SPRINT: Rüstige Alte profitieren von intensiver Blutdrucksenkung

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2016

Autor

Zusammenfassung

In der SPRINT-Studie (1) wurde die Wirksamkeit einer intensiven Blutdrucksenkung untersucht. In einer Subgruppenanalyse zeigte sich für Patienten unter 75 Jahren durch niedrige Einstellung kein Vorteil, wohl aber für ältere Patienten. Leider wurden die Nebenwirkungen nicht ebenso altersbezogen ausgewertet.

Abstract

The SPRINT-Study (1) investigated the efficacy of intensive blood pressure lowering. Subgroup analysis showed a benefit only for patients older than 75 years. Unfortunately, adverse events were not also analysed in an age-dependent manner.

Das Gesamtergebnis von SPRINT (the Systolic Blood Pressure Intervention Trial), einer Studie (1), die an großen Kollektiven die Wirksamkeit zweier unterschiedlicher systolischer Zieldrucke (unter 140 bzw. unter 120 mmHg) auf Mortalität und kardiovaskuläre Komplikationen verglich, wurde zurückhaltend kommentiert (2). Die NNT (number needed to treat) zur Vermeidung eines kombinierten Endpunktes durch intensivierte Drucksenkung war hoch. Außerdem lag die NNH (number needed to harm) durch Therapie in ähnlicher Größenordnung. Bietet sich nun nach Analyse der Subgruppe älterer Studienpatienten (3) ein anderes Bild?

Zu den Details: Aufgenommen in die Studie wurden 50-jährige und ältere Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko, aber ohne Diabetes mellitus oder bereits durchgemachtem Schlaganfall. Der systolische Blutdruck musste über 130 mmHg, durfte maximal aber nur bei 180 mmHg liegen. Außerdem durfte er nach einminütigem Stehen 110 mmHg nicht unterschreiten. Geklärt werden sollte, ob ein Zielblutdruck von unter 140 oder von unter 120 mmHg zu besseren Behandlungsergebnissen führt (siehe Tabelle 1). Wichtig ist: Bei den Ruheblutdruckwerten handelt es sich nicht um einfache Praxiswerte, sondern um Mittelwerte aus drei automatischen Messungen in Abwesenheit von Personal.

Tabelle 1: Basisdaten und erreichte Blutdruckwerte in SPRINT


Die NNT / Jahr zur Vermeidung eines primären Endpunktes (Herzinfarkt, akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Tod aus kardiovaskulärer Ursache) ergibt für die Gesamtstudie 185. Für die Subgruppe (siehe Tabelle 2) der 75-Jährigen und Älteren (28,2 % der Studienpopulation) reduziert sich die Zahl auf 79, während sie für die Jüngeren auf 323 steigt. Hinzu kommt, dass die Hazard Ratio für die Jüngeren die Signifikanz verfehlt. Damit reicht das 95-%-Vertrauensintervall für die NNT bis unendlich.

Tabelle 2: Verhinderte Endpunkte durch intensivere Blutdrucksenkung und NNT in SPRINT


Für die Gruppe der 75-Jährigen und Älteren wurden nun Nutzen und Risiko der intensiveren Blutdrucksenkung weiter aufgeschlüsselt (3). Dabei zeigt sich der Erfolg einer intensiveren Blutdrucksenkung vor allem im selteneren Auftreten einer Herzinsuffizienz. Auch die Gesamtmortalität sinkt (NNT / Jahr zur Vermeidung eines Todesfalls: 118, in der Gesamtstudie 270).

Bei den Risiken wird für die Älteren leider eine Dokumentation „wahrscheinlich therapiebedingter unerwünschter Ereignisse“ vermisst. Dies ist schwer verständlich, weil sie für die Gesamtstudie vorliegt. 48,3 bzw. 48,4 % der Patienten erlitten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SUE). Bei Aufschlüsselung nach Graden der Gebrechlichkeit, die bei der Eingangsuntersuchung für die intensiver Behandelten etwas ungünstigere Werte ergab, zeigen sich keine signifikanten Unterschiede in den SUE. Hypotonien, Synkopen, Elektrolytstörungen und akute Nierenschäden traten bei intensiver Behandelten numerisch, aber nicht signifikant häufiger auf, Stürze mit Verletzung überraschenderweise sogar seltener, wenn auch nicht signifikant. In der Untergruppe von Patienten mit noch normaler Nierenfunktion (56 %, eGFR ≥ 60 ml/min/1,73 m2) stieg infolge intensiverer Blutdrucksenkung das Risiko einer deutlichen Verschlechterung der Nierenfunktion (NNH pro Jahr: 89) signifikant. Mögliche Auswirkungen der niedrigen Druckwerte auf neurokognitive Fähigkeiten bleiben noch zu untersuchen.

Fazit für die Praxis

Nach SPRINT zeigt sich der Nutzen einer intensiveren Senkung des systolischen Drucks vor allem bei Älteren. Bei rüstigen Patienten ohne Diabetes und ohne bereits erlittenem Schlaganfall kann mit modernen Antihypertensiva ein systolischer Blutdruck von unter 130 mmHg angestrebt werden. Voraussetzung sind repräsentative Ruheblutdruckwerte ohne „Weißkitteleffekt“* und eine gute orthostatische Toleranz. Gefahren sind: Hypotonien, Synkopen, Elektrolyt- und Nierenfunktionsstörungen.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. SPRINT Research Group, Wright JT, Williamson JD, Whelton PK et al.: A randomized trial of intensive versus standard bloodpressure control (inkl. Supplementary Material). N Engl J Med 2015; 373: 2103-2116.
  2. Anlauf M: SPRINT – kein Anlass zur Eile ohne Sorgfalt. Arzneiverordnung in der Praxis 2016; 43: 35-38.
  3. Williamson JD, Supiano MA, Applegate WB et al.: SPRINT Research Group: Intensive vs standard blood pressure control and cardiovascular disease outcomes in adults aged ≥75 years: a randomized clinical trial (inkl. Supplemental Content). JAMA 2016; 315: 2673-2682.

Fußnote

* Möglich ist auch eine vom Untersucher unabhängige automatische Dreifachmessung des Blutdrucks z. B. mit einem Gerät für die Blutdruckselbstmessung.

vorab online

Der Artikel wurde am 27. Juli 2016 vorab online veröffentlicht.