Prophylaxe der Höhenkrankheit mit Acetazolamid (Diamox®)

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 4/2015

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Heute noch in der Praxis, morgen geht’s nach Tirol auf eine Hütte von ca. 2500 m. Der Seilgefährte, auch Arzt, hat ebenfalls nur eine Woche Zeit, der Bergführer ist engagiert. Übermorgen soll dann ein Dreitausender „gemacht“ werden. Diese Planung entspricht dem Tempo unserer Zeit, und meistens geht sie ja auch gut, auch wenn die letzten Meter vor dem Gipfel verdammt mühselig werden, und wegen eines flauen Gefühls im Magen will auch die Tiroler „Vesper“ nicht so recht rutschen, aber alles hält sich in Grenzen. Wenn es nun aber schlimmer kommt?

Das „Merkblatt für Beschäftigte und Reisende – Höhenkrankheit“ des Auswärtigen Amtes rät, nach Erreichen von 2500 m täglich die Höhe um 300 m zu steigern und bei etwa 3000 m eine Woche zu verweilen. Sicher ein guter Ratschlag, aber welcher Bergsteiger und Skifahrer hält sich daran?

Die Höhenkrankheit macht sich etwa ab 3000 m bemerkbar. Typisch ist eine allgemeine Schwäche (jeder Schritt wird zur Qual), Kopfschmerzen, unruhiger Schlaf, Appetitlosigkeit bis hin zu Übelkeit und Erbrechen, im schlimmsten Fall kommt es zum Hirn- und Lungenödem. Bei nicht akklimatisierten Bergsteigern finden sich Symptome bei 10−25 % ab einer Höhe von 3000 m, bei einer Höhe ab 4500 in 50−80 % der Fälle. Menschen unter 40 und Frauen sind häufiger betroffen. Guter Trainingszustand schützt nicht. Die beste Therapie ist das Absteigen, notfalls Herunterschaffen des Kranken auf 3000 m oder niedriger.

Low et al (1) gingen nun der Frage nach, ob man mit Acetazolamid (Diamox®) eine wirksame Prophylaxe betreiben kann. Carboanhydrasehemmer wie Acetazolamid hemmen die tubuläre Rückresorption von Bikarbonat und steigern die Na+ und K+-Ausscheidung, wirken also diuretisch. Sie bedingen höher dosiert und länger gegeben eine hyperchlorämische Azidose und senken also den pCO2-Wert. Durch die Azidose wird die Atmung stimuliert. Acetazolamid reduziert die Kammerwasserproduktion und wird heute wohl nur noch in dieser Indikation gegeben. Die wichtigsten UAW sind Blutdruckabfall, Schwindel, Tinnitus, Parästhesien, Übelkeit, Magenschmerzen. Eine Zulassung zur Prophylaxe oder Behandlung der Höhenkrankheit existiert nicht.

Die oben genannte Übersicht von Low et al. berücksichtigt elf placebokontrollierte Arbeiten. Die Dosierungen lagen bei 250, 500 und 750 mg. Zur Definition hielten sie sich an die Lake Louise Consensus Criteria (2): Bestand Kopfschmerz und eines der folgenden Symptome Appetitlosigkeit, Schwindel, Übelkeit, Schlaflosigkeit, wurde von Höhenkrankheit gesprochen, bestanden mehr als drei der Kriterien, von akuter Höhenkrankheit.

Die Ergebnisse fasst Tabelle 1 zusammen.

Tabelle 1: Zusammenfassung der Ergebnisse nach (1)

An der Wirksamkeit des Acetazolamid ist also wohl kein Zweifel. Es zeigt sich, dass eine Dosis von 250 mg nicht weniger bringt als höhere Dosen. Dies ist sehr erfreulich, denn natürlich hängen die oft sehr unangenehmen UAW an der Höhe der Dosis. Die NNT von 6 macht eine Verordnung vertretbar.

Fazit

Die beste Prophylaxe ist und bleibt die Akklimatisation. Ist diese nicht möglich, sollte am Tag vor dem Aufstieg 250 mg Acetazolamid gegeben werden sowie an den folgenden drei Tagen. Bei dieser Dosis ist ein relativ hoher Schutzeffekt (NNT 6) bei erträglichen Nebenwirkungen zu erwarten. Es bleibt allerdings ein „Off-Label-Use“.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Low EV, Avery AJ, Gupta V et al.: Identifying the lowest effective dose of acetazolamide for the prophylaxis of acute mountain sickness: systematic review and meta-analysis. BMJ 2012; 345: e6779.
  2. Imray C, Booth A, Wright A, Bradwell A: Acute altitude illnesses. BMJ 2011; 343: d4943.