Hyponatriämie

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2016

Autorin

Zusammenfassung

Die häufigste Störung des Wasserhaushaltes ist die Hyponatriämie; sie ist damit auch die häufigste Elektrolytstörung. Die Beschwerden sind vielfältig von leicht bis lebensbedrohlich. Die Hyponatriämie ist mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert (1;2). Die Schnelligkeit des Auftretens und das Ausmaß der Hyponatriämie bestimmen die Stärke der Symptome.

In der diagnostischen Abfolge kann anhand der erhobenen Parameter die hypovoläme, normovoläme und hypervoläme Form unterschieden werden. Nach dieser Einteilung können und sollten die Ursachen identifiziert und behandelt werden. Das Syndrom der inadäquaten ADH(antidiuretisches Hormon)-Sekretion (SIADH) ist die häufigste Ursache der Hyponatriämie. Die im klinischen Alltag durchgeführte Abklärung, wenn sie denn durchgeführt wird, und angewandte Therapie sind breit gefächert und oft abhängig von der klinischen Spezialisierung.

Die Intensität der Therapie ist abhängig vom Ausmaß der Symptomatik und der Ursache. Es fehlen verbindliche Therapiehinweise, da vergleichende Therapiestudien zur Hyponatriämie fehlen und nur zu einer Therapieform randomisiert kontrollierte Studien existieren (3).

Abstract

Hyponatremia it the most common water-electrolyte disturbance. The complaints vary from mild to life threatening. Hyponatremia is associated with an increase in morbidity and mortality (1;2). Depending on disease stage and severity, the disorder is presenting with a wide spectrum of symptoms.

While underlying cause of hyponatremia may be manifold, the differentiation in hypovolemic, normovolemic and hypervolemic forms of hyponatremia helps identifying the underlying cause and initiating causal therapy. The syndrome of inappropriate antidiuretic hormone (ADH) secretion (SIADH) is the most common cause of hyponatremia. Although common, hyponatremia is often underestimated and inadequately treated.

Intensity of therapy is dependent on disease stage and the underlying cause. Still therapeutic approaches lacking comparison of different therapeutic strategies and randomised controlled studies exist only to one form of therapy (3).

Definition und Terminologie

Die Hyponatriämie ist definiert als ein Serum-Natriumspiegel < 135 mmol/l. Hierbei wird zwischen einer milden Hyponatriämie (130–135 mmol/l) und einer mäßigen (< 130 mmol/l) sowie einer schweren Hyponatriämie (< 120 mmol/l) unterschieden. Die Beschwerden können ebenfalls von leicht bis schwerwiegend vorhanden sein. Für das Ausmaß der Beschwerden ist häufig entscheidend, wie schnell die Hyponatriämie aufgetreten ist.

Der Hyponatriämie liegt in der Regel kein Natriummangel, sondern primär eine Störung des Flüssigkeitshaushaltes des Körpers zu Grunde. Das Hormon, welches den Flüssigkeitshaushalt regelt ist das antidiuretische Hormon (ADH oder Vasopressin). Eine Hyponatriämie geht fast immer auch mit einer Störung der Vasopressin-Sekretion einher.

Epidemiologie

Eine Hyponatriämie weisen 15–20 % der hospitalisierten Patienten auf. Sie ist damit die häufigste Elektrolytstörung. Die Prävalenz einer Hyponatriämie von < 130 mmol/l, welche als gravierender eingeschätzt wird (4), liegt bei hospitalisierten Patienten etwa bei 2,5 %. In einer aktuellen großen dänischen Kohortenstudie anhand von 279.508 stationären Akutaufnahmen konnte die Häufigkeit einer Hyponatriämie mit 15 % bestätigt werden. Die kurzzeitige und Langzeitmortalität steigt nach dieser Untersuchung bis zu einem minimalen Serum-Natrium von 132 mmol/l kontinuierlich an, darunter allerdings nicht mehr. Dies galt allerdings nicht, wenn eine schwerwiegende Erkrankung wie z. B. ein Karzinom zugrunde lag (2).

Das Risiko für eine Hyponatriämie steigt mit dem Alter. Sie wird durch eine Vielzahl von Medikamenten, Begleitumständen und Krankheiten ausgelöst. Die unterschiedlichen Pathomechanismen lassen drei Formen eingrenzen: die hypervoläme, die normovoläme und die hypovoläme Hyponatriämie. Hierbei ist die normovoläme Form die häufigste.

Die Hyponatriämie beim stationären Patienten gilt als Indikator für die Länge des stationären Aufenthaltes, die Morbidität und Mortalität. Eine langsam aufgetretene Hyponatriämie wird vom Patienten oft gar nicht bemerkt, führt jedoch zu Veränderungen der zerebralen Leistungsfähigkeit und zu vermehrten Stürzen. Die Hyponatriämie gilt zudem als Risikofaktor für eine manifeste Osteoporose, da sie nicht nur zu Gangunsicherheit mit vermehrten Stürzen führt, sondern auch die Knochendichte erniedrigt. Eine Hyponatriämie wird zu selten diagnostisch erfasst und differenziert, die Therapie ist häufig inadäquat (5).

Klinisches Bild/Pathophysiologie

Die Schnelligkeit des Auftretens und das Ausmaß der Hyponatriämie bestimmen die Symptome. Entsprechend sind diese außerordentlich variabel. Sie reichen von vermeintlicher Symptomlosigkeit, Adynamie, Gedächtnisstörungen und Lethargie über Übelkeit, Verwirrtheit sowie Gangunsichertheit bis hin zu Stupor, Krampfanfällen, Ateminsuffizienz und Koma. Die postoperative Phase, Beginn einer Thiazidmedikation, Vorbereitung zur Koloskopie und der Beginn einer Desmopressinmedikation sind Konditionen, bei denen es zu einer akuten Hyponatriämie kommen kann (4).

Die Natriumkonzentration wird nicht durch Zufuhr oder Ausscheidung von Kochsalz, sondern durch die Zufuhr und Ausscheidung von Wasser reguliert. In dieser Regulation spielt das Vasopressin eine entscheidende Rolle. Durst und die hypophysäre Ausschüttung von Vasopressin sowie seine Wirkung an der Niere sind die relevanten Regulationsmechanismen. Hypothalamische Osmorezeptoren reagieren auf die Serum-Osmolalität mit verändertem Durstgefühl und Freisetzung von Vasopressin. An der Niere reguliert das Vasopressin die Rückresorption von Wasser in den Sammelrohren.

Die Baroregulation ist ein weiterer wichtiger Regulationsmechanismus der Vasopressin-Sekretion. Eine Verminderung des Blutdrucks um 5 % − gemessen an den Barorezeptoren des Atrium, des Carotis Sinus und des Aortenbogens − führt zu einer vermehrten Vasopressin-Sekretion. Baroregulation und Osmoregulation sind voneinander unabhängige Mechanismen der Vasopressin-Sekretion und können sich unter Umständen gegenseitig verstärken.

Kommt es zu einer unregulierten Synthese und Ausschüttung von Vasopressin vom Hypophysenhinterlappen unabhängig von der Serum-Osmolalität, so liegt das Syndrom der inadäquaten Sekretion von antidiuretischem Hormon (SIADH) vor. Unter pathologischen Bedingungen können auch andere Zellen inadäquat Vasopressin produzieren und ausschütten. Der Begriff der inadäquaten Sekretion von antidiuretischem Hormon wurde von Schwartz und Bartter (6) eingeführt. Die Pseudohyponatriämie bezeichnet einen Laborartefakt. Hier interferieren hohe Lipide, hohe Glukose oder Proteine mit der akkuraten Messung.

Diagnostik

Klassifikation der Hyponatriämie

Die leider häufig vernachlässigte diagnostische Abklärung ist die unverzichtbare Voraussetzung für eine adäquate Therapie. Die Hyponatriämie wird anhand von Anamnese, klinischem Befund und den Laborparametern einer der drei Formen hypovoläm, normovoläm und hypervoläm zugeordnet (Tabelle 1). Die Zuordnung erleichtert die Differenzialdiagnose.

Tabelle 1: Ursachen der Hyponatriämie


Diagnostische Schritte und Differenzialdiagnose

Der ersten Schritte in der diagnostischen Kette sollten nach der Bestimmung des Volumenstatus die Messung des Urin-Natriums, der Plasma-Osmolalität und der Urin-Osmolalität sein (Tabelle 2). Die Urin-Osmolalität wird gebraucht, um eine primäre Polydipsie auszuschließen. Beim hypervolämischen und hypovolämischen Volumenstatus ist das effektive arterielle Blutvolumen niedrig.

Tabelle 2: Untersuchungen, die zur Differenzialdiagnose der Hyponatriämie benötig werden


Die endokrinen Krankheitsbilder, die zu einer normovolämen Hyponatriämie führen können, sind die Hypothyreose, die diagnostisch in der Regel unproblematisch ist, und die sekundäre Nebenniereninsuffzienz. Letztere führt auch bei einer partiellen ACTH*-Synthesestörung zu einer Vasopressin-Enthemmung und damit zu einer Hyponatriämie. Anamnestisch könnten bekannte Hypophysenerkankungen oder eine bereits bekannte weitere hypophysäre Funktionsstörung wie ein Hypogonadismus hilfreich sein. In der Labordiagnostik schließt ein im Referenzbereich liegender Cortisolspiegel eine Nebenniereninsuffizienz nicht aus. Die Tagesrhythmik der Cortisolsynthese muss bei der Beurteilung mit gewertet werden. Ein sicherer Ausschluss einer Nebenniereninsuffizienz kann bei einem basalen Cortisolspiegel von > 180 µg/l (oder > 18 µg/dl oder > 500 mmol/l) erfolgen. Im Zweifelsfall muss ein Stimulationstest durchgeführt werden.

Die primäre Nebenniereninsuffizienz führt durch den Aldosteronmangel (renaler Natriumverlust) zu einer hypovolämen Hyponatriämie. Neben anamnestischen Hinweisen (weitere Autoimmunerkrankungen) findet sich in der klinischen Untersuchung eine typisch vermehrte Haut- und Schleimhautpigmentierung auch an nicht lichtexponierten Stellen. Laborchemisch hilft neben der Messung eines inadäquat niedrigen Cortisols (s. o.) die Messung des ACTH, welches stark erhöht sein sollte.

Sind endokrine Ursachen der Hyponatriämie ausgeschlossen, kann bei Vorliegen eines SIADH die weitere Differenzialdiagnose (7) erfolgen. Die möglichen Ursachen können maligne Tumore, neurologische Erkrankungen, sehr häufig Medikamente oder pulmonale Erkrankungen sein. Bei dieser Vielfalt ist die Differenzialdiagnose außerhalb der Medikamentenanamnese oft komplex (Tabelle 3).

Tabelle 3: Ursachen eines SIADH

Abbildung 1: Diagnosekriterien für das SIADH


Therapie

Wird in der diagnostischen Abklärung eine Hypovolämie und Exsikkose differenziert, so wird eine Volumensubstitution in der Regel mit isotoner Kochsalzlösung erfolgen. Bei hypervolämen Formen der Hyponatriämie liegt als Ursache am ehesten ein akutes oder chronisches Nierenversagen, ein nephrotisches Syndrom, eine Herzinsuffizienz oder eine Leberzirrhose zugrunde. Entsprechend erfolgt eine Therapie der Grunderkrankung.

Schwieriger wird die Therapie der normovolämen Hyponatriämie. In den relativ aktuellen Leitlinien der europäischen endokrinen Fachgesellschaft (4) haben sich die Autoren aufgrund der lückenhaften Literatur und dem Fehlen von Vergleichsstudien entschlossen, Therapien zu empfehlen, die höchstwahrscheinlich dem Therapierten nicht schaden.

Allgemein gilt, dass die Intensität der Behandlung in Abhängigkeit von der Schwere der Symptome gewählt werden sollte. Eine Behandlung der auslösenden Ursache ist bei der Behandlung einer Hyponatriämie essentiell. Bei schweren Symptomen (z. B. Krampfanfällen, Koma) sollte mit der i.v. Infusion von 150 ml 3 % Kochsalzlösung über 20 Minuten begonnen werden. Bei einer Hyponatriämie mit moderaten Symptomen (Übelkeit, Verwirrtheit, Gangstörung) ist ein sofortiges diagnostisches Assessment erforderlich, um auslösende Ursachen zu beseitigen bzw. zu behandeln. Bei akutem Auftreten einer Hyponatriämie (innerhalb 48 Stunden) mit moderaten Symptomen wird aufgrund des relativ hohen Risikos einer Symptomverschlechterung ebenfalls eine Infusion von 150 ml hypertoner Kochsalzlösung (3 % über 20 Min.) empfohlen. Der Anstieg des Natriumspiegels um 10 mmol/l sollte in den ersten 24 Stunden nicht überschritten werden. Ein zu schneller Ausgleich der Hyponatriämie kann zur pontinen Myelinolyse führen.

Liegt eine Hyponatriämie ohne Symptome oder mit milden Symptomen vor (z. B. Depression, leichte Gangunsicherheit), sollte eine Trinkmengenrestriktion sowie eine Therapie der auslösenden Ursachen erfolgen. Bei allen Schweregraden der Hyponatriämie müssen in Abhängigkeit von der Therapie und der Schwere der Erkrankungen regelmäßige Reevaluationen erfolgen.

Abbildung 2: Akuttherapie der Hyponatriämie in Folge eines SIADH


Ist ein SIADH gesichert und leicht behebbare auslösende Ursachen ausgeschlossen, so ist eine Trinkmengenrestriktion notwendig, wird aber vom Patienten oft schlecht toleriert. Die Zufuhr hypertoner Kochsalzlösung bessert die Situation nur kurzfristig. Die orale Zufuhr von Natrium – häufigste therapeutische Maßnahme in der ambulanten Medizin – verstärkt in der Regel die Hyponatriämie (siehe Abbildung 2).

Medikamente, die als Vasopressin-Antagonisten bekannt sind, sind das Antibiotikum Demeclocyclin und Lithium. Für beide Substanzen bestehen jedoch Risiken einer Nephro- und Neurotoxizität, sodass die Substanzen in der Praxis kaum eingesetzt werden. Zugelassen ist ein wirksames Aquaretikum, ein sogenanntes Vaptan, das Tolvaptan. Dieses blockiert an der Niere die Wirkung von Vasopressin am V2-Rezeptor. Es bewirkt eine reine Wasserdiurese ohne gleichzeitige Natrium- und Kaliumausscheidung. Tolvaptan ist als erstes dieser Medikamente in Deutschland zugelassen. In Studien wurde die gute Effektivität belegt, und die stationären Aufenthalte können verkürzt werden (3). Eine Reduktion der Mortalität konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Therapieeinleitung sollte unter stationären Bedingungen erfolgen. In den 2014 erschienenen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie (4) wird der Einsatz der Vaptane beim SIADH nicht empfohlen aufgrund einer negativen Nutzen/Risikoabwägung. Hier wird insbesondere Überkorrektur bei schwerer Hyponatriämie befürchtet. Stattdessen wird die Kombination einer oralen (und bitter schmeckenden) Harnstoffzufuhr (0,25−0,5 g/kg Harnstoff; Rezeptur: Urea 10g + NaHCO3 2g + Citronensäure 1,5 g + Saccharose 200 mg in 50−100 ml H2O) als osmotisch wirksame Substanz in Kombination mit einem Schleifendiuretikum (z. B. Furosemid) empfohlen. Kritisch muss hier angemerkt werden, dass für dieses Therapieverfahren kontrollierte Studien ebenso wenig vorliegen wie Daten zur Reduktion der Mortalität. Dies unterstreicht einmal mehr, dass es sich nach wie vor um eine diagnostisch und therapeutisch oft schwierige Situation handelt.

Fazit für die Praxis

Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung der Hyponatriämie haben sich in den letzten Jahren erweitert. Das therapeutische Vorgehen sollte sich in erster Linie an der Schwere der Symptomatik orientieren. Behebbare Ursachen sollten erkannt und beseitigt werden. Kurz- und langfristige therapeutische Strategien sind individuell anzupassen.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird von der Autorin verneint.

Literatur
  1. Wald R, Jaber BL, Price LL et al.: Impact of hospital-associated hyponatremia on selected outcomes. Arch Intern Med 2010; 170: 294-302.
  2. Holland-Bill L, Christiansen CF, Heide-Jorgensen U et al.: Hyponatremia and mortality risk: a Danish cohort study of 279 508 acutely hospitalized patients. Eur J Endocrinol 2015; 173: 71-81.
  3. Schrier RW, Gross P, Gheorghiade M et al.: Tolvaptan, a selective oral vasopressin V2-receptor antagonist, for hyponatremia. N Engl J Med 2006; 355: 2099-2112.
  4. Spasovski G, Vanholder R, Allolio B et al.: Clinical practice guideline on diagnosis and treatment of hyponatraemia. Eur J Endocrinol 2014; 170: G1-47.
  5. Tzoulis P, Evans R, Falinska A et al.: Multicentre study of investigation and management of inpatient hyponatraemia in the UK. Postgrad Med J 2014; 90: 694-698.
  6. Schwartz WB, Bennett W, Curelop S, Bartter FC: A syndrome of renal sodium loss and hyponatremia probably resulting from inappropriate secretion of antidiuretic hormone. Am J Med 1957; 23: 529-542.
  7. Liamis G, Milionis H, Elisaf M: A review of drug-induced hyponatremia. Am J Kidney Dis 2008; 52: 144-153.

Fußnote

* ACTH: adrenocorticotropes Hormon