Akutes Nierenversagen nach Kontrastmittel
Zusammenfassung
Neuere Untersuchungen zur Prophylaxe der akuten kontrastmittelinduzierten Nephropathie werden diskutiert. Die bisherigen vorbeugenden Maßnahmen scheinen demnach nicht mehr ausreichend evidenzbasiert.
Abstract
Newer studies for the prophylaxis of contrast-induced nephropathy are discussed. Currently there seem to be no evidence-based preventive measures.
Einleitung
In Amerika und Europa wird ein akutes Nierenversagen (ANV) nach der Gabe jodhaltiger Kontrastmittel (Kontrastmittelnephropathie, CIN – contrast-induced nephropathy) seit vielen Jahren für ca. 10 % aller im Krankenhaus erworbenen Nierenversagen verantwortlich gemacht (1). Die Inzidenz dieser „Erkrankung“ ist je nach Publikation stark abhängig von der zugrunde gelegten Definition des akuten Nierenversagens, der Art und der Dosis des Kontrastmittels (KM), der Art der durchgeführten Prozedur und natürlich von den patientenbezogenen Risikofaktoren – vor allem von einer vorbestehenden Niereninsuffizienz (2). Das Auftreten eines ANV nach Kontrastmittelgabe ist anhand von Langzeituntersuchungen dabei keine rein passagere Kreatininretention und somit keine „Laborkrankheit“ ohne Krankheitswert, wie vielfach behauptet wird. Vielmehr führt es genau wie alle anderen Formen des akuten Nierenversagens in bis zu 30 % zu einer dauerhaften Niereninsuffizienz und zu einer deutlichen Mortalitätssteigerung (3). Zahlreiche epidemiologische Studien zeigten zudem eine erhöhte (insbesondere kardiovaskuläre) Morbidität und eine gesteigerte Krankenhauslangzeitmortalität sowie eine höhere Inzidenz langfristiger schwerwiegender Ereignisse vor allem bei bereits niereninsuffizienten Patienten (4) nach stattgehabtem ANV.
Trotz dieser zum Teil klaren Aussagen ist die genaue Definition einer CIN immer noch problematisch und richtet sich zunehmend nach den (ebenfalls in letzten Jahren immer wieder neu definierten!) Kriterien des akuten Nierenversagens (RIFLE, AKIN, KDOQI). Derzeit wird eine CIN traditionell definiert als Kreatininanstieg um > 25 % oder 0,5 mg/dl absolut innerhalb von zwei bis drei Tagen nach KM-Applikation. KDOQI schlug 2013 vor, die allgemein gültige AKI-Definition (acute kidney injury) auch auf die CIN anzuwenden: Kreatininanstieg ≥ 0,3 mg/dl oder um mehr als das 1,5-Fache des Ausgangswertes innerhalb von 48 Stunden.
Neben der fehlenden einheitlichen Definition des ANV nach KM kommt erschwerend hinzu, dass ein Kreatininanstieg auch ohne KM-Belastung bei bis zu 30 % der Patienten im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts zu verzeichnen ist (5). Die Autoren dieser Arbeit und die einer weiteren Arbeit, die sich ebenfalls mit den Kreatininschwankungen unabhängig von der Gabe jodhaltiger Kontrastmittel beschäftigte und zu einem ähnlichen Ergebnis kam (6), schließen daraus, dass bei Studien zur CIN möglichst immer eine Kontrollgruppe ohne KM-Belastung zum Ausschluss bzw. Einberechnung dieses „Hintergrundrauschens“ mit untersucht werden muss.
Gibt es die Kontrastmittelnephropathie (CIN) überhaupt?
Aufgrund der Heterogenität der Studien und der Fluktuation des Kreatininverlaufes im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes werden immer wieder Stimmen laut, die die Existenz dieser Krankheitsentität anzweifeln (7). Hierbei werden die Skeptiker unterstützt durch neuere Studien. So konnte eine kontrollierte Studie aus Dänemark (8) zeigen, dass sowohl bei KM-angehobenem CT als auch bei nativem CT und bei einem MRT die Fluktuation der eGFR vor und drei Tage nach der Bildgebung so hoch war, dass eine klare Identifikation eines ANV (im Sinne einer CIN) letztendlich nicht möglich war. Eine weitere große Studie an > 60.000 Patienten, die eine CT-Untersuchung mit und ohne Kontrastmittel oder gar kein CT erhielten (9), konnte ebenfalls keine erhöhte Inzidenz eines ANV in der Gruppe mit Kontrastmittelgabe nachweisen. Eine große Analyse der Daten aus dem Datensatz der Nationwide Inpatient Sample (NIS) des Jahres 2009 mit Daten von 7.810.762 Patienten kam ebenfalls zu dem Resultat, dass das Risiko für eine CIN sowohl in der Literatur, als auch von den behandelnden Ärzten überschätzt wird (7). Es muss hierbei erwähnt werden, dass dies insbesondere für die Gabe von Kontrastmittel im Rahmen einer CT-Untersuchung gilt. Interventionelle Untersuchungen (zum Beispiel Koronarangiographie, Becken-Bein-Angiographie) führen in der Regel häufiger zu einem postinterventionellen ANV als rein diagnostische intravenöse KM-Gaben (z. B. KM-angehobenes CT). Ursächlich hierfür ist dabei vermutlich weniger das eingesetzte KM als eventuell das Auftreten von (Cholesterin-)Embolien (zum Beispiel durch Plaque-Rupturen).
Maßnahmen zu Verhinderung eines ANV nach KM-Gabe
In den letzten zehn Jahren gab es eine Vielzahl von Studien die sich mit der Prävention dieser Form des akuten Nierenversagens beschäftigten. Die hierbei zahlenmäßig am häufigsten untersuchten Interventionen, die die letzten zehn Jahre dominierten, waren:
1. Die periprozedurale Hydratationen mit Kochsalzlösungen und Natriumbikarbonat-haltigen Lösungen
Eine Analyse der Studien, die sich mit der periprozeduralen Volumenexpansion, insbesondere der Gabe von isotonischer Kochsalzlösung (i.v.) befassten (10), kam zu dem Schluss, dass eine klare Therapieempfehlung nicht abgeleitet werden kann, da die Flüssigkeitsmenge, die Flüssigkeitsart und die Dauer in den Untersuchungen unterschiedlich war und die Fallzahl oft zu gering (insbesondere wenn man die oben angeführte Fluktuation des Kreatinin als Hauptindikator eines CIN mitberücksichtigt). Die wohl größte Studie zu diesem Thema ist aktuell im Lancet erschienen und konnte keine Überlegenheit der prophylaktischen Hydratation bei Risikopatienten nachweisen (11). Diese Studie ist die erste prospektiv randomisierte klinische Studie, die den Effekt einer intravenösen Prähydratation vor Gabe einer sehr geringen Menge eines modernen KM untersuchte (vorgewärmtes, niedrig-osmolares, monomerisches nicht-ionisches KM Iopromid mit einem Jodgehalt von 300 mg/ml). Das intravenöse Gesamtvolumen betrug im Mittel 1637 ml und die Menge an Kontrastmittel 91 ml. Eingeschlossen wurden 600 Patienten mit einer GFR > 30 ml/min.
Eine besondere Aufmerksamkeit erregte zeitweise eine sehr eindrucksvolle Studie, die eine Natriumbikarbonat-haltige Lösung zur Prävention der CIN verwendete (12). Hier gab es danach zahlreiche große und kleine Studien mit sehr unterschiedlichem Ausgang. Letztendlich zeigte eine große Metaanalyse, die spezielle Selektionskriterien für die Studien anlegte, keinen Benefit für Natriumbikarbonat-haltige Lösungen und diese Maßnahme wurde wieder verlassen (13).
2. Die Gabe von Acetylcystein (ACC)
ACC wirkt antioxidativ und gefäßerweiternd und soll so die CIN verhindern. Seit der ersten Beschreibung durch Tepel (14) wurde dieser Ansatz sehr kontrovers und engagiert diskutiert. Trotz einer Vielzahl von Folgestudien und auch einer Vielzahl von Metaanalysen war es aufgrund der Heterogenität der Ergebnisse zu unterschiedlichen Empfehlungen der Experten gekommen. Die Heterogenität der Ergebnisse wurde zurückgeführt auf: Unterdosierung, unterschiedliche Applikation (p.o. versus i.v.), den Einfluss von ACC auf die Kreatininbestimmung (falsch niedrige Ergebnisse unter ACC), die unterschiedliche Bioverfügbarkeit je nach Präparat und Patient und zuletzt auf die hohe Inzidenzrate des ANV in den Kontrollgruppen. Die letztendlich entscheidende (weil von der Fallzahl ausreichend hoch angesetzte) Studie erschien dann 2011 in Circulation und hat den „Hype“ um das ACC insofern beendet, als dass eine Effektivität nicht nachgewiesen werden konnte (15).
Fazit für die Praxis
Aktuell gilt es in den nächsten Jahren diese Form des ANV neu und präzise zu definieren. Hierbei kann es durchaus sein, dass die Entität CIN oder Kontrastmittelnephrotoxität als eigenständiges „Krankheitsbild“, insbesondere bei der Indikation einer KM-Gabe im Rahmen einer CT-Untersuchung, nicht mehr aufrechterhalten werden kann (Stichwort Hintergrundrauschen). Ob sich weitere spezifische Präventionsmaßnamen in den nächsten Jahren erarbeiten lassen und ob diese wirklich speziell auf die Nierenfunktionsverschlechterung nach KM zielen, bleibt abzuwarten. Unbenommen ist aber, dass ein (wenn auch nur laborchemisch nachweisbares) Nierenversagen eine für die Patienten äußerst folgenschwere Entwicklung im Hinblick auf seine Mortalität und Morbidität darstellt. Aktuell kann man lediglich die Empfehlung geben, Risikopatienten (hier vor allem Patienten mit bekannter Einschränkung der GFR) nicht zu dehydrieren und die zusätzliche Gabe nephrotoxischer Medikamente (vor allem NSAID) bei Kontrastmittelapplikation zu vermeiden. Spezifische pharmakologische oder therapeutische Interventionen sind aufgrund der derzeitigen Datenlage nicht mit einem hohen Evidenzgrad belegt. Eine Alternative zu einer KM-angehobenen CT-Untersuchung ist vielfach eine MRT-Untersuchung (diese ist bei neueren Geräten auch mit immer weniger KM-Menge möglich!). Eine klinisch notwendige Untersuchung (z. B. Koronarangiographie oder kontrastangehobenes CT zur Gefäßdiagnostik) sollte auch Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht vorenthalten werden.
Interessenkonflikte
Ein Interessenkonflikt wird von der Autorin verneint.
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vorab online
Dieser Artikel wurde am 7. September 2017 vorab online veröffentlicht.