Akute interstitielle Nephritis unter Vedolizumab

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2019

Acute interstitial nephritis with vedolizumab

Autoren

Zusammenfassung

Fallbericht über eine bioptisch gesicherte chronische interstitielle Nephritis, die sich nach Absetzen von Vedolizumab wieder besserte.

Abstract

Case report of a biopsy proven chronic interstitial nephritis that improved after discontinuation of vedolizumab.

Vedolizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper, der spezifisch an α4β7-Integrin bindet, welches vor allem auf T-Helfer-Lymphozyten exprimiert wird, die vorzugsweise in den Magen-Darm-Trakt (GI) migrieren und eine Entzündung verursachen, die charakteristisch für Colitis ulcerosa und Morbus Crohn ist (1). Indiziert ist Vedolizumab für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelschwerem bis schwerem aktiven Morbus Crohn, die entweder auf konventionelle Therapie oder einen der Tumornekrosefaktor-alpha (TNFα)-Antagonisten unzureichend angesprochen haben, nicht mehr darauf ansprechen oder eine Unverträglichkeit gegen eine entsprechende Behandlung aufweisen (1).

Der AkdÄ wurde der Fall eines 26-jährigen Patienten mit einer seit etwa neun Jahren bekannten Colitis ulcerosa berichtet, der seit Anfang 2015 Vedolizumab 300 mg i.v. alle acht Wochen erhielt (wegen Unverträglichkeit von Ciclosporin). Etwa ein Jahr nach Beginn der Vedolizumab-Behandlung wurden erstmalig erhöhte Nierenwerte festgestellt. Kreatininanstieg in den folgenden neun Monaten bis auf 2,21 mg/dl. Dann wurde Vedolizumab abgesetzt. Bei einem Kreatinin von 2,36 mg/dl weitere zwei Monate später wurde eine Nierenbiopsie durchgeführt, die den Nachweis eines fokalen kleinherdigen chronischen tubulointerstitiellen Schadens erbrachte. Dann konsekutiver Abfall des Serumkreatinins in den folgenden vier Monaten bis auf 1,75 mg/dl. Ein Urinsediment vor Nierenbiopsie war negativ, Proteinurie 74 mg/24 h. Deutlich erhöhte Leberwerte: Gamma GT 389 U/l, GPT 205 U/l, AP 265 U/l. Diese Maximalwerte sind schwankend, bei einer späteren Blutentnahme wird ein Zustand nach Hepatitis E festgestellt; Hepatitis B und C negativ. Eosinophilie von 7,1 % im Differenzialblutbild, die zuletzt nicht mehr nachweisbar ist. Keinerlei Begleitmedikation.

Der Patient wurde über knapp ein Jahr mit Vedolizumab behandelt, bevor der erste Kreatininanstieg auffällig wurde. Über Kontrollintervalle des Kreatinins vorher ist nichts bekannt. Histologisch wurde eine interstitielle Nephritis beschrieben (weniger als 5 % des Cortex betreffend), die eigentlich den Nierenfunktionsverlust nicht hinreichend erklärt, aber gut zu einer unerwünschten Arzneimittelwirkung passen würde. Zur medikamentös allergischen Genese passt auch die Eosinophilie, die sich bei einer Kontrolle im Januar noch gering findet, aber zwei Monate später nicht mehr. Da sonst keine Medikamente dauerhaft eingenommen wurden (was allerdings bei diesem Krankheitsbild ungewöhnlich ist), käme als auslösendes Agens das Vedolizumab infrage. Dafür spricht auch die Besserung nach Absetzen des Medikaments. Ungewöhnlich ist, dass das Urinsediment blande war und keine relevante Proteinurie bestand.

Als wichtige identifizierte Risiken von Vedolizumab werden Infusionsreaktionen, Überempfindlichkeitsreaktionen allgemein und Infektionen der oberen Atemwege genannt (2). Als bedeutsame potenzielle Risiken aufgrund des Wirkmechanismus gelten Infektionen des Gastrointestinaltrakts und andere schwerwiegende Infektionen sowie eventuell Krebserkrankungen. Zur weiteren Klärung, ob es sich dabei um relevante Risiken handelt, werden Untersuchungen zu Langzeitsicherheit durchgeführt.

In der Fachinformation von Vedolizumab werden bislang keine Nebenwirkungen an der Niere aufgeführt (1). Ein weiterer Fall von Vedolizumab assoziierter interstitieller Nephritis ist jedoch in der Literatur beschrieben (3). In der europäischen EudraVigilance-Datenbank finden sich (inklusive dem von uns dargestellten Fall und dem Literaturfall) mindestens vier Berichte über eine interstitielle Nephritis im Zusammenhang mit Vedolizumab. Interstitielle Nephritiden werden auch als Folge einer Colitis ulcerosa immer wieder vermutet (4), sind aber in aller Regel Aminosalicylat assoziiert.

Fazit für die Praxis

Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Gabe des Vedolizumab und der histologisch gesicherten interstitiellen Nephritis und die Besserung nach Absetzen des Medikaments bei fehlenden sonstigen möglichen Auslösern machen das Vedolizumab als Verursacher der Nierenfunktionsverschlechterung wahrscheinlich.

Verdachtsfälle von Nebenwirkungen sollten der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeldet werden (https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/UAW-Meldung/).

Literatur
  1. Takeda: Gebrauchsinformation „Entyvio®“. Stand: 27. November 2015.
  2. European Medicines Agency: Summary of the risk management plan (RMP) for Entyvio (vedolizumab): www.ema.europa.eu/documents/rmp-summary/entyvio-epar-risk-management-plan-summary_en.pdf (letzter Zugriff: 20. November 2018). EMA/174665/2014; London, 4. Juni 2014.
  3. Bailly E, Von Tokarski F, Beau-Salinas F et al.: Interstitial nephritis secondary to vedolizumab treatment in crohn disease and safe rechallenge using steroids: a case report. Am J Kidney Dis 2018; 71: 142-145.
  4. Ambruzs JM, Walker PD, Larsen CP: The histopathologic spectrum of kidney biopsies in patients with inflammatory bowel disease. Clin J Am Soc Nephrol 2014; 9: 265-270.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.