Weihrauch zur Behandlung der Arthrose?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2017

Autor

Zusammenfassung

Die Arthroseschmerzen sollen nach oraler Einnahme von Weihrauchextrakten gelindert werden, so die Ergebnisse aus vier kleinen, placebokontrollierten klinischen Studien. Die Ergebnisse wurden mit drei Weihrauch-Spezialextrakten erzielt und müssen erst noch in größeren Studien bestätigt werden. In Deutschland sind weihrauchhaltige Präparate nicht als Arzneimittel zugelassen und nur als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Diese unterscheiden sich hinsichtlich Zusammensetzung und Qualität sowohl von den drei indischen Präparaten als auch untereinander, sodass die Ergebnisse der vier Studien zur klinischen Wirkung und Dosierung nicht auf andere, in Deutschland erhältliche Präparate übertragen werden können. Der Einsatz von Weihrauch wird aufgrund der unzulänglichen klinischen Datenlage nicht empfohlen.

Abstract

According to four small, placebo-controlled clinical trials, oral administration of frankincense allegedly alleviates osteoarthritic pain. The results obtained with three special frankincense extracts need to be confirmed in larger, confirmatory studies. In Germany frankincense-containing preparations are not approved as pharmaceuticals, and are only available as nutraceuticals. These nutraceuticals differ from the three Indian preparations as well as between each other concerning composition and quality, so that the results obtained in these four trials about clinical effects and dosages can not be extrapolated to nutraceuticals available in Germany. The use of frankincense is currently not recommended due to poor clinical data available.

Weihrauch wird in der traditionellen indischen Medizin, Ayurveda, bei verschiedenen Erkrankungen einschließlich schmerzhafter Gelenke eingesetzt. Weihrauchextrakte sollen bei oraler Applikation, so die Werbung, Entzündungen hemmen und Schmerzen lindern und daher auch bei Arthrose helfen. Weihrauch erfreut sich somit einiger Beliebtheit bei Arthrosepatienten. Die Volkskrankheit Arthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung, die mit Schmerz, Entzündung und zunehmender Bewegungseinschränkung einhergeht, die als massive Beeinträchtigung des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Die Arthrose ist in der älteren Bevölkerung vermehrt nachweisbar, wobei der Anteil Betroffener beispielsweise bei 70- bis 79-jährigen Frauen bei 50 % und bei gleichaltrigen Männern bei 33 % liegt (1). Der verständliche Wunsch nach Erhalt der vollen schmerzfreien Mobilität im Alter bedeutet, dass die Pharmaka möglichst kausal wirken und vor allem den Schmerz und die Entzündung mit möglichst wenigen Nebenwirkungen hemmen sollen. Die konservative Therapie der Arthrose erfolgt heute im Wesentlichen symptomatisch, als Monotherapie oder als Kombination physikalischer, physiotherapeutischer und medikamentöser Maßnahmen.

Die Annahme, dass Weihrauchextrakte antiphlogistisch und analgetisch wirksam sind, beruht sowohl auf präklinischen als auch auf kleinen klinischen Studien. So konnte bereits nachgewiesen werden, dass die verschiedenen Boswelliasäuren des Weihrauchs die Bildung von Leukotrienen, Prostaglandinen und proinflammatorischen Zytokinen wie IL-1, IL-6 und TNFα hemmen können, die bei chronisch entzündlichen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen (2).

In insgesamt vier kleinen, placebokontrollierten klinischen Studien aus Indien werden nur kleine Kohorten mit durchschnittlich 22 Patienten miteinander verglichen, wobei eine schmerzlindernde und funktionsverbessernde Wirkung von drei indischen Weihrauch-Spezialextrakten (Cap-Wokvel®, 5-Loxin®, Aflapin®) gezeigt wurde (3-6). Bis auf eine Studie (3) werden international anerkannte Bewertungsscores (Western Ontario and McMaster Universities Osteoarthritis Index und/oder Lequesne-Index) benutzt, um die analgetische und funktionsverbessernde Wirkung zu erfassen. Keine Studie dauerte länger als ein halbes Jahr. In zwei der vier Studien sind drei Autoren einschließlich des Erstautors Sengupta Mitarbeiter der Herstellerfirma, was bei einer Gewichtung berücksichtigt werden muss.

Größere, konfirmatorische Studien müssen die Wirkungen noch präzise erfassen, damit diese nicht über- oder sogar falsch bewertet werden. Aufgrund der fehlenden Repräsentativität der kleinen Kohorten sind Schlussfolgerungen für die Millionen Arthrosepatienten wie z. B. die Frage, welche Patientengruppen vor allem von einer Therapie profitieren, nicht möglich. Die Datenlage entspricht somit keineswegs den aufwendigen Wirknachweisen, die in Deutschland für Arzneimittel verlangt werden. Konfirmatorische Studien sind auch angesichts der hohen Nachfrage nach Weihrauchpräparaten notwendig, um solide und leitlinienrelevante Aussagen zum therapeutischen Nutzen sowie zu unerwünschten Wirkungen machen zu können. Weihrauch ist als Arzneimittel in Deutschland nicht erhältlich. Eine Ausnahme bildet ein homöopathisches Arzneimittel.

Eine Vielzahl an Weihrauchpräparaten wird in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, wobei das Gummiharz des indischen (Boswellia serrata) oder afrikanischen Weihrauchs (Boswellia carterii) in Form von Tabletten oder Kapseln angeboten wird. Ihr Einsatz für die Behandlung einer Kniearthrose ist gemäß einer aktuellen ausführlichen Stellungnahme der Verbraucherzentrale nicht ratsam (7). Nahrungsergänzungsmittel sind zudem keine Arzneimittel, sondern Lebensmittel. Der Anwender ist der Verbraucher und nicht der Patient. Ansonsten wären sie nämlich nicht zugelassene Arzneimittel und dürften hier nicht vertrieben werden. Gemäß §2 Abs 3a Arzneimittelgesetz gilt eine sogenannte „Zweifelsfall-Regelung“ die besagt, dass ein Produkt nicht zeitgleich ein Lebensmittel und ein Arzneimittel sein kann und daher im Zweifel dem strengen Arzneimittelgesetz zum Schutz des Verbrauchers unterstellt wird. Zudem besitzt Weihrauch als Nahrungsergänzungsmittel derzeit keinen „Health Claim“. Eine solche gesundheitsbezogene Aussage wird nur auf Antrag des Herstellers genehmigt, sofern sie einer wissenschaftlichen Prüfung standhält. Somit darf keine gesundheitsbezogene Werbung für Weihrauch gemäß geltender EU-Verordnung gemacht werden.

Auf mögliche Verunreinigungen von Weihrauchpräparaten mit Blei wird nicht nur in dem aktuellen Beitrag der Verbraucherzentrale sondern auch in der Publikation vom Zentrallabor Deutscher Apotheker in Eschborn (8) sowie in einer aktuellen Publikation von Moraes et al. (9) hingewiesen. Daneben zeigt die Publikation des Zentrallabors unter anderem auch, dass die Einstellung der Präparate auf einen bestimmten Wirkstoffgehalt nicht standardisiert ist, die Zusammensetzung und somit Qualität der Präparate beträchtlich variieren kann und teilweise falsche Angaben auf den Verpackungen gemacht werden.

Die in Indien untersuchten drei Weihrauch-Spezialextrakte sind in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen und unterscheiden sich zudem in ihrer Zusammensetzung von den hier erhältlichen weihrauchhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln. Aussagen z. B. hinsichtlich Dosierung und Wirkung anderer, hier erhältlicher Nahrungsergänzungsmittel lassen sich somit nicht machen.

Fazit für die Praxis

Es gibt nur wenige, kleine klinische Studien zur Therapie der Arthrose mit Weihrauch, die schon allein deshalb nur bedingt aussagekräftig sind. Hier besteht noch ein beachtlicher Forschungsbedarf an konfirmatorisch zu wertenden Studien, um den therapeutischen Nutzen von Weihrauch zur Therapie der Arthrose zu klären. In Deutschland gibt es keine zugelassenen weihrauchhaltigen Arzneimittel. Die drei klinisch untersuchten indischen Weihrauch-Spezialextrakte unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung von den hier erhältlichen weihrauchhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln. Eine Übertragung der Aussagen zu Dosierung und Wirkung auf andere Präparate ist daher nicht möglich. Die hier erhältlichen Weihrauchpräparate unterscheiden sich wiederum hinsichtlich Wirkstoffeinstellung und Qualität. Der Einsatz von Weihrauch wird aufgrund der unzulänglichen klinischen Datenlage nicht empfohlen.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Fuchs J, Rabenberg M, Scheidt-Nave C: Prävalenz ausgewählter muskuloskelettaler Erkrankungen. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl 2013; 56: 678-686.
  2. Ammon HP: Boswellic acids and their role in chronic inflammatory diseases. Adv Exp Med Biol 2016; 928: 291-327.
  3. Kimmatkar N, Thawani v, Hingorani L, Khiyani R: Efficacy and tolerability of Boswellia serrata extract in treatment of osteoarthritis of knee – a randomized double blind placebo controlled trial. Phytomedicine 2003; 10: 3-7.
  4. Sengupta K, Alluri KV, Satish AR et al.: A double blind, randomized, placebo controlled study of the efficacy and safety of 5-Loxin® for treatment of osteoarthritis of the knee. Arthritis Res Ther 2008; 10: R85.
  5. Sengupta K, Krishnaraju AV, Vishal AA et al.: Comparative efficacy and tolerability of 5-Loxin® and Aflapin® against osteoarthritis of the knee: A double blind, randomized, placebo controlled clinical study. Int J Med Sci 2010; 7: 366-377.
  6. Vishal AA, Mishra A, Raychaudhuri SP: A double blind, randomized, placebo controlled clinical study evaluates the early efficacy of Aflapin® in subjects with osteoarthritis of knee. Int J Med Sci 2011; 8: 615-622.
  7. Verbraucherzentrale: Mit Weihrauch wieder gehen können?https://www.verbraucherzentrale.de/weihrauch
  8. Meins J, Artaria C, Riva A et al.: Survey on the quality of the top-selling european and american botanical dietary supplements containing boswellic acids. Planta Med 2016, 82: 573-579.
  9. Moraes DFC, Still DW, Lum MR, Hirsch AM: DNA-based authentication of botanicals and plant-derived dietary supplements: where have we been and where are we going? Planta Med 2015; 81: 687-695.