IMPROVE-IT − The lower, the better?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2015

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Die Anhänger der zielwertorientierten Cholesterintherapie glauben jubeln zu dürfen: Seit Juni 2015 sind die Ergebnisse der IMPROVE-IT-Studie publiziert. In dieser an über 18.000 Patienten mit akutem Koronarsyndrom durchgeführten Studie soll die Gabe von Ezetimib, zusätzlich zu Simvastatin, nicht nur zu einer weiteren LDL-Senkung, sondern auch zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse geführt haben (1).

Das Besondere: Die Patienten hatten aufgrund der für den Studieneinschluss erforderlichen kardiovaskulären Vorereignisse ein hohes Risiko, doch sie wiesen bereits bei Studienbeginn − mit oder ohne Statinbehandlung − LDL-Werte von knapp 100 mg/dl auf. Diese gelten − im Sinne der Lipidhypothese – schon als sehr ordentlich. Da Ezetimib das LDL-Cholesterin über einen anderen Mechanismus senkt als die Statine, sollen die Ergebnisse der Studie neben dem Nutzen von Ezetimib die Hypothese bestätigen, dass LDL-Cholesterin eben doch ein unabhängiger pathogenetischer Faktor in der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist und dass dessen Wert gar nicht niedrig genug sein kann, eben: „the lower, the better“.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Die genaue Betrachtung von Methodik und Ergebnissen lässt Zweifel aufkommen, ob diese Aussagen wirklich berechtigt sind.

Da ist zum einen der primäre Endpunkt: Er bestand aus der Ereigniskombination von kardiovaskulärem Tod, Schlaganfall, stationärer Aufnahme aufgrund von instabiler Angina, Koronarinterventionen sowie Herzinfarkt. In der Ezetimib-plus-Simvastatin-behandelten Gruppe war die Rate kardiovaskulärer Ereignisse in sieben Jahren um 2 % niedriger (32,7 % vs. 34,7 %) als unter Simvastatin alleine. Damit ist das Ausmaß des Effekts bescheiden: 50 Patienten müssen sieben Jahre Ezetimib einnehmen, damit bei einem von ihnen ein kardiovaskuläres Ereignis weniger auftritt (number needed to treat (NNT) = 350/Jahr).

Noch bedenklicher: Als Infarkte wurden auch reine Enzymanstiege nach koronaren Revaskularisationen gewertet, was nach aktueller Definition nicht als sicherer Herzinfarkt zu werten ist (2). Und ausgerechnet nur diese unsichere Einzelkomponente des kombinierten Endpunkts zeigte in der differenzierten Auswertung der Einzelkomponenten des primären Endpunktes eine signifikante Verringerung durch Ezetimib (13,1 % vs. 14,8 %; NNT = 412/Jahr). So ist es nicht verwunderlich, dass weder die gesamte noch die kardiovaskuläre Mortalität durch zusätzliches Ezetimib beeinflusst wurde (15,4 vs. 15,3 %; 95 % Konfidenzintervall [CI] der Hazard Ratio (HR) 0,91–1,07 bzw. 6,9 vs. 6,8 %; 95 % CI der HR 0,89–1,13).

Immerhin eines liefert die Studie: Die aufgrund von Signalen in den Zulassungsstudien befürchteten Nebenwirkungen von Ezetimib scheinen weniger relevant zu sein: Transaminasenanstiege (2,5 % vs. 2,3 %), Gallenblasenbeschwerden wie Cholezystektomien (1,5 % vs. 1,5 %) waren in IMPROVE-IT nicht unterschiedlich zwischen den Behandlungsarmen.

Unter der Kombinationstherapie waren Rhabdomyolysen etwas seltener als unter Simvastatin-Monotherapie (0,1 % vs. 0,2 %). Das könnte jedoch mit einem weiteren methodischen Problem der Studie zu tun: Im Monotherapiearm mit Simvastatin war anfänglich eine Dosissteigerung bis zur doppelten Tagesdosis (80 mg) erlaubt, obwohl aus randomisierten Studien bereits bekannt war, dass dann das Nebenwirkungsspektrum die nützlichen Effekte überwiegt (3;4). Im Verlauf der Studie wurde dann auch diese Möglichkeit der Dosiseskalation in der Studie von den Behörden gestoppt.

Angesichts der hohen NNT und des klinisch fraglich relevanten Endpunktes könnte man sich vom Ezetimib nun eigentlich endgültig verabschieden. Das weiß wohl auch die Kardiologie. Doch ein bisschen spannend hält sie es. Schon in der Hauptpublikation zeigte sich ein größerer Effekt in bestimmten Subgruppen wie Lebensalter über 75 Jahre oder Diabetiker. Beim aktuellen Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC, London 2015) wurde nun eine Subgruppenanalyse der IMPROVE-IT-Studie vorgestellt, die den Einfluss der Komorbidität Diabetes mellitus (4933 Patienten des Gesamtkollektivs, 27 %) auf die Ereignisraten untersuchte (5). Danach war die kardiovaskuläre Ereignisreduktion durch die zusätzliche Ezetimib-Gabe bei diabetischen Patienten ausgeprägter (40,5 vs. 45,5 %) als bei den nichtdiabetischen Patienten (30,2 vs. 30,8 %). Allerdings war, wie erwartet, die gesamte Ereignisrate bei den Patienten mit Diabetes höher. Nach dieser Auswertung würden sogar ausschließlich die älteren diabetischen Patienten profitieren.

Ob das wirklich zutrifft und ob sich daraus therapeutische Handlungsempfehlungen ableiten lassen, kann erst nach Erscheinen und Prüfung der Publikation dieser Analyse entschieden werden.

Fazit

Zurzeit ist weiter vom Einsatz der teuren und in ihrem therapeutischen Stellenwert unklaren Substanz Ezetimib abzuraten.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Cannon CP, Blazing MA, Giuliano RP et al.: Ezetimibe added to statin therapy after acute coronary syndromes. N Engl J Med 2015; 372: 2387-2397.
  2. Thygesen K, Alpert JS, Jaffe AS et al.: Third universal definition of myocardial infarction. Eur Heart J 2012; 33: 2551-2267.
  3. Study of the Effectiveness of Additional Reductions in Cholesterol Homocysteine (SEARCH) Collaborative Group: Intensive lowering of LDL cholesterol with 80 mg versus 20 mg simvastatin daily in 12,064 survivors of myocardial infarction: a double-blind randomised trial. Lancet 2010; 376: 1658-1669.
  4. de Lemos JA, Blazing MA, Wiviott SD et al.: Early intensive vs a delayed conservative simvastatin strategy in patients with acute coronary syndromes: phase Z of the A to Z trial. JAMA 2004; 292: 1307-1316.
  5. Giugliano RP: Benefit of adding ezetimibe to statin therapy on cardiovascular outcomes and safety in patients with vs without diabetes: the IMPROVE-IT trial. ESC Congress, London 2015: FP 1947.