfehlbildungsrate RR 1,01; 95 % CI 0,98–1,05.

Bei genauerer Betrachtung dieser Veröffentlichung, insbesondere der Tabellen im elektronischen Supplement (https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2718793), wird – ebenfalls nach o. g. Adjustierung – eine (keineswegs beeindruckende) statistische Signifikanz lediglich bei isolierten Gaumenspalten errechnet (RR 1,31; 95 % CI 1,02–1,69), nicht aber bei Lippenspalten mit (RR 1,00; 95 % CI 0,75–1,34) oder ohne (RR 1,05; 95 % CI 0,74–1,49) Gaumenbeteiligung.

Die Gesamtrate der orofazialen Fehlbildungen war erhöht im Vergleich zu Schwangeren, die nicht Ondansetron-exponiert waren. Die Autoren leiten aus ihren Ergebnissen ab, dass nach Ondansetron-Exposition im 1. Trimenon drei orale Spaltbildungen auf 10.000 pränatal exponierte Kinder zusätzlich auftreten (14 statt 11/10.000). Wurden hingegen im 1. Trimenon Exponierte (für teratogene Effekte relevanter Zeitraum) verglichen mit Schwangeren, die im 2./3. Trimenon exponiert waren, ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Die Rate der orofazialen Fehlbildungen nach Ondansetron-Exposition im 1. Trimenon war auch signifikant erhöht (RR 1,32; 95 % CI 1,03–1,70) im Vergleich zur Gesamtgruppe aller Schwangeren, die andere etablierte Antiemetika (Metoclopramid, Promethazin, Pyridoxin) im 1. Trimenon angewendet hatten. Bei Gegenüberstellung mit einzelnen dieser anderen Antiemetika war der Unterschied hingegen nicht signifikant (z. B. im Vergleich zu Promethazin RR 0,86; 95 % CI 0,68–1,09).

Kürzlich hat dieselbe Autorengruppe ihre Ergebnisse zu den ausschließlich intravenös (i.v.) mit Ondansetron therapierten Schwangeren publiziert (5). Bei dieser Darreichung kann mit größerer Sicherheit angenommen werden, dass die Exposition tatsächlich stattgefunden hat – im Vergleich zu den Rezepteinlösedaten, die in der Studie von 2018 ausgewertet wurden. Außerdem ist anzunehmen, dass es unter i.v. Verabreichung eher zu höheren Konzentrationen beim Embryo kommt. Dennoch hat diese Studie zur i.v. Gabe keinen signifikanten Zusammenhang mit orofazialen Fehlbildungen nachweisen können (RR 0,95; 95 % CI 0,63–1,43). In dieser Arbeit schlussfolgern die Autoren, im Gegensatz zu ihrer ersten Publikation von 2018, dass Ondansetron kein „major teratogen“ ist. Diese anderslautende Schlussfolgerung wird aber erstaunlicherweise mit ihrer ersten Publikation von 2018 referenziert, deren Schlussfolgerung „a small increased risk of oral clefts“ lautete.

Zusammenfassend ist die Studienlage zum teratogenen Risiko von Ondansetron beim Menschen widersprüchlich (z. B. (6-12)). Eindeutig belegen lässt sich das Risiko von oralen Spaltbildungen beim Menschen bisher nicht und auch im Tierversuch konnte kein teratogenes Risiko nachgewiesen werden. Allerdings erlaubt die aktuelle Datenlage auch nicht, ein teratogenes Risiko mit Sicherheit auszuschließen, was allerdings für praktisch alle Arzneimittel gilt. Aufgrund des breiten Umfangs an Erfahrungen sollte sich ein zusammenfassendes Statement bei Ondansetron darauf beschränken, dass „ein gering erhöhtes Risiko (für Mundspaltbildungen) nicht auszuschließen ist“. Das Resumé von Huybrechts et al. (5), Ondansetron sei kein „major teratogen“ ist unangemessen. Ein solches Statement sollte nur wenig untersuchten Wirkstoffen, bei denen sich bislang keine nennenswerten Risikohinweise ergeben haben, vorbehalten sein.

Kritische Interpretation von Beobachtungsstudien zu Arzneimittelrisiken in der Schwangerschaft1

An der Publikation von Huybrechts et al. (5) wird ein Phänomen deutlich, das häufig zu beobachten ist. Aufgrund ihrer großen Kohorten neigen Autoren von Sekundärdaten-Studien dazu, statistisch signifikante relative Risiken zwischen 1,1 und 1,5 mit der (rechnerisch richtigen) Übersetzung eines um 10–50 % erhöhten Fehlbildungsrisikos als teratogenen Effekt darzustellen. Eine Widerlegung dieser Annahme ist naturgemäß kaum möglich. Nun ist es einerseits natürlich verantwortungsbewusst, einen solchen Verdacht nicht zu verbergen, wenn man meint, ihn entdeckt zu haben. Andererseits fehlt bei vielen dieser Arbeiten eine kritische Erörterung grundlegender methodischer Schwächen. Die Erfassung und Codierung von angeborenen Fehlbildungen, ihre Zuordnung zu sogenannten großen oder kleinen Fehlbildungen sowie ihre Differenzierung nach Organsystemen und innerhalb von Organsystemen ist alles andere als trivial und bis heute gibt es international kein eindeutiges und konsentiertes Einteilungssystem hierzu. Andererseits hat die trennscharfe Identifizierung, Codierung und Zuordnung zu Kategorien enorme Auswirkungen auf das Studienergebnis. Da die Prävalenz von (speziellen) angeborenen Fehlbildungen niedrig ist, können selbst in „Big-data“-Kohorten schon 1 bis 3 (falsch zugeordnete) Fehlbildungen über die Signifikanz eines Studienergebnisses entscheiden. Konkret geht es darum, dass man Fehlbildungen, die sich erheblich hinsichtlich Ausprägung und embryonalem Zeitfenster ihrer Entstehung unterscheiden, „unkritisch“ zusammenfasst und die aufsummierten Häufigkeiten in Studien- und Vergleichskohorte einander gegenüberstellt. Überspitzt ausgedrückt, können als kausal interpretierte statistisch signifikante Unterschiede auf dem Vergleich von „Äpfeln und Birnen“ beruhen. Dazu kommt das Problem, dass in den bei Schwangeren üblichen Beobachtungsstudien trotz aller Bemühungen, für potenzielle Confounder zu adjustieren, diese nicht mit Sicherheit auszuschließen sind. Beispielsweise können Unterschiede im Schweregrad der mütterlichen Erkrankung (Behandlungsindikation) das Studienergebnis beeinflussen. Diese und andere methodische Schwierigkeiten bei der Auswertung von Beobachtungsdaten zu Schwangerschaftsverläufen sollten Anlass für eine kritische Bewertung von auffälligen ebenso wie von unauffälligen Ergebnissen sein. Last, but not least muss bedacht werden, dass insbesondere die großen Versorgungsdatenbanken primär für andere Zwecke angelegt sind und nicht für die Aufdeckung teratogener Effekte. Qualitativ hochwertige Teratogenitätsstudien erfordern aber exakt auf das Gestationsalter projizierbare Medikationsangaben und auf das embryonale Entwicklungszeitfenster rückführbare Fehlbildungsdetails.

Insbesondere wenn relative Risiken von unter 2 errechnet wurden, müssen diese Studienergebnisse von anderen Autorengruppen reproduziert worden sein, ehe ernsthaft Kausalität erörtert wird. Außerdem muss der teratogene Schaden „biologisch plausibel“ sein und tierexperimentelle Daten sollten vergleichbare Hinweise ergeben haben. Entsprechend hat schon vor 25 Jahren einer der führenden klinischen Teratologen Thomas H. Shepard zur Vorsicht bei der Erörterung von Kausalität gemahnt (13). Daher sollten Autoren, Peer Reviewer und auch Rezensenten signifikante Ergebnisse epidemiologischer Arbeiten zur Pränataltoxizität mit großer Vorsicht interpretieren. Dies heißt keineswegs, signifikante Ergebnisse „glattzubügeln“. Aber eben auch nicht, diese „voreilig“ als Hinweis auf Kausalität zu beschreiben. Es ist hinreichend bekannt und kritisch anzumerken, dass „auffällige“ Studienergebnisse nicht nur in hochrangigen Fachzeitschriften eher zur Publikation angenommen werden (und damit die akademische Karriere befördern), sondern auch in der Sekundärliteratur eher aufgegriffen werden, was dann die Beunruhigung in Fachkreisen und bei Schwangeren potenziert. Natürlich ist Beunruhigung im Zusammenhang mit Arzneimitteln in der Schwangerschaft nach dem mit gutem Grund immer noch präsenten „Contergan-Skandal“ angemessen und ein vorsichtiges Verhalten absolut begründet. Man darf aber nicht vergessen, dass eine Überschätzung des Risikos zum Vorenthalten notwendiger Behandlungen und zu eingeschränkter Compliance bei Schwangeren führen kann mit nachteiligen Folgen für die Mutter und das Ungeborene sowie zu irrationalen Entscheidungen bis zum Abbruch einer eigentlich gewünschten Schwangerschaft. Schließlich ist zu bedenken, dass das Überstrapazieren von Warnungen ein Abflachen der Vorsicht bei wirklich riskanter Medikation zur Folge haben kann.

Formulierungen von Warnhinweisen zur Schwangerschaft

Im Unterschied zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen im Kindes- und Erwachsenenalter können in der Schwangerschaft gefürchtete „teratogene Nebenwirkungen“ nicht unmittelbar identifiziert werden. Schäden werden erst Wochen oder Monate später im pränatalen Ultraschall oder nach Geburt des Kindes erkannt und sind dann nicht mehr umkehrbar. Dies macht die Spezifizierung eines potenziellen Risikos umso wichtiger und mahnt zu größter Umsicht und sprachlicher Sorgfalt bei Formulierungen von Hypothesen zu Arzneimittelrisiken.

Formulierungen von Warnhinweisen zur Schwangerschaft sollten den aktuellen Kenntnisstand differenziert wiedergeben. Seit 2008 wird dies explizit von der EMA (14) gefordert und seit 2014 auch von der FDA in den USA (15). Die Schwangerschaftshinweise zur Arzneimittelanwendung müssen so formuliert sein, dass der Umfang eines Risikos hinsichtlich Wahrscheinlichkeit des Auftretens und Ausprägung der Fehlentwicklung verständlich wird und eine vergleichende Risikobewertung ermöglicht – zwischen verschiedenen Therapieoptionen und gegenüber den Folgen eines Nichtbehandelns. Im Falle der Abwesenheit von Verdachtsmomenten muss der Umfang der vorliegenden Daten spezifiziert werden, um daraus den Evidenzgrad der Arzneimittelsicherheit abschätzen zu können.

Nicht hilfreich sind Formulierungen wie „es liegen keine kontrollierten Studien vor“ und „das Arzneimittel überwindet die Plazenta“, weil es zur Arzneimittelsicherheit bei Schwangeren kontrollierte Studien im Sinne einer Randomisierung praktisch nicht gibt und fast jedes Arzneimittel die Plazenta überwindet. Kategorische Hinweise auf potenzielle Embryotoxizität oder Teratogenität sind ebenfalls nicht hilfreich. Wichtig ist hingegen, die derzeit vorliegenden Studien mit der Anzahl exponierter Schwangerer bzw. betroffener Feten/Kinder und ihren (ggf. widersprüchlichen) Ergebnissen sowie kurz die Studienmethodik darzustellen. Selbstverständlich müssen diese Angaben regelmäßig aktualisiert werden.

Informationen zur Anwendung von Arzneimitteln in der Schwangerschaft werden in den folgenden drei Situationen benötigt:

  1. Suche nach einer Therapieoption;
  2. Risikoabschätzung nach bereits erfolgter Exposition;
  3. ursächliche Rolle des Arzneimittels bei Feststellung einer Fehlbildung (oder anderer Schwangerschaftskomplikation).

Es ist schwierig, diese drei verschiedenen Perspektiven in den Produktinformationen durch vorformulierte Risikocharakterisierungen zu berücksichtigen. Hier müssen dann ggf. einschlägige Beratungsinstitutionen wie das Pharmakovigilanzzentrum für Embryonaltoxikologie an der Charité (www.embryotox.de) in Anspruch genommen werden, die den aktuellen Kenntnisstand zum Arzneimittel unter Berücksichtigung der individuellen Situation interpretieren.

Fazit für die Praxis

Rote-Hand-Briefe bzw. Dear Doctor Letters sollten ebenso wie „Kontraindikationen“ und Empfehlungen für Verhütungsmaßnahmen auf jene Arzneimittel beschränkt werden, deren teratogene oder fetotoxische Effekte evident sind. Auch sollten Warnhinweise nicht zu unbegründeter Beunruhigung führen mit daraus folgenden irrationalen Entscheidungen bis hin zum Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer Risikoüberschätzung. Andererseits kann eine auf Risikoüberschätzung beruhende inadäquate oder unterlassene Therapie die Schwangere und ggf. auch das Ungeborene gefährden, im vorliegenden Fall z. B. durch Dehydratation, Elektrolytimbalancen etc. Nach heutiger Datenlage zur pränatalen Toxizität erscheint es gerechtfertigt, Ondansetron als Antiemetikum bei Schwangeren einzusetzen, wenn die etablierten Mittel der Wahl unzureichend wirken.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Fußnote

1Zur Bewertung einer Kausalitätshypothese haben sich in der Medizin und Epidemiologie die neun Kausalitätskriterien nach Bradford-Hill etabliert. Weitere Informationen dazu: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1898525/

pdf/procrsmed00196-0010.pdf

Literatur
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Dieser Artikel wurde am 24. Februar 2020 vorab online veröffentlicht.