Interaktion von Metamizol und ASS: Reicht die Evidenz für klinische Konsequenzen?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2019

Drug interaction between metamizole and ASS: Enough evidence for clinical consequences?

Autoren

Zusammenfassung

Bereits vor über zehn Jahren wurde im Reagenzglas beschrieben, dass Acetylsalicylsäure und Metamizol interagieren können, was zu einer Blockade der Thrombozytenaggregationshemmung führen kann. Nachfolgende In-vitro-Studien konnten die zugrundeliegenden Mechanismen eingrenzen und erste Analysen in Probanden durchführen. Inzwischen gibt es vermehrte klinische Daten, die die klinische Relevanz dieser Interaktion untersucht haben, wobei die Datenlage nicht eindeutig ist. Ebenso ist unklar, ob klinisch die versetzte Einnahme einen deutlichen Vorteil bringt und in der realen Welt bei multimorbiden Patienten praktikabel ist. In der folgenden Zusammenstellung und Analyse sollen diese präklinischen und klinischen Studien genau evaluiert werden.

Abstract

More than 10 years ago it become clear that there are interactions between ASS and metamizole in vitro. The mechanism could be characterised and first studies with test persons could be made. Meanwhile there are clinical studies that try to look for the clinical relevance of this interactions, but the data show conflicting results. It is not clear whether timely different ingestion could solve this problem and is suitable in multimorbid patients. We summarise and discuss these preclinical and clinical studies in this article.

Einleitung

Metamizol gehört in Deutschland zu den am häufigsten eingesetzten Schmerzmedikamenten sowohl in der akuten als auch in der chronischen Schmerztherapie. Neben Deutschland ist es noch in Mexiko, Brasilien, Israel, Russland und Spanien zugelassen. Gerade bei älteren Menschen wird Metamizol gerne eingesetzt, weil für andere Nichtopioidanalgetika entsprechend Komorbiditäten und Kontraindikationen vorhanden sind. Während der analgetische Wirkmechanismus für Nichtopioide wie Diclofenac und Ibuprofen aber auch für Cyclooxygenase(COX)-2-Hemmer bekannt ist, ist es immer noch offen, wie Metamizol wirklich wirkt. Daher ist auch pharmakodynamisch nicht ganz klar, wie und warum es zu einer Interaktion mit anderen COX-2-Hemmern – allen voran die Acetylsalicylsäure (ASS) – kommen sollte.

ASS wird unter anderem zur Thrombozytenaggregationshemmung bei kardio- bzw. zerebrovaskulären Vorerkrankungen (z. B. periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), koronare Herzerkrankung (KHK)) eingesetzt. Eine Interaktion zwischen ASS und nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), die zu einem Verlust der Thrombozytenaggregationshemmung und damit zu einer fehlenden protektiven Wirkung führen kann, wurde bereits vor einigen Jahren beschrieben (1). Dies konnte durch epidemiologische Studien unterstützt werden. Eine Interaktion von ASS und mit Metamizol wurde ebenfalls schon früher in In-vitro-Studien publiziert (2) und in Nachfolgestudien weiter charakterisiert. Die klinische Relevanz dieser Medikamenteninteraktion ist aktuell aber weniger klar.

Im Rahmen dieser Übersicht soll zunächst ein Fokus auf In-vitro- und präklinische Studien gelegt und anschließend die aktuell verfügbaren klinischen Daten vorgestellt werden.

Analgetische Mechanismen in In-vitro- und präklinischen Studien

Metamizol gehört zu den nichtsauren Nichtopioiden. Pharmakologisch wird es in die Gruppe der Pyrazolone eingeordnet. Daher rührt auch die Bezeichnung „Dipyrone“ in der internationalen Literatur. Es besitzt sowohl analgetische, spasmolytische als auch antipyretische Eigenschaften. Hingegen ist der antiinflammatorische Effekt gering. Es lässt sich in die Gruppe der Prodrugs einordnen. Nach der Aufnahme in den Körper wird es in seinen Metaboliten 4-Methylaminoantipyrin (MAA), das für die klinische Wirkung hauptsächlich verantwortlich ist, und das schwächere 4-Aminoantipyrin (AA) abgebaut. Die Metaboliten 4-Formylaminoantipyrin (FAA) und 4-Acetylaminoantipyrin (AAA) sind nicht wirksam. Der analgetische Wirkmechanismus ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden unter anderem nicht klassische COX-Inhibition (3), Transient-Receptor-Potential-Ankyrin-1(TRPA1)-Blockade (4) und Cannabinoidrezeptoraktivierung (5) bzw. Endocannabinoide. Für die zentrale Wirkung werden endogene Opioide, glutamerge Mechanismen sowie eine Interferenz mit dem Neurokinin-1-Rezeptor und dem Proteinkinase-C-Signalweg verantwortlich gemacht (6).

Die Wirkung von Metamizol auf die COX ist nicht abschließend geklärt. Die pharmakologisch aktiven Metaboliten von Metamizol, MAA und AA inhibierten die COX-Aktivität in vitro nicht wie klassische COX-Inhibitoren (3). MAA und AA bilden stabile Komplexe mit Häm und reagieren mit Wasserstoffperoxid in Gegenwart von Häm, Eisen (Fe2+) oder COX. Darüber hinaus reduziert MAA die erhöhte Lipidperoxidation und die Expression von antioxidativen Enzymen in kultivierten Zellen in vivo. MAA und AA hemmen daher die COX-Aktivität, indem sie Radikale abfangen, die die katalytische Aktivität dieses Enzyms initiieren, oder durch die Reduktion der oxidativen Zustände des COX-Proteins. Interessanterweise kann die Wirkung auf COX auch in gesunden Probanden nachgewiesen werden, die 500 oder 1000 mg Metamizol eingenommen hatten und deren Blut untersucht wurde (7). Hier löst Metamizol eine wesentliche und praktisch äquipotente Hemmung von COX-Isoformen über MAA aus.

Ein weiterer postulierter Mechanismus sind Endocannabinoide, die über Cannabinoidrezeptoren (CB) wirken (5). Dies wurde allerdings in Mäusen ohne Schmerz (weder Entzündung noch Neuropathie etc.) untersucht. Die Autoren postulieren, dass Metamizol COX-1/2 inhibiert, das mehr Arachidonsäure als Substrat für die Synthese von Prostaglandinen und anderen Prostanoiden, Endocannabinoiden, Leukotrienen und Lipoxinen bereitstellt. Diese wiederrum könnte auf Cannabinoidrezeptoren wirken. In anderen Untersuchungen ließ sich die Wirkung von Metamizol nicht mit CB1- oder CB2-Antagonisten blockieren (8;9).

In Tiermodellen reduzieren die beiden am häufigsten verwendeten Pyrazolonderivate, Dipyron und Propyphenazon, die Transient-Receptor-Potential-Ankyrin-1(TRPA1)-vermittelte Nozizeption und mechanische Allodynie in Tiermodellen zu entzündlichen und neuropathischen Schmerzen (Formalin, Carrageenan, partielle Ischiasnervligatur und das Chemotherapeutikum Bortezomib) (4). Insbesondere schwächen Dipyron und Propyphenazon Carrageenan-hervorgerufene mechanische Allodynie, ohne Prostaglandin-E2-Spiegel zu beeinflussen. Diese sowie die In-vitro-Studien (3) sprechen gegen eine direkte Wirkung auf die COX.

Systematische Studien in verschiedenen Schmerzmodellen mit den unterschiedlichen Metaboliten sowie mit entsprechenden Antagonisten und Knockout-Tieren fehlen bisher, sodass die Frage nach den analgetisch wirksamen Mechanismen nicht abschließend beantwortet werden kann.

Interaktion von Metamizol und ASS

ASS führt zu einer irreversiblen Acetylierung an der COX-1 der Thrombozyten in unmittelbarer Nähe der Andockstelle der Arachidonsäure und verhindert deren Metabolismus. COX-1 bewirkt die Bildung von Thromboxan A2 aus Arachidonsäure. ASS bindet an Serin 530 der COX-1, das im katalytischen Zentrum sitzt. Dabei wird das Enzym acetyliert und so inaktiviert. ASS hat eine sehr kurze Plasmahalbwertszeit von wenigen Minuten. Daraus ergibt sich ein relativ kurzes Zeitfenster, in welchem ASS eine für die gesamte Lebenszeitdauer des besetzten Thrombozyten anhaltende Acetylierung des Serin-Rests der COX-1 eingehen kann. Ist diese Bindungsstelle des ASS besetzt – beispielsweise durch Ibuprofen – kommt es lediglich zu einer kurzzeitigen reversiblen Hemmung der COX-1 durch Ibuprofen. Die irreversible langfristige Acetylierung der COX-1 durch ASS wird aber verhindert. Frühe Experimente mit radioaktiv markiertem ASS in vitro und mittels Röntgenkristallographie legen nahe, dass einige, aber nicht alle NSAID mit ASS um die Bindung von COX-1 konkurrieren können (1). Dieser Mechanismus der Kompetition von NSARs und ASS an der aktiven Stelle des Enzyms wird durch Experimente unterstützt, weil Ibuprofen, Celecoxib, Valdecoxib, Rofecoxib und Etoricoxib in gewaschenen Thrombozyten die ASS-vermittelte Inaktivierung der COX-1 in den Thrombozyten – gemessen an der Bildung von Thromboxan A2 – blockieren können. Ferner verhindert Ibuprofen den Einbau von [14C]-Acetyl-ASS-Radioaktivität in mikrosomales Plättchenprotein (1).

Auch Metamizol wurde dahingehend von einer Arbeitsgruppe untersucht. Hohlfeld konnte dies in einer ersten Studie 2008 nachweisen (2). MAA, der aktive Metabolit von Metamizol, kann in vitro die Hemmung der durch Arachidonsäure induzierten Plättchenaggregation, Thromboxanbildung und P-Selectin-Expression auf Thrombozyten durch ASS weitgehend abschwächen bzw. aufheben. Darüber hinaus schwächt MAA die Wirkung von ASS auf die COX-Aktivität der Thrombozyten-Mikrosomen. Dies ließe sich durch eine Konkurrenz von MAA mit ASS am COX-1-Enzym erklären. In-silico-Docking-Studien bestätigen, dass MAA eine starke Wasserstoffbrückenbindung am Serin 530 bzw. Tyrosin 385 eingeht, was die Bindung von ASS inhibiert (2). In der Studie von Saxena et al. wurde zwar die Interaktion zwischen Metamizol und ASS in einem Assay zur Plättchenaggregation in plättchenreichem Plasma gesunder Spender bestätigt, In-silico-Studien genau zu Metamizol selbst wurden zwar erwähnt, aber nicht gezeigt (10). Ähnliches wies eine Studie aus derselben Arbeitsgruppe von Polzin et al. in plättchenreichem Plasma nach (11). Analgetische Dosierungen von 10 µmol Metamizol hatten keine signifikante Wirkung auf Arachidonsäure-induzierte Plättchenaggregation und Thromboxanbildung. Die Koinkubation von ASS und Metamizol hob jedoch die die mittels 30 µmol ASS vermittelte Plättchenaggregationshemmung auf. Interessanterweise konnte diese Wechselwirkung durch Erhöhung der Konzentration von ASS überwunden werden. Zusammenfassend ist die Interaktion in vitro beschrieben, aber der Mechanismus nicht abschließend geklärt.

Studien an Probanden

Neben den reinen Reagenzglasstudien gibt es Untersuchungen an Probanden. Die Exposition von Probanden gegenüber einer einzelnen therapeutischen Dosis von jedem NSAID, gefolgt von 325 mg ASS, wies eine starke Arzneimittelwechselwirkung zwischen Ibuprofen und ASS bzw. zwischen Naproxen und ASS nach, nicht jedoch zwischen Celecoxib und ASS (12).

In einer Studie von Papp et al. aus einer anderen Arbeitsgruppe wurden herkömmliche Tests zur Plättchenfunktion in vivo und in vitro in Vollblut durchgeführt. In hohen Konzentrationen hemmen sowohl Metamizol als auch ASS die Plättchenaggregation. Bei Probanden, die entweder 1 g Metamizol oder 250 mg ASS bekamen, stellte sich eine unterschiedliche Kinetik dar. Nach wenigen Minuten inhibiert vor allem Metamizol die Aggregation – vermutlich durch die intravenöse Gabe. Nach mehreren Stunden konnte nachgewiesen werden, dass in der Kombination die ASS-Wirkung aufgehoben ist (13).

Initiale klinische Daten bei gesunden Probanden lieferten Hinweise, dass durch eine Erhöhung der ASS-Dosis die Interaktion zwischen ASS und Metamizol aufgehoben werden kann (11;14). Auch der Einnahmezeitpunkt (Pause von 30 min – 2 h) von Metamizol und ASS sowie die Reihenfolge der Einnahme (ASS vor Metamizol) könnten entscheidend sein (11;15). Denn die Gabe von 750 mg Metamizol 30 min nach 100 mg ASS kann die Interaktion aufheben und die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS erhalten. Zusammenfassend bestätigt sich bei Probanden, dass die kombinierte Einnahme von ASS und Metamizol die ASS-Wirkung auf Thrombozyten abschwächt, aber nicht komplett aufhebt (siehe unten).

Klinische Studien

Inwieweit diese Ergebnisse von In-vitro-Untersuchungen sowie die Untersuchungen an Probanden auch klinische Relevanz haben, zeigen kürzlich publizierte klinische Studien. Polzin et al. untersuchten Patienten mit einer Doppelmedikation von ASS (100 mg) und Metamizol (0,5–3 g/d), d. h. mit KHK und chronischen vorrangig muskulo-skeletalen Schmerzen, im Vergleich Patienten mit alleiniger ASS Medikation, d. h. mit KHK und ohne chronische Schmerzen (14). Die blockierende Wirkung von ASS auf die Plättchenaggregation und Thromboxanbildung im plättchenreichen Plasma war reduziert – allerdings auch nicht komplett aufgehoben, wenn man dies mit gesunden Spendern vergleicht. Gesunde Spender bilden in dem Assay ca. 1000 ng/ml Thromboxan. Unter ASS alleine reduziert sich dies bei KHK-Patienten auf 100 ng/ml, unter der Kombination von Metamizol und ASS auf ca. 200 ng/ml. Die klinische Relevanz dieses Befundes muss weiter geklärt werden.

Eine kürzlich publizierte Fallkontrollstudie an 27 Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung (Einnahme von Low-Dose-ASS (100 mg/d) lieferte Nachweise, dass es auch im klinischen Setting durch eine kurzzeitige Einnahme (mindestens fünf Tage) von Metamizol (1,5–4 g/d) zu einer Aufhebung der ASS-induzierten Thrombozytenhemmung sowie vermehrten Bildung des Thromboxan-B2-Komplexes kommt (16). Dies war klinisch relevant, da eine Thrombozytenaggregation sowie Thromboxan-B2-Komplexe bei Patienten mit vorausgegangenen Myokardinfakten signifikant erhöht sind. Bei allen Studienteilnehmern, die Metamizol erhalten hatten, waren die aktiven Metabolite MAA und AAA in hoher Konzentration nachweisbar, sodass sich die oben genannte Interaktion auch im klinischen Setting bestätigte. Bestätigt wurden diese Ergebnisse der Beeinträchtigung der ASS-induzierten Plättchenagregation auch in einer klinischen Studie an Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit nach erfolgter Bypassoperation, die 100 mg ASS in der Dauermedikation einnahmen (17).

Im Rahmen einer prospektiven Observationsstudie wurden 72 Patienten mit angiographisch gesicherter koronarer Herzerkrankung ohne Bypassoperation eingeschlossen, wobei die Hälfte der Patienten nur ASS und die andere Hälfte ASS in Kombination mit Metamizol eingenommen hatte (18). Als primärer Endpunkt wurde das Auftreten eines Myokardinfarktes, eines Schlaganfalls bzw. Sterblichkeit erfasst. Dabei stellte sich heraus, dass über einen Studienzeitraum von fünf Jahren die Mortalität in der Kombinationsgruppe dreifach so hoch war im Vergleich zur alleinigen ASS-Gruppe (Odds Ratio (OR): 2,8; p = 0,0049). Das Risiko für ein ischämisches Ereignis (Myokardinfarkt oder Schlaganfall) war sogar vierfach höher, wenn Patienten ASS zusammen mit Metamizol einnahmen (OR: 4; p = 0,03). Die Autoren wiesen aber darauf hin, dass dies erst initiale Ergebnisse seien, die in größeren Studien bestätigt werden müssten. Auch auf die klinische Erholung nach einem erfolgten Schlaganfall kann die kombinierte Einnahme von ASS und Metamizol Einfluss nehmen. Dannenberg und Kollegen zeigten im Rahmen einer prospektiven Observationsstudie an 41 Patienten, dass Patienten nach Einnahme von ASS und Metamizol eine reduziertere Plättchenhemmung haben und ein signifikant schlechteres neurologisches Outcome drei Monate nach dem Schlaganfall aufweisen (gemessen anhand der modifizierten Rankin-Skala, mRS: 0 = keine Symptome, 6 = Tod infolge Apoplex) (19).

Aus diesen Daten stellt sich aber natürlich die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, um eine Beeinträchtigung der ASS-induzierten Plättchenhemmung infolge einer kombinierten Einnahme von ASS und Metamizol zu verhindern. Eine aktuelle klinische Observationsstudie bei 72 Patienten mit KHK und einer Medikation mit ASS zeigte, dass die Reihenfolge (Metamizol vor ASS-Einnahme), die Dauer zwischen den Medikamenteneinnahmen (ASS-Einnahme weniger als 30 min vor der Metamizol-Einnahme), der Applikationsweg (intravenös statt oral) und die Dosis von Metamizol (3 g vs. 1 g Metamizol pro Tag) zu einer verminderten ASS-Wirkung führen könnten (20). Wie oben in der Probandenstudie erwähnt, könnten der Einnahmezeitpunkt, die Reihenfolge und die Dosis wichtig sein (11;15). Dies wurde auch kürzlich im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie an 43 Patienten nach einer Operation mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine bestätigt (21). Patienten in der Experimentalgruppe erhielten nach einer erfolgten Aorto-Koronaren-Venen-Bypass(ACVB)-Operation zunächst eine initiale Dosis von 300 mg ASS und anschließend nach frühestens drei Stunden Opioide in Kombination mit 1,25 g Metamizol (verteilt über drei Tagesdosen für insgesamt sechs Tage). Die Kontrollgruppe erhielt lediglich Opioide. In den folgenden Tagen erhielten alle Patienten 150 mg ASS pro Tag. Die erfolgten Thrombozytenaggregationstests zeigte keine signifikanten Unterschiede. Deshalb schlussfolgerten die Autoren, dass ein Einsatz von Metamizol bei Patienten mit ACVB-Operation nach einer erfolgten Loading Dose von ASS mit einem entsprechenden Zeitabstand (zwischen ASS und Metamizol) sicher sei. Allerdings ist die Studie aufgrund der geringen Teilnehmerzahl limitiert und diese Ergebnisse sollten in größeren Untersuchungen repliziert werden.

Um die Relevanz der Thrombozytenagggreationshemmung und der Interaktion ASS und Metamizol bei kurzzeitiger Gabe z. B. perioperativ abschätzen zu können, sollten zwei große Kohortenstudien zum ASS berücksichtigt werden. In großen randomisierten multizentrischen internationalen Studien wurde nämlich klar gezeigt, dass eine präoperative ASS-Einnahme vor einer geplanten ACVB-Operation bzw. auch bei nichtkardiochirurgischen Eingriffen keinen Einfluss auf die Mortalität bzw. für das Risiko für Myokardinfarkte hat (22-24). Dies verdeutlicht nochmals die Notwendigkeit der korrekten Indikationsstellung der Therapie mit ASS bzw. Metamizol einerseits bzw. mutmaßlich einen unterschiedlichen Umgang mit dieser Interaktion in der akuten perioperativen bzw. chronischen Schmerztherapie anderseits.

Fazit für die Praxis
  • In vitro und in vivo beeinträchtigt die kombinierte Einnahme von ASS und Metamizol die ASS-induzierte Thrombozytenaggregationshemmung, wie dies in mehreren Studien aus dem Umkreis einer Arbeitsgruppe nachgewiesen wurde. Vor weitergehenden Empfehlungen sollten die Ergebnisse in weiteren Gerinnungstests repliziert sowie der molekulare Mechanismus geklärt werden.
  • Initiale Daten an kleineren Patientenkollektiven machen deutlich, dass dies auch klinisch im Sinne eines höheren Risikos für Mortalität, Myokardinfarkte und Schlaganfälle bei vaskulär vorerkrankten Patienten mit chronischen Schmerzen und einer Einnahme vom Metamizol relevant sein könnte. Bis dahin sollte aus Sicherheitsgründen bei Patienten, die eine strikt indizierte Einnahme von ASS zur Thrombozytenaggregationshemmung aufweisen, die Indikation zu einer Behandlung mit Metamizol sehr genau gestellt und die Dosis sowie die Einnahmedauer so gering wie möglich gewählt werden.
  • Für die Akutschmerztherapie (u. a. postoperative Schmerztherapie) könnte diese Interaktion weniger relevant sein, da die präoperative ASS-Einnahme nach kardiochirurgischen als auch nicht kardiochirurgischen Eingriffen nicht zu einer geringeren Mortalität bzw. geringeren Zahl an Myokardinfarkte führte. Somit sollte die Interaktion von ASS und Metamizol, welches perioperativ für einen kurzen Zeitraum verabreicht wird, nicht unbedingt für ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bzw. eine erhöhte Mortalität verantwortlich sein.
  • Es hat sich gezeigt, dass bei einer zeitversetzten Einnahme (zuerst ASS, dann nach 30 min Metamizol), einer erhöhten Dosis von ASS (500 mg), einer geringeren Dosis von Metamizol (< 3 g pro Tag), einer oralen statt intravenösen Einnahme die Thrombozytenaggregationshemmung durch ASS weitestgehend erhalten bleibt. Inwieweit dies auch im längerfristigen Verlauf anhält, ist aktuell nicht klar.
  • Limitiert sind diese Schlussfolgerungen durch die aktuell geringen Datensätze, sodass die Ergebnisse in größeren kontrollierten Studien repliziert werden müssen. Weiterhin einschränkend ist zu bemerken, dass Validierungen aus anderen Arbeitsgruppen bisher fehlen. Allerdings ist Metamizol in vielen Ländern nicht zugelassen, sodass das globale Forschungsinteresse in diesem Bereich in der Zukunft nicht groß sein wird.
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Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.