AkdÄ-Fortbildung 2014 in Weimar: Unabhängige Zusammenstellung und Diskussion von aktuellem Wissen

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 3/2015

Autoren

Die Fortbildungsveranstaltung 2014 der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeinsam mit der Landesärztekammer Thüringen und der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen fand nun bereits zum dritten Mal in Folge am 13. September 2014 in Weimar statt. Diesmal gab es Dank langfristiger Terminkoordination u. a. mit der KV Thüringen und dem Thüringer Hausärzteverband an diesem Samstag auch keine größere ärztliche Parallelveranstaltung in Thüringen, sodass mit 81 Veranstaltungsbesuchern eine größere Teilnehmerzahl als in den Jahren zuvor registriert werden konnte.

Die AkdÄ-Fortbildung ist ein besonderer fachlicher und wissenschaftlicher „Leckerbissen“, da interessierte Ärzte unterschiedlicher Fachgebiete hier zusammentreffen, nationale Experten den aktuellen Stand zu ausgewählten Themen präsentieren und sich anschließend auch die Gelegenheit bietet, dies offen und kollegial zu diskutieren.

Die Veranstaltung in den Räumen der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen begann mit der Begrüßung durch die KV-Vorsitzende Thüringens Dr. Annette Rommel. Sie wies u. a. darauf hin, dass mittlerweile auch die Hauptfortbildungsveranstaltungen von KV und Landesärztekammer Thüringen ohne Pharmasponsoring stattfinden. In Anbetracht des 25-jährigen Wendejubiläums erinnerte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, in seinen Begrüßungsworten an eine Internationale Leukämietagung, die im Sommer 1989, also kurz vor der Wende, im Weimarer Hotel Elephant stattfand.

Der erste Beitrag war eine aktuelle Übersicht zur zweckmäßigen Osteoporosetherapie von Prof. Dr. Dr. Christian Kasperk, Universität Heidelberg. Stichworthaft seien einige Punkte zusammengefasst: Die Knochendichte hat keinen direkten Zusammenhang mit der Knochenfestigkeit, d. h. auch nicht mit dem Frakturrisiko. Mäßige Knochendichteveränderungen von bis zu –4 % des Absolutwertes in g/cm2 Änderung innerhalb eines Jahres bedeuten keine Einschränkung der frakturpräventiven Wirkung einer Bisphosphonat-Therapie, solange die Compliance gewährleistet ist. Unter der Behandlung mit Bisphosphonaten (osteologische Therapie) liegt das Risiko für relevante Kiefernekrosen bei 1:10.000 bis 1:100.000. Diese entstehen primär als Osteomyelitis im Bereich des Kiefers, da dort ein besonders hoher Knochenumbau stattfindet. Kiefernekrosen wurden auch ohne jedwede Bisphosphonat- oder Denusomab-Therapie beobachtet. Die Inzidenzen liegen also im Bereich der ohnehin beobachteten lokalen Osteomyelitiden bei der Behandlung der Osteoporose. Das Problem wird bei der viel höherfrequenten und höher dosierten Behandlung von Knochenmetastasen und Myelomen mit Bisphosphonaten relevanter, ist aber bei Beachtung der üblichen zahnärztlichen Hygieneempfehlungen tolerierbar. Andere unerwünschte Wirkungen wie atypische Femurschaftfrakturen oder Ösophaguskarzinome treten dagegen extrem selten auf.

Die Therapiedauer der Osteoporose sollte zunächst drei bis fünf Jahre betragen und dann individuell abgewogen werden. Beim Absetzen von kurzwirksamen Medikamenten wie Denosumab kann die Knochendichte absinken und das Frakturrisiko steigen. In der Diskussion wurden u. a. folgende Punkte angesprochen:

Rational ist es nicht nachvollziehbar, warum so viele Patienten Denosumab erhalten. Prof. Kasperk erläuterte, dass Bisphosphonate auch bei mäßiger Niereninsuffizienz bis zu einer GFR von 35 ml/min verabreicht werden können und die Nierenfunktion normalerweise nicht verschlechtern. Der Therapiebeginn ist nicht von Knochenbiopsie oder -markern abhängig. Vitamin-D-Messungen sind wenig sinnvoll, da diese je nach Verfahren besonders starken Schwankungen unterliegen (bis zu 100 %). Falls ein relevanter Vitamin-D-Mangel bestehen würde, entwickelt sich ein Hyperparathyreoidismus. Insofern sei die Bestimmung von Intakt-Parathormon sinnvoll. Bezüglich Knochendichtemessungen wurde diskutiert, dass diese initial durchgeführt werden können. Die Bedeutung im Therapieverlauf sei allerdings unklar, fakultativ evtl. alle zwei Jahre. Es wurde auf einen NEJM-Artikel verwiesen, in dem die Wiederholungen abhängig vom initialen Wert empfohlen werden, z. B. alle fünf Jahre bei moderater Osteopenie (T-Wert −1.50 bis −1.99) oder bei einem T-Wert von über –1,50 sogar nur alle 15 Jahre (Gourlay et al., N Eng J Med 2012; 366: 225-33). Festgehalten wurde im Auditorium, dass Knochendichtemessungen jedenfalls nicht notwendig seien, um die Therapiedauer festzulegen.

Im zweiten Beitrag stellte Dr. Aly von der AkdÄ das Thema Medikationsfehler und Arzneimitteltherapiesicherheit vor. Zunächst verwies er auf die neue Definition für Nebenwirkungen, die auch Missbrauch und Medikationsfehler mit einschließt. Eine Trennung von Nebenwirkungen und Medikationsfehlern ist schwierig. 20–25 % der Nebenwirkungen gelten als vermeidbar. Laut WHO sind etwa 10 % der Krankenhausaufnahmen durch Nebenwirkungen bedingt und demnach potenziell vermeidbar. Medikationsfehler können im gesamten Verlauf der Arzneimitteltherapie auftreten und können auch vom Patienten ausgehen. Als Arzt sollte man sich daher auch vergewissern, dass der Patient mit der korrekten Applikation der verordneten Medikamente vertraut ist (z. B. Inhalation von Beta2-Mimetika). An Sektorenübergängen (z. B. stationär zu ambulant oder ambulant zu stationär) ist insbesondere eine gute Kommunikation relevant (Lisby et al., Int J Qual Health Care 2005; 17: 15-22). Als Beispiele für Initiativen zur Fehlervermeidung bei der Medikation (Aufbau eines Systems zur Meldung von Medikationsfehlern) nannte Dr. Aly das Institute for Safe Medication Practices (ISMP; USA/Kanada), „Jeder Fehler zählt!“ (Fehlerberichts- und Lernsystem für Hausarztpraxen) und DokuPIK, ein Dokumentationssystem für Medikationsfehler und Interventionen des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker ADKA. Bei der AkdÄ soll und kann ebenfalls eine Medikationsfehlererfassung erfolgen. Hingewiesen wurde auf den Flyer „Tipps für eine sichere Arzneimitteltherapie“ (www.ap-amts.de), der Patienten wichtige Hinweise für eine sichere und erfolgreiche Arzneimitteltherapie gibt. Kurz vorgestellt wurde auch der einheitliche Medikationsplan, der seit einigen Jahren in Deutschland entwickelt wird. Rege diskutiert wurde von den Teilnehmern der Fortbildungsveranstaltung die Praxistauglichkeit des Medikationsplans (z. B. Unübersichtlichkeit durch unterschiedliche Einnahmehinweise) und der benötigte Zeitaufwand. Salopp nach dem Motto „auch ein schlechter Plan ist besser als gar kein Plan“ wurden Vor- und Nachteile des Plans kommentiert, der zusammenfassend jedoch überwiegend Zuspruch fand. Auf die Implementierung in den praktischen Alltag darf man gespannt sein.

Im dritten Beitrag stellte Prof. Dr. Schwabe (Heidelberg) in bewährter Art und Weise die neu zugelassenen Wirkstoffe 2014 vor. Er verwies dabei auch auf den zum 30. Mal erscheinenden Arzneiverordnungs-Report (Hrsg. Schwabe, Paffrath). Im Vergleich zu den Vorjahren wurden im Jahr 2014 besonders viele neue Arzneimittel zugelassen (bis September 2014 waren es 37 und 12 Orphan Drugs). Auf folgende Wirkstoffe wurde u. a. speziell eingegangen: Canagliflozin/Invokana® (Ursubstanz: Phlorizin aus Apfelbaumrinde) führt als orales Antidiabetikum zu weniger Hypoglykämien, zu einer leichten Gewichtsabnahme, aber zu erhöhtem Auftreten von Harnwegsinfekten. Die erste Substanz dieser Gruppe (Dapagliflozin/Forxiga®) wurde nach der negativen Nutzenbewertung vom Markt genommen, ist mittlerweile aber wieder verfügbar. Als dritte Substanz kommt noch Empagliflozin/Jardiance® hinzu, das ebenso wie Canagliflozin bislang kein erhöhtes Blasenkarzinomrisiko zeigte, aber mit Jahrestherapiekosten von 700 bis 880 Euro deutlich höher liegt als Dapagliflozin (ca. 430 Euro/Jahr).
Nalmefen/Selincro® ist ein Opioidantagonist, der bei Alkoholabhängigkeit eingesetzt werden kann. Ursprünglich erfolgte der Einsatz bei Opioidüberdosierung. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen treten allerdings bei 22 % der Patienten auf. Der Vorteil gegenüber Naltrexon wird minimal eingeschätzt.

Zur Behandlung der Hepatitis C gibt es zahlreiche neue Arzneimittel: Simeprevir/Olysio®, Sofosbuvir/Sovaldi® und Daclatasvir/Daklinza®. Die Prävalenz der Hepatitits C wird in Deutschland auf ca. 0,4 % geschätzt. Eine erfolgreiche Viruselimination beim Genotyp 1 kann mittlerweile in 95 % der Fälle erreicht werden (vor zehn Jahren nur bei 30 bis 40 %). Die Behandlungskosten mit den neuen Arzneimitteln 2014 sind allerdings enorm: z. B. Olysio® ca. 48.000 Euro/12 Wochen und Sovaldi® ca. 60.000 Euro/12 Wochen (siehe auch Cohen J., Science 2013; 342: 1302-1303).

Neu für die Therapien der Hepatitis C mit diesen neuen Wirkstoffen ist, dass

  • die Patienten weniger Arzneimittel brauchen (interferonfreie Therapie),
  • die Therapiedauer kürzer ist,
  • weniger Nebenwirkungen auftreten,
  • hohe Ansprechraten vorhanden sind,
  • nur eine einmal tägliche Einnahme notwendig ist,
  • aber die Therapie momentan sehr teuer ist.

Fazit

Die Fortbildungsveranstaltung 2014 in Weimar traf mit den gewählten Themen auf großes Interesse bei den Teilnehmern. Es bot sich ausreichend Gelegenheit zur Diskussion von aktuellen Therapieverfahren und der Information zu neuen Arzneimitteln beim kollegialen Austausch von niedergelassenen und stationär tätigen Ärzten.

Die Fortbildungsangebote der AkdÄ unterstützen die zertifizierte ärztliche Fortbildung, die frei von Einflüssen der Industrie sein sollte, und vermitteln qualitativ hochwertige Fortbildungsinhalte. Mehr dazu finden Sie unter www.akdae.de.

Weitere Termine und Orte der Fortbildungsveranstaltungen der AkdÄ sind zu finden unter: www.akdae.de/Fortbildung/Veranstaltungen/.

vorab online

Der Artikel wurde im Mai 2015 vorab online veröffentlicht.