War all das Wasser umsonst?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2017

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Die Leitlinien zur Prävention eines kontrastmittelinduzierten Nierenversagens beinhalten eine Wässerung vor dem Eingriff und die Bevorzugung niedrig oder isoosmolarer Kontrastmittel (1). Welche Patienten die Prophylaxe erhalten sollen und ob es darüber hinaus noch andere Möglichkeiten der Vorbeugung gibt, darüber herrscht keine Einigkeit.

Nun scheint es auch bei der Wässerung mit dieser Einigkeit vorbei zu sein: In ihrem Artikel zum akuten Nierenversagen nach Kontrastmittel (2) (S. 173 ff. in diesem Heft) diskutiert Frau Professorin Erley die Frage, ob es das akute Nierenversagen nach Kontrastmittel überhaupt noch gibt, bei welchen Patienten die Wässerung sinnvoll ist und bei welchen auf sie verzichtet werden kann ohne die Patienten zu gefährden.

Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion erhalten vor geplanter Kontrastmittelgabe eine Wässerung. In der Regel beginnt diese zwölf Stunden vor dem Eingriff. Die Indikation zu dieser Maßnahme wird immer weiter ausgedehnt, im Zweifelsfalle will man auf Nummer sicher gehen. Wasser schade ja nicht.

Aber: Die Patienten müssen einen Tag vor Untersuchungen stationär aufgenommen werden. Isotonische Kochsalzlösung ist darüber hinaus keineswegs immer ungefährlich: Selten, aber doch immer wieder kommt es zu Überwässerungen bzw. Dekompensationen einer Herzinsuffizienz. Das ist gefährlich für den Patienten und kann die Nierenfunktion selber verschlechtern. Die alternative Bicarbonatinfusion eine Stunde vor dem Eingriff, die darüber hinaus noch speziell angemischt werden musste, hat sich als nicht wirksam erwiesen (2).

Patienten werden mit Risikoscores aufgeklärt, die ein wahrscheinlich zu hohes Risiko für den Eintritt einer Dialysepflicht nennen (3). Soll das alles völlig übertrieben sein? In Kidney International erschien ein Editorial zu diesem Thema: „Much ado about nothing?“ (4). Die generelle Übertragbarkeit der neueren Studien auf intraarterielle Prozeduren und auf Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion (< 45 ml/min) wird darin infrage gestellt.

Schon länger ist bekannt, dass die intraarterielle Gabe von Kontrastmittel mit einem deutlich höheren Risiko für die Nieren behaftet ist als die intravenöse. Kann das nur an Cholesterinembolien liegen? Eine durchaus spannende Frage, die Frau Erley hier aufwirft.

Was bleibt von der Wässerung übrig? Bei einer GFR von > 45 ml/min und intravenöser Gabe von Kontrastmittel scheint sie nicht nötig zu sein. Ob sie auch bei schlechterer Nierenfunktion und/oder intraarterieller Applikation überflüssig ist, werden erst die nächsten Studien zeigen (5).

MRT-Untersuchungen als Alternative scheinen auch nicht unproblematisch zu sein (6), obwohl mit den neueren Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln das Risiko einer nephrogenen systemischen Fibrose nicht mehr zu bestehen scheint (7).

Die Evidenz für eine Wässerung zur Vorbeugung einer kontrastmittelinduzierten Nephropathie zumindest bei gering bis mittelgradig eingeschränkter Nierenfunktion scheint gering zu sein (8). „Wir haben das immer so gemacht“ und „Wasser schadet nicht“ sind keine evidenzbasierten Begründungen um dieses Vorgehen weiter zu rechtfertigen.

Die Radiologen möchten bei den Untersuchungen das geringstmögliche Risiko für den Patienten eingehen, die anderen Fachrichtungen möchten die bestmögliche Aussagekraft der Bildgebung, wenn nötig auch mit Kontrastmittel. Der klinisch tätige Arzt wünscht sich eine klare Stellungnahme der Fachgesellschaften, die empfiehlt, welche Patienten welche Vorbereitung vor einer geplanten Kontrastmittelgabe benötigen.

Fazit für die Praxis

Bei einer Computertomografie sollte man bei eingeschränkter glomerulärer Filtrationsrate auf Kontrastmittel nicht verzichten, wenn die Gabe für eine gute Aussagekraft nötig ist. Die applizierte Menge sollte niedrig gehalten werden. Eine Exsikkose sollte man ausgleichen, eine Überwässerung vermeiden und nephrotoxische Medikamente gehören abgesetzt (insbesondere NSAR und Coxibe). Aber: Für eine komplette Aufgabe der bisherigen Wässerung zur Prophylaxe einer kontrastmittelinduzierten Nephropathie ist es wohl noch zu früh.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. F, De Mulder E, Van de Bruaene C et al.: Selecting a strategy for prevention of contrast-induced nephropathy in clinical practice: an evaluation of different clinical practice guidelines using the AGREE tool. Nephrol Dial Transplant 2015; 30: 1300-1306.
  2. C: Akutes Nierenversagen nach Kontrastmittel. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2017; 44: 173-176.
  3. SA, Shah PM, Chertow GM et al.: Risk prediction models for contrast induced nephropathy: systematic review. BMJ 2015; 351: h4395.
  4. CM, Camargo M, Coca SG: Prophylactic hydration to prevent contrast-induced nephropathy: much ado about nothing? Kidney Int 2017; 92: 4-6.
  5. of Serious Adverse Events Following Angiography (PRESERVE):https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01467466
  6. Medicines Agency: PRAC concludes assessment of gadolinium agents used in body scans and recommends regulatory actions, including suspension for some marketing authorisations.http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Press_release/2017/03/WC500223209.pdf
  7. G, Bloomgarden DC, Rofsky NM et al.: Prospective Cohort Study of Nephrogenic Systemic Fibrosis in Patients With Stage 3-5 Chronic Kidney Disease Undergoing MRI With Injected Gadobenate Dimeglumine or Gadoteridol. AJR Am J Roentgenol 2015; 205: 469-478.
  8. RD, Westafer LM, Boxen JL et al.: Acute kidney injury after computed tomography: a meta-analysis. Ann Emerg Med 2017: Epub ahead of print.