Helicobacter-pylori-Eradikation zur Vorbeugung des Magenkrebses?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 2/2015

Autor

Weltweit sterben etwa 1 Million Menschen jährlich an Magenkrebs (1). Hiervon werden etwa 700.000 einer Infektion durch Helicobacter pylori zugeordnet. Insgesamt nimmt jährlich die Anzahl der Magenkrebserkrankungen um etwa 2 % ab, wobei die Ursachen hierfür multifaktoriell sind (verbesserte Hygiene u. a.).

2012 wurde eine placebokontrollierte Studie veröffentlicht, die bei 3365 randomisierten Patienten mit nachgewiesenem H. pylori zeigte, dass durch eine Eradikation des Keimes eine Reduktion des Magenkrebsrisikos möglich ist. Während bei der Kontrollpopulation 4,6 % an Magenkrebs erkrankten, waren es in der Behandlungsgruppe nur 3 % (Odds Ratio 0,61; 95 % CI 0,38–0,96) (2). Eine Kohortenstudie an den Bewohnern der zu Taiwan gehörenden Matsu-Inseln untersuchte die Effekte einer H.-pylori-Eradikation an 4000 Teilnehmern eines Präventionsprogramms in einem Vergleich der Zeiträume 1995–2003 und 2004–2008. Die Magenkarzinominzidenz konnte um 25 %, die Ulkuskrankheit um 67 % gesenkt werden (3). Eine Metaanalyse, die sechs Arbeiten mit Randomisierung bei insgesamt 3294 asymptomatischen Erwachsenen einschloss, kam ebenfalls zu einem statistisch signifikanten Ergebnis (2,4 % in der Kontrollgruppe, 1,6 % in der Behandlungsgruppe, Relative Risk 0,66 (95 % CI 0,46–0,95) (4).

So statistisch abgesichert diese Ergebnisse sind, ergeben sich bei genauer Betrachtung doch erhebliche Spielräume für das ärztliche Ermessen. Rechnet man nämlich bei der zuerst zitierten Arbeit die NNT (number needed to treat) aus, so kommt man auf 63. Bei der Metaanalyse ergibt sich 125. Dies heißt, dass 63 bzw. 125 Patienten behandelt werden müssen, um eine Person vor dem Magenkrebs zu retten. Dies lässt die Indikation aus rein prophylaktischer Sicht als fraglich erscheinen, wenn auch durch die Beseitigung des H. pylori in den Behandlungsgruppen die Zahl der Ulcera und der Dyspepsien gemindert wurde. Immerhin können die Ergebnisse Grund sein, im Zweifelsfall, also z. B. bei funktioneller Dyspepsie (5), die Indikation großzügig zu stellen. Gegen die Behandlung ist anzuführen, dass alle Antibiotika zu Resistenzen des H. pylori sowie anderer Bakterien der Körperflora führen können mit Entwicklung z. B. multiresistenter, gramnegativer Bakterien (MRGN) oder der Begünstigung einer Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhoe (6). Weiterhin ist ein Erfolg nur in ca. 80 % der Fälle zu verzeichnen. Patienten müssen dann die evtl. mit Durchfällen und anderen UAW belastete Therapie wiederholen oder die Sache ergebnislos abbrechen. Die Ergebnisse wurden im Übrigen allein an asiatischen Patienten erhoben, die anderen Essgewohnheiten unterliegen und zum Teil eine deutlich höhere Magenkarzinominzidenz aufweisen.

Der Nachweis des H. pylori und die Kontrolle nach der Therapie sind durch den Stuhltest (7) sehr erleichtert. Packungen zur Eigenkontrolle sind heute schon über das Internet erhältlich. Bezüglich der Durchführung der Eradikation sei auf (8) verweisen.

Fazit

Statistisch gesehen ist die Eradikation des H. pylori eine effektive Maßnahme zur Prävention des Magenkrebses. Betrachtet man allerdings die NNT (number needed to treat), die zwischen 63 und 125 liegt, und den Umstand, dass die Behandlung nicht immer zum Ziel führt und nicht komplikationsfrei sein muss, ergibt sich ein weiter ärztlicher Ermessensspielraum. Neben der gesicherten Indikation zur Eradikation bei H.-pylori-positivem Ulkus und MALT-Lymphom kann auch bei H.-pylori-positiven Personen mit dyspeptischen Beschwerden oder positiver Familienanamnese für Magenkarzinome die Indikation zur Eradikationsbehandlung anhand der vorgestellten Daten diskutiert werden (9).

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Herrero R, Parsonnet J, Greenberg ER: Prevention of gastric cancer. JAMA 2014; 312: 1197-1198.
  2. Ma JL, Zhang L, Brown LM et al.: Fifteen-year effects of Helicobacter pylori, garlic, and vitamin treatments on gastric cancer incidence and mortality. J Natl Cancer Inst 2012; 104: 488-492.
  3. Lee YC, Chen TH, Chiu HM et al.: The benefit of mass eradication of Helicobacter pylori infection: a community-based study of gastric cancer prevention. Gut 2013; 62: 676-682.
  4. Ford AC, Forman D, Hunt RH et al.: Helicobacter pylori eradication therapy to prevent gastric cancer in healthy asymptomatic infected individuals: systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 2014; 348: g3174.
  5. Madisch A: Helicobacter-pylori-Eradikation bei funktioneller Dyspepsie. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2013; 40: 7-8.
  6. Wagenlehner F, Stower-Hoffmann J, Schneider-Brachert W et al.: Influence of a prophylactic single dose of ciprofloxacin on the level of resistance of Escherichia coli to fluoroquinolones in urology. Int J Antimicrob Agents 2000; 15: 207-211.
  7. Athmann C, Manns P: Kontrolle nach der Eradikationstherapie des Helicobacter pylori. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2003; 30: 22-23.
  8. Selgrad M, Malfertheiner P: Behandlung der Helicobacter-pylori-Infektion. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2009; 36: 75-78.
  9. Malfertheiner P, Megraud F, O'Morain CA et al.: Management of Helicobacter pylori infection – the Maastricht IV/ Florence Consensus Report. Gut 2012; 61: 646-664.