Herpes-zoster-Impfung bei Älteren (Shingrix®)

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2019

Herpes zoster vaccine in the elderly (Shingrix®)

Autor

Zusammenfassung

Am 28.03.2018 wurde von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency) der Impfstoff Shingrix® zugelassen (Zulassungsnr. EMEA/H/C/004336, ATC Code J07BK03 (1)). Shingrix® richtet sich gegen Herpes zoster und ergänzt den bereits eingeführten Lebendimpfstoff Zostavax® mit einem rekombinanten adjuvantierten Wirkprinzip. AVP analysiert den potenziellen Einsatzbereich, seine Wirkungen und Nebenwirkungen sowie versorgungsbezogene Implikationen dieses neuen Impfstoffs.

Abstract

The vaccine Shingrix® was approved from the EMA (European Medicines Agency) on the 28th of march 2018 (EMEA/H/C/004336, ATC Code J07BK03 (1)). Shingrix® tries to prevent from herpes zoster and is an addition to the already approved live vaccine Zostavax® with a recombinant adjuvant active principle. We analyse the potential indication, its effect, adverse events of this new vaccine and implications on patient centered care.

Einleitung

Als Herpes zoster (HZ) oder Gürtelrose wird die endogene Reaktivierung (Sekundärmanifestation) einer weltweit vorkommenden, exogen erworbenen Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV) verstanden, die in der Regel als Primärmanifestation mit dem Krankheitsbild der Windpocken (Varizellen) erworben wurde.

Epidemiologie, Krankheitslast

Eine Meldepflicht für H. zoster besteht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht. Eine epidemiologische Studie untersuchte das Auftreten von H. zoster in Deutschland in den Jahren 2007 und 2008 anhand ambulanter und stationärer Behandlungsfälle bei Patienten ≥ 50 Jahren. 2007 wurden 210.310 ambulante und 14.181 stationäre Fälle gezählt, 2008 164.335 ambulant bzw. 14.273 stationär. Die daraus errechnete durchschnittliche jährliche Inzidenzrate betrug über beide Jahre 2007/2008 zusammengenommen 9,6 Fälle pro 1000 Personenjahre (PY), anders ausgedrückt tritt im Schnitt pro Jahr bei ca. einem von 100 Menschen ab dem 50. Lebensjahr H. zoster auf. Dabei zeigte sich eine deutliche Zunahme mit zunehmendem Alter: in der Lebensdekade 50–60 Jahre um 6,5–7/1000 PY, bei den 80-bis 90-Jährigen ca. 12,5/1000 PY. Frauen waren dabei signifikant häufiger betroffen – mit einer Inzidenzrate von 11,1, vs. 7,8 bei den Männern – wofür bislang keine gesicherte Erklärung vorliegt.

Die H.-zoster-assoziierte Letalität war gering und betrug jährlich im Mittel nur 66 Fälle. Was die Krankheitslast der betroffenen Patienten angeht, wird vor allem auf das Eintreten einer Post-Zoster-Neuralgie (PZN; engl. postherpetic neuralgia/PHN) abgehoben, deren Auftreten in einer Spannweite von 0,4–1,3 pro 1000 PY geschätzt wird (2). Daten zur Quantifizierung des Einflusses von HZ und PZN auf die Lebensqualität liegen für Deutschland nicht vor (3).

Es ist abzusehen, dass H. zoster in Zukunft weiter zunimmt, zum einen wegen der weiter zunehmenden Alterung der Bevölkerung, zum anderen wegen der gleichzeitig auch zunehmenden Prävalenz von immunkompromittierenden Grunderkrankungen bzw. entsprechender Behandlungen, wie etwa Krebserkrankungen und deren Therapien.

Impfung gegen Herpes zoster

Seit 2004 wird die Varizellen-Schutzimpfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für alle Kinder und Jugendlichen empfohlen. Die Überlegung, auch H. zoster mit einer Schutzimpfung entgegenzutreten, rührt nicht zuletzt daher, dass auch eine Auswirkung der Impfung auf die Inzidenz von H. zoster befürchtet wird. Langfristig sollte man ja annehmen, dass durch die zunehmende Durchimpfung von Geburtskohorten irgendwann der Pool von Menschen mit residuenten Viren, die zum H. zoster reaktiviert werden können, erschöpft ist. Kurz- und mittelfristig ist jedoch die sogenannte „Booster-Hypothese“ mit ins Kalkül zu ziehen. Diese beruht auf der Annahme, dass die regelmäßige Zirkulation von Varizellaviren im Rahmen des bisherigen Ansteckungsgeschehens von Windpocken vorwiegend im Kindesalter naturgemäß auch ältere Menschen erreicht, die bereits eine Windpockenerkrankung durchgemacht haben. Die erneute, angesichts der früheren hohen Inzidenz immer wiederkehrende Konfrontation mit den zirkulierenden Viren führt demnach immer wieder zu einer Boosterung des Immunsystems gegen die Varizellaviren allgemein, und damit auch gegen die residuenten Viren. Fällt nun nach und nach diese natürliche Viruszirkulation weg, nimmt entsprechend auch die Boosterung ab, womit es, theoretisch, zunächst zu einer höheren Inzidenz von H. zoster kommen würde (4). Die Befürchtung, dass sich eine Massenimpfung von Kindern gegen Windpocken ungünstig auf die Herpes-zoster-Inzidenz bei Erwachsenen auswirken könnte, konnte zunächst in den USA Ende der 90er Jahre festgestellt und auch durch weitere Studien erhärtet werden. Die Stärke dieses Effektes ist jedoch noch unklar (ausführlich dazu (5)).

Aktuell (Stand Oktober 2018) stehen zwei weit verbreitet zugelassene (EMA, CDC u. a.) Impfstoffe zur Prävention von HZ und durch HZ verursachte PZN bei Personen ab 50 Jahren zur Verfügung: der Lebendimpfstoff Zostavax® und der Totimpfsoff Shingrix®. Gegenanzeigen bei Zostavax® sind: Unverträglichkeit gegen Impfstoffbestandteile wie z. B. Neomycin; angeborene und erworbene Immundefizienz als Folge einer akuten oder chronischen Leukämie, eines Lymphoms, anderer Erkrankungen des Knochenmarks oder des lymphatischen Systems; Immundefizienz als Folge von HIV/AIDS; zelluläre Immundefizienz; immunsuppressive Therapie (einschließlich hoher Dosen von Kortikosteroiden), aktive unbehandelte Tuberkulose, Schwangerschaft. Bei Shingrix® sind dies hingegen lediglich Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile des Impfstoffes (6;7).

Bei Zostavax® erfolgt eine einmalige Impfung, bei Shingrix® eine zweimalige Impfung initial und nach zwei Monaten.

Lebendimpfung (Zostavax®)

2006 wurde der Lebendimpfstoff Zostavax® von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen – in Deutschland nach seiner Markteinführung 2009 allerdings erst 2013 breit verfügbar. Zostavax® entspricht dem bereits lange erprobten auch in Deutschland empfohlenen Impfstoff für Kinder aus einem attenuierten vOka-Varizellenstamm – allerdings nun in einer ca. 14-fach höheren Dosierung! Die Impfung mit Zostavax® wird von der STIKO bislang (Stand Oktober 2018) nicht als Standardimpfung empfohlen. Gründe hierfür liegen u. a. darin, dass der Lebendimpfstoff gerade bei Personen, die wegen einer Immunsuppression ein deutlich erhöhtes Risiko für H. Zoster haben und damit besonders vom Schutz einer Impfung profitieren könnten, kontraindiziert ist. Ein weiterer einschränkender Grund liegt darin, dass die Schutzwirkung des Lebendimpfstoffs bereits ab dem dritten Jahr nach Impfung abnimmt, wenngleich in den Studien vor allem die schwere PZN deutlich reduziert werden konnte. Übrig als Indikationen bleiben spezielle Patientengruppen mit erhöhtem Risiko, z. B. vor einer geplanten immunsuppressiven Therapie, für die – in bestimmten Altersbereichen über einen begrenzten Zeitraum – ein Nutzen belegt ist (8;9).

2012 berichtete AVP darüber, dass in einer Studie mit Zostavax® die Zoster-Inzidenz pro 1000 PY bei Geimpften bei 6,4 (95 % Konfidenzintervall [CI] 5,9–6,8) und bei Ungeimpften bei 13,0 (95 % CI 12,6–13,3) lag. Daraus errechnete sich eine absolute Risikoreduktion (ARR) von 0,94, entsprechend einer Number needed to vaccinate (NNV, analog zur Number needed to treat, NNT) von 106 – ein „akzeptabler Wert“ (10).

Im Jahr 2013 stellte das arznei-telegramm den damaligen Sachstand so dar: Zunächst konnte in der Shingles Prevention Study (SPS) mit 20.726 Teilnehmern von 60–69 Jahren die Zoster-Inzidenz von 10,8 pro 1000 PY unter Placebo auf 3,9 unter Zostavax® gesenkt werden, entsprechend einer relativen Risikoreduktion (RRR) von 64 % (95 % CI 56–71 %). Für die Altersgruppe ≥ 70 Jahre, mit 17.775 Teilnehmern, lagen die entsprechenden Raten bei 11,5 unter Placebo bzw. 7,2 unter Zostavax®, entsprechend einer Relativen Risikoreduktion (RRR) von 38 % (95 % CI 25–48 %). In der nachfolgenden Zoster Efficacy, Safety, and Tolerability(ZEST)-Studie, mit 22.439 Teilnehmern im Alter von 50–59 Jahren, senkte die Impfung die Zoster-Inzidenz von 6,6 unter Placebo auf 2,0 pro 1000 PY, entsprechend einer RRR von 70 % (95 % CI 54–81 %; (11). Das arznei-telegramm resümierte dazu, dass „die Impfung für Patienten mit Impfwunsch nach Aufklärung über den derzeitigen Kenntnisstand für „vertretbar“ gehalten werde.“

In England startete 2013 ein großangelegtes Herpes-zoster-Impfprogramm für Personen im Alter von 70 Jahren, deren Ergebnisse jüngst publiziert wurden. Die Auswertung erfolgte populationsbasiert über 164 GP-Praxen in ganz England, mit einer Bevölkerungsabdeckung von ca. 1 %. Zwischen dem 01.10.2005 und dem 30.09.2016 wurden bei insgesamt 335.402 Probanden bzw. Patienten zwischen 60 und 89 Jahren mit insgesamt 3,36 Mio. Beobachtungsjahren (!) alle H.-zoster-Impfungen sowie das Auftreten von H. zoster und postherpetischer Neuralgie erfasst. In den ersten drei Jahren nach Beginn der Impfkampagne sank die Inzidenz von Herpes zoster bzw. von postherpetischer Neuralgie um ca. 35 %. Diese Reduktionen entsprechen Impfeffektivitäten bei Herpes zoster von ca. 62 % und bei postherpetischer Neuralgie von 70–88 %. Der Arzneimittelbrief schlussfolgerte daraus: „Die Impfung gegen Herpes zoster ist auf Populationsebene effektiv. Sie sollte bei der gegenwärtigen Zunahme der über 70-Jährigen auch in Deutschland empfohlen werden.“ (12).

Die Substanzkosten in Deutschland für eine komplette Impfung mit Zostavax® = 1 x 1 Fl. Pulver + 1 Fertigspritze Lösung 0,65 ml betragen nach Roter Liste 178,31 Euro.

Rekombinanter Impfstoff (Shingrix®)

Shingrix® – internationaler Freiname: „herpes zoster vaccine (recombinant, adjuvanted)“ – ist im Gegensatz zu Zostavax® ein Totimpfstoff und besteht aus zwei Wirkkomponenten: einem viralen Antigenbestandteil (Virus-Subunit Glycoprotein E, gE) und einem Adjuvans (AS01B). Sinn des Einsatzes von Subunits ist einerseits die – versus dem Ganzvirus – nicht mehr vorhandene Infektiosität des Impfstoffs, andererseits eine definiertere Herstellbarkeit und Konfektionierbarkeit. Bekanntermaßen nimmt jedoch im umgekehrten Maße die Immunogenität von Impfstoffen auf dem Weg vom Ganzvirus über Spaltvakzine bis hin zu Subunits zunehmend ab. Um trotzdem noch zu entsprechenden Immunantworten zu kommen, kommen Adjuvantien zum Einsatz, die die Immunogenität der Subunits deutlich erhöhen.

Ein weiterer Grund für Adjuvantien ist die ab ca. 50 Jahre zu beobachtende Immunseneszenz, die bei Älteren gegenüber Jüngeren zu schwächeren Impfantworten führt. Das Adjuvans ASO1B von Shingrix® ist eine Kombination aus verschiedenen Immunvestärkern, mit deren Hilfe sowohl die Immunogenität der Antigene und damit die Effektstärke als auch die Schutzdauer erhöht wird (1;13;14).

Zur Zulassung von Shingrix® wurden von der EMA vor allem folgende beiden Studien herangezogen:

  • ZOSTER-006 (ZOE-50, ab 50 Jahre (15)
  • ZOSTER-022 (ZOE-70, ab 70 Jahre (16)

ZOSTER-006 und ZOSTER-022 wurden zeitgleich nach einem vergleichbaren Studienprotokoll durchgeführt. Dabei handelte es sich jeweils um Phase-III-Studien, randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert, multinational – darunter auch in Deutschland –, multizentrisch, Impfstoffgabe i.m. zu den Zeitpunkten 0 und 2 Monate, bei Erwachsenen im Alter von ≥ 50 Jahren. Vor der Zuordnung zu entweder der Verum- oder Placebogruppe („treatment allocation“) wurden die Probanden im Alter von 70–79 bzw. ≥ 80 Jahren entweder zu ZOSTER-006 oder ZOSTER-022 randomisiert.

Der primäre Endpunkt war jeweils das bestätigte Auftreten von H. zoster. Sekundäre Endpunkte waren: Inzidenz von PZN, Dauer von schweren Zoster-Schmerzen, Gesamt-Mortalität und Zoster-Letalität, Zoster-Komplikationen, Inzidenz der gesamten bzw. der Zoster-bezogenen Hospitalisationen, Dauer einer ggf. Zoster-bezogenen Analgetikamedikation sowie „Sicherheitsendpunkte“ (siehe Kapitel 2.6 des EPAR (1)). Daneben gab es noch eine Reihe von „explanatory endpoints“, z. B. mit Blick auf Lebensqualität oder auf immunologische Laborparameter. Die Probanden wurden ab 2010 eingeschlossen, 2015 endete die Nachbeobachtungszeit.

Die Substanzkosten in Deutschland für eine komplette Impfung mit Shingrix® = 2 x 1 Durchstechfl. Pulver + Suspension 0,5 ml betragen nach Roter Liste 226,80 Euro.

ZOSTER-006 / ZOE-50, Lal et al. 2015

Die ursprüngliche Studienpopulation umfasste 15.411 Probanden im Alter von 50 Jahren und älter, 51,2 % aus Europa, davon wurden 7698 in die Verumgruppe und 7.713 in die Kontrollgruppe randomisiert. In die endgültige Auswertung (modified vaccinated cohort, MVC) wurden 14.759 Probanden einbezogen, davon 7344 Verum und 7415 Kontrollen. Die medianen Nachbeobachtungszeiten der Ursprungspopulation betrug 3,1 Jahre (Spannweite 0–3,7 Jahre) mit Blick auf den Endpunkt „H. zoster“ und 4,1 Jahre (Spannweite 0–4,5 Jahre) mit Blick auf den Endpunkt „H. zoster und PZN“.

Bezogen auf die auswertbaren Probanden, mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren, traten in der Verumgruppe insgesamt sechs Zoster-Fälle auf, bzw. 0,3 pro 1000 PY, in der Kontrollgruppe 210 bzw. 9,1 pro 1000 PY, woraus eine „vaccine efficacy“ von 97,2 % (95 % CI 93,7–99,0 %) errechnet wurde (15).

Die Daten von Lal et al. 2015 (15) wurden nochmals in einem Cochrane-Review zu Zoster-Impfungen reevaluiert: Es wurde eine Teilpopulation von ≥ 60 Jahren mit n = 8122 analysiert, dabei wurden 2/1000 Zoster-Fälle in der Verumgruppe 34/1000 Fällen in der Placebogruppe gegenübergestellt (16). Anders ausgedrückt lag das absolute Risiko in der Verumgruppe bei 0,2 % und in der Placebogruppe bei 3,4 %, woraus sich eine absolute Risikodifferenz von 2,2 errechnen ließe – was einer NNV von 45 entspräche.

ZOSTER-022 / ZOE-70, Cunningham et al. 2016

Die ursprüngliche Studienpopulation umfasste 13.900 Probanden im Alter von 70 Jahren und älter, davon wurden 6950 in die Verum- und 6950 in die Kontrollgruppe randomisiert. In die endgültige Auswertung (modified vaccinated cohort, MVC) wurden 13.163 Probanden einbezogen, davon 6541 Verum und 6622 Kontrollen, wovon jeweils etwa 4/5 70–79 und 1/5 ≥ 80 Jahre alt waren.

Bezogen auf die MVC traten, nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,7 Jahren, in der Verumgruppe insgesamt 23 Zoster-Fälle auf, bzw. 0,9 pro 1000 PY, in der Kontrollgruppe 223 bzw. 9,2 pro 1000 PY, woraus eine gesamte „vaccine efficacy“ von 89,8 % (95 % CI 84,2–93,7 %) errechnet wurde. Angesichts der nur wenigen in der Verumgruppe aufgetretenen Zoster-Fälle – 17 bei den 70–79-Jährigen und 6 bei den ab 80-Jährigen – konnte kein relevanter Wirkungsunterschied zwischen diesen beiden Alterskategorien festgestellt werden (17).

Pooled ZOE-50 and ZOE-70, Cunningham et al. 2016

Cunningham et al. führten noch die Daten der jeweils ab 70-Jährigen zusammen. Aus diesen gepoolten Daten ergab sich in der Verumgruppe eine Zoster-Inzidenz von 0,8 und in der Kontrollgruppe von 9,3, jeweils pro 1000 PY (17). Auch hier konnte aufgrund der nur wenigen Zoster-Fälle in der Verumgruppe kein relevanter Unterschied in den Schutzeffekten der 70–79- und der ab 80-Jährigen gefunden werden.

UAW der Totimpfung

In ZOE-50 wurden die potenziellen UAW der Impfung sowohl innerhalb der gesamten Studienpopulation – 7698 aus der Verum- und 7713 aus der Kontrollgruppe – als auch innerhalb einer „reactogenicity subgroup“ – n = 4460 aus der Verum- und n = 4466 aus der Kontrollgruppe – untersucht. In der Gesamtpopulation traten vergleichbar viele SAE auf, jeweils ohne signifikante Unterschiede. In der „reactogenicity subgroup“ traten bezogen auf die ersten sieben Tage nach der Impfung in der Verumgruppe deutlich mehr UAW als in der Kontrollgruppe auf, und zwar Lokalreaktionen zu 81,5 % (vs. 11,9 %), darunter 9,5 % (vs. 0,4 %) mit dem Schweregrad 3 („preventing normal activity“), und systemische Reaktionen zu 66,1 % (vs. 29,5 %), an erster Stelle Myalgien, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen, darunter 11,4 % (vs. 2,4 %) mit Grad 3 (15).

In der ZOE-70-Studie waren die SAE in der Verum- und der Kontrollgruppe vergleichbar (entsprechende UAW-Daten wie in der ZOE-50-Studie waren der Studie nicht ohne Weiteres entnehmbar (17).

Eine weitere Studie registrierte SAE im Zeitraum 36–72 Monate nach der Totimpfung, in einer ursprünglichen auf den Langzeitimmunschutz ausgerichteten Studie bei Probanden im Alter von 60–84 Jahren (Mean 72,8, SD 4,96). Von den ursprünglich 714 Teilnehmern waren nach den ersten 36 Monaten zwar noch 645 übrig, zum ersten Zwischenzeitraum nach 48 Monaten allerdings nur noch 129 und nach 72 Monaten noch 119. In dieser Teilgruppe wurden drei SAEs beobachtet, darunter zwei Todesfälle, von denen allerdings keiner der Impfung zugerechnet wurde. Zwei Fälle einer potenziellen immunologischen Nebenwirkung traten auf: ein Fall von M. Crohn – der bereits unter den drei SAEs gelistet ist – sowie ein Fall von Polymyalgia rheumatica; beide wurden aufgrund ihres späten Auftretens nach der Impfung – vier bzw. fünf Jahre – ebenfalls nicht der Impfung zugerechnet. In einem weiteren Fall wurde von einer vermuteten H.-zoster-Episode, mehr als fünf Jahre nach der Impfung, berichtet (18).

Gesundheitsökonomische Betrachtung

In einer Studie an GKV-Versicherten der TKK wurden Inzidenzen und Kosten von VZV-assoziierten Krankheitsinzidenzen und -kosten im Bezugsjahr 2010 ermittelt. Die Inzidenzen stiegen ab dem Alter von 50 Jahren mit ca. 4 Fällen / 1000 PY steil an auf ca. 10 Fälle im Alter von 70 Jahren. Die „direkten“ (bzw. von der GKV zu tragenden) Kosten von H. zoster (einschließlich PZN) lagen über alle Altersgruppen bei durchschnittlich 238 Euro und betrugen bei den ab 80-Jährigen bei durchschnittlich 504 Euro, wobei diese Kosten überwiegend durch Hospitalisationen verursacht wurden (19).

In einer Modellierungsstudie wurden zunächst die GKV- bzw. „direkten“ Kosten für H. zoster je nach Altersgruppe (ab 50 Jahre) mit 193–320 Euro ermittelt, die Kosten für PZN 642–1349 Euro (mit den höchsten Werten um 70 Jahre (3)). In einem komplexen Algorithmus wurde an einer Modellkohorte von 1 Mio. Bevölkerung errechnet, dass bei einer Impfung mit 60 Jahren mit Zostavax® 6161 Zosterfälle vermieden würden, entsprechend einer Relativen Risikoreduktion (RRR) von 2,3 %, wohingegen mit Shingrix® 21.924 Fälle vermieden würden, mit einer RRR von 8,3 %. Mit Zostavax® werden 152 PZN-Fälle verhindert, entsprechend einer RRR von 1,0 %, und mit Shingrix® 1377 Fälle bzw. 8,9 %. Rechnet man diese Zahlen in die Number needed to vaccinate (NNV) um, so liegt diese bei Zostavax® für H. zoster bei 55 und für PZN bei 2216 – für Shingrix® liegen diese Zahlen bei 15 bzw. 244 (3). Unter der Vorgabe einer Impfquote von 35 % (anhand bekannter Influenzaimpfquoten) und von – in der Studie angenommenen – Impfkosten von 182 Euro sind bei resultierenden Kosten der Impfung (nota bene für die Modellkohorte) von gut 60 Mio. Euro die vermiedenen Behandlungskosten für H. zoster und PZN recht überschaubar – ca. 2,6 Mio. Euro bei Zostavax® bzw. 9,6 Mio. Euro bei Shingrix®. Das Modell errechnet hinsichtlich der Kosten pro vermiedenen HZ-Fall für Zostavax® einen Wert von 7006 Euro bzw. für Shingrix® von 1774 Euro, und pro gewonnenem Quality-Adjusted Life Year (QALY) bei Zostavax® einen Wert von 88.357 Euro, bei Shingrix® von 23.934 Euro (3).

Zu beachten ist aber, dass sowohl bei Zostavax® als auch bei Shingrix® die Schutzwirkung nach der Impfung allmählich abnimmt. Aufgrund der kürzeren Erfahrungen mit Shingrix® herrschen daher noch größere Unklarheiten als bei Zostavax®, sodass vergleichende Modellierungen zu einer breiten Spannweite möglicher Langzeiteffizienzen führen (3). Auch eine aktuelle Übersicht aus dem Vereinigten Königreich wertet kritisch, dass die bisherigen Kosteneffektivitätsberechnungen auf Modellannahmen beruhten und dass bereits ab ca. fünf Jahre nach Zosterimpfung die Impfeffektivität deutlich abnehme. Die Autoren fokussieren auf zur Impfung geeignetere höhere Altersgruppen und halten es darüber hinaus für denkbar, dass zusätzlich zur initialen Zosterimpfung noch eine weitere „booster dose“ erforderlich wird (20). Das würde die Kosteneffektivität nachteilig beeinflussen.

Fazit für die Praxis

Herpes zoster ist ein im Alter häufiges Krankheitsbild. Das unmittelbare klinische Bild, mit dem typischen Hautausschlag, ist in den meisten Fällen mit keiner großen individuellen Krankheitslast verbunden. Ein Teil der Fälle wird jedoch hospitalisiert, wobei nicht klar erkennbar ist, ob dies jeweils wegen des Schweregrades der mit dem Zoster verbundenen Beschwerden geschieht. Relevant ist auf jeden Fall die postherpetische Neuralgie, die bei etwa 20 % der Zoster-Fälle auftritt und die gesundheitsbezogene Lebensqualität zum Teil erheblich einschränken kann.

Die bislang verfügbare Impfmöglichkeit mit dem Lebendimpfstoff Zostavax® war nicht voll befriedigend, zum einen mit Blick auf die Impfeffektivität, vor allem aber mit Blick auf die naturgemäß mit einem Lebendimpfstoff verbundenen Indikationseinschränkungen – die gerade auch diejenigen Populationen betrafen, die ein erhöhtes Risiko von H. zoster aufwiesen. Der nunmehr verfügbare Totimpfstoff Shingrix® ist demgegenüber breit anwendbar und verfügt über hohe Protektionsraten, jedenfalls in den ersten Jahren, soweit durch die bisherigen Studienzeiträume belegbar. Zumindest für ältere Menschen mit erhöhtem Risiko für H. zoster – insbesondere bei einer Kontraindikation gegenüber Lebendimpfstoff – könnte die Impfung mit Shingrix® nach entsprechender Abwägung eine Option sein.

Bedenkenswert bei einem breiten Einsatz des neuen Impfstoffs ist dessen hohes Nebenwirkungspotenzial, was die Frage aufwirft, inwieweit damit nicht ein Gutteil der durch die Impfung verhinderten Krankheitslast – zumindest des akuten H. zoster – wieder neutralisiert wird. Man darf gespannt sein, ob die STIKO in diesem Jahr bereits ihre bisherige Zurückhaltung gegenüber der Zoster-Impfung – mit Zostavax® – aufgibt und eine der Influenza-Impfung vergleichbare Empfehlung ab 60 Jahre ausspricht. Eine solche allgemeine Impfempfehlung könnte die GKV mit ca. 60 Mio. Euro jährlich zusätzlich belasten.

Literatur
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  2. Ultsch B, Siedler A, Rieck T et al.: Herpes zoster in Germany: quantifying the burden of disease. BMC Infect Dis 2011; 11: 173.
  3. Ultsch B, Weidemann F, Koch J, Siedler A: Projektbericht Modellierung der Effekte der Zoster-Impfung: www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/Zoster/Modellierung_Zoster_Impfung.pdf (letzter Zugriff: 28. November 2018). Robert Koch-Institut (RKI) (Hrsg.), Berlin: RKI, 2017.
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  6. MSD Sharp & Dohme: Fachinformation „Zostavax®“. Stand: November 2017.
  7. GlaxoSmithKline: Fachinformation „Shingrix®“. Stand: März 2018.
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  10. Schneeweiß B: Impfung schützt ältere Menschen vor Zoster. Arzneiverordnung in der Praxis 2012; 39 (1): 20.
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Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Abkürzungen

EMA = European Medicines Agency (Europäische Arzneimittel-Agentur)

H. zoster; HZ = Herpes zoster

PZN = Post-Zoster-Neuralgie

PY = person years

SAE = serious adverse event

UAW = unerwünschte Arzneimittelwirkung

VZV = Varizella-Zoster-Virus

Anmerkung der Redaktion (20.03.2019)

Seit 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die allgemeine Anwendung des adjuvantierten Herpes-zoster-subunit-(HZ/su-)Totimpfstoffes als Standardimpfung (S) zur Verhütung von Herpes zoster (HZ), seinen Komplikationen und Spätfolgen für Personen ab einem Alter von 60 Jahren.

Quelle

Epidemiol. Bulletin 50/2018: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/50_18.pdf.