Komplexität der Arzneimitteltherapie als Ursache vermeidbarer Risiken: Hinweise aus Routinedaten

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2018

Abstract II-06

5. Deutscher Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie; Berlin, 18.–19. Oktober 2018

V. Lappe1, P. Ihle1, I. Schubert1, K. D. Grandt2

1Universität zu Köln PMV Forschungsgruppe, Herderstraße 52, 50931 Köln, Deutschland
2Klinikum Saarbrücken Innere Medizin I, Winterberg 1, 66119 Saarbrücken, Deutschland

Einleitung

Die Risiken einer Arzneitherapie steigen bekanntermaßen auch mit der Zahl der angewendeten Wirkstoffe (1). Der Medikationsplan, der gesetzlich Versicherten ab drei verordneten Medikamenten zusteht, zielt darauf ab, Risiken der Arzneitherapie zu minimieren.

Ziel der Untersuchung war, auf Basis von Krankenkassendaten zu ermitteln, wie viele unterschiedliche Wirkstoffe Versicherte gleichzeitig erhielten. Um potenziell mögliche Interaktionen abzuschätzen, wurden alle Zweier-Wirkstoffkombinationen, die sich aus den gleichzeitig bei einem Versicherten eingesetzten Wirkstoffen bilden lassen, ermittelt.

Methoden

Datenbasis: Routinedaten der BARMER für 2016 von 8.331.838 durchgängig (bis zum Tod) Versicherten. Wirkstoffe (ohne lokal anzuwendende Dermatika) kodiert mit siebenstelligem ATC-Code, wobei ATC-Codes für Wirkstoffkombinationen, soweit möglich, in Einzel-ATC-Codes aufgeschlüsselt wurden. Definition Behandlungszeitraum: Anwendung einer definierten Tagesdosis (DDD) ab Apothekenabgabedatum, einschließlich aus dem Vorjahr hineinreichender Verordnungen. Definition Polypharmazie: gleichzeitige Verordnung von fünf und mehr verschiedenen Wirkstoffen.

Ergebnisse

In 2016 wurden den rund 8 Millionen Versicherten 1860 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe verordnet. 45 % aller Versicherten und 75 % der 65- bis 79-Jährigen hatten, mit mindestens drei gleichzeitigen Wirkstoffen, Anspruch auf einem Medikationsplan. Polypharmazie bestand bei knapp 25 % aller Versicherten (50 % der 65- bis 79-Jährigen). Insgesamt wurden 454.012 verschiedene Kombinationen von zwei Arzneimittelwirkstoffen (26 % der möglichen Kombinationen) verordnet, 111.402 Kombinationen wurden jeweils nur einem Versicherten verordnet, 76 Kombinationen mehr als 100.000 Versicherten. Die häufigste Kombination war Pantoprazol + Ibuprofen (315.765 Versicherte, 3,8 %), die zweithäufigste Pantoprazol + Metamizol (312.007 Versicherte, 3,7 %).

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die hohe Anzahl an Patienten mit Polypharmazie zeigt die Relevanz, Maßnahmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit zu implementieren. Unseres Wissens wurde hier erstmalig der Umfang verordneter Wirkstoffkombinationen erhoben. Die große Vielfalt der in der Praxis vorkommenden Kombinationen macht deutlich, dass – zumal viele Kombinationen nur selten verordnet werden – eine sichere Arzneimitteltherapie eine elektronische Unterstützung zum Zeitpunkt der Verordnung benötigt (2;3).

Danksagung: Die Untersuchung wurde im Rahmen des „Arzneimittelreports 2018“ der BARMER erstellt und finanziert.

Referenzen

  1. Slabaugh et al., Drugs Aging, 27, 1019-28.
  2. Thürmann P; BARMER Arzneimittelreport 2018; 10: 142-152.
  3. Haefeli WE, Seidling HM; Bundesgesundheitsblatt 2018; 61: 271-77.


Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von den Autoren verneint.