Kombination eines neuen Gruppe-5-Cephalosporins (Ceftarolin) mit einem neuen Betalaktamase-Inhibitor (Avibactam)

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 2/2015

Autor

Ceftarolin – Eigenschaften

Abkürzungen

Ceftarolin ist ein neues bakterizid wirkendes, parenteral zu applizierendes, auch gegen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), Vancomycin-intermediäre S. aureus (VISA) und Vancomycin-resistente S. aureus (VRSA) wirksames Cephalosporin der Gruppe 5, zugelassen in den USA für die Behandlung von „community Skin-, Skin Structure and Soft Tissue Infections (cSSSI)“ und „Community Acquired Pneumonia“ (CAP). In Europa wurde es inzwischen auch zugelassen zur Behandlung von Haut- und Weichgewebe-Infektionen mit Vorteilen in einem epidemiologischen Umfeld hoher MRSA-Prävalenz. Es besitzt insgesamt Breitspektrumaktivität gegenüber grampositiven und gramnegativen Mikroorganismen. Unter den gramnegativen Bakterien wirkt es gegen Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und zahlreiche Enterobacteriaceae. Die Bindung erfolgt bevorzugt an das Penizillin-Bindeprotein PBP2a. Es hat keine Aktivität gegenüber ESBL-Bildnern und Carbapenemasen-bildenden Mikroorganismen wie Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter baumannii und Enterococcus faecium. Es besitzt eine kurze Eliminationshalbwertszeit von 2,6 Stunden und eine niedrige Plasmaeiweißbindung von 20 %. Die Elimination erfolgt renal. Es gibt nur eine intravenöse Formulierung bei einer vorgesehenen Dosierung von 2 x 600 mg pro Tag (!).

Ceftarolin – In-vitro-Aktivität (1)

Ergebnisse klinischer Studien

In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass Ceftarolin in einer Vergleichstherapie mit Vancomycin und Aztreonam bei der Behandlung bakterieller Haut- und Weichgewebe-Infektionen nicht unterlegen war. Ein gleiches Ergebnis konnte auch bei der Behandlung ambulant erworbener Pneumonien im Vergleich zur Standardtherapie mit Ceftriaxon erzielt werden.

Avibactam – Eigenschaften

Avibactam ist ein neuer Non-Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitor aus der Gruppe der Diazabicycloactane in klinischer Prüfung, der speziell für die mögliche Kombination mit Ceftarolin und Ceftazidim in den USA entwickelt wurde. Er besitzt keinerlei intrinsische antibakterielle Aktivität und ist in der Lage, Betalaktamasen der Molekularklassen A und C zu hemmen. Avibactam inhibiert Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) und Carbapenemasen bildende Klebsiellen (KPC), aber nicht Metallo-Betalaktamasen.

Ergebnisse von In-vitro-Untersuchungen der Kombination Ceftarolin + Avibactam

Das Prodrug des Ceftarolins, Ceftarolin fosamil, wurde in Kombination mit dem Betalaktamase-Inhibitor Avibactam (Prüfbezeichnung: NXL 104) gegen Stämme von Enterobacteriaceae, die die Ambler-Klasse-A-, -B-, -C- und -D-Enzyme produzierten, einschließlich solcher, die multiple Enzyme produzierten, sowie gegen Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter-Spezies und Methicillin-sensitive Staphylococcus aureus (MSSA) und -resistente (MRSA) getestet. Die Isolate stammten aus sogenannten „global surveillance“ Programmen. Ceftarolin + Avibactam erwies sich dabei als hochwirksam gegenüber solchen Enterobacteriaceae, die verschiedene Typen von Betalaktamasen produzierten. Die MHK90 lag bei 0,25–2 µg/ml. Eine Ausnahme bildeten lediglich Metallo-Betalaktamasen. 99 Stämme, die unterschiedliche multiple Betalaktamasen bildeten, zeigten MHK90-Werte von 2 µg/ml. Sämtliche Isolate wurden von der Kombination Ceftarolin + Avibactam gehemmt bei einer MHK90 von ≤ 4 µg/ml. Die Kombination war auch wirksamer als Meropenem und andere Vergleichssubstanzen gegenüber KPC-produzierenden Stämmen von Staphylococcus aureus einschließlich MRSA (Meropenem: MHK90 > 8 µg/ml, Ceftarolin + Avibactam: MHK90 0,5–1 µg/ml). Die Aktivität der Kombination gegenüber Acinetobacter spp. und P. aeruginosa war recht gering (MHK50: 32 und 16 µg/ml).

Die Ergebnisse belegen, dass die Kombination Ceftarolin + Avibactam eine erhöhte Aktivität besitzt gegenüber Enterobacteriaceae, die KPC und verschiedene ESBL-Typen (CTX-M-Typen) bilden, einschließlich AmpC-produzierenden und sogar gegen solche, die mehr als einen der genannten Betalaktamase-Typen bilden. Somit erscheint die klinische Weiterentwicklung eine sinnvolle therapeutische Option zur Behandlung von Infektionen, hervorgerufen sowohl durch Multidrug-resistente (MDR) Enterobacteriaceae als auch solcher, die durch MRSA verursacht sind.

Ergebnisse klinischer Studien

Studien der Phase II der Kombination Ceftarolin + Avibactam haben bereits begonnen. Mehrere Studien in Phase III der Kombination Ceftazidim + Avibactam sind bereits erfolgreich abgeschlossen. Derzeit sind Studien in Kombination mit Ceftazidim (bei Harnwegsinfektionen versus Imipenem, bei intraabdominellen Infektionen plus Metronidazol versus Meropenem) im Gang und in Kombination mit Ceftarolin in Planung. Man erwartet sich dadurch eine deutliche Erweiterung des antibakteriellen Wirkungsspektrums von Ceftarolin.

Kommentar

Die Entwicklung des Non-Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitors Avibactam zur Behandlung schwerer Infektionen, hervorgerufen durch multiresistente Enterobacteriaceae ist ein echter Fortschritt, da die bisher verfügbaren Betalaktamase-Inhibitoren praktisch keine Aktivität gegen Klasse-C-Betalaktamasen besitzen und nur wenige Klasse-A-Betalaktamasen inaktivieren können. Bisher war es kaum möglich, Infektionen, hervorgerufen durch Carbapenem-resistente Klebsiellen (KPC) erfolgreich zu behandeln. Ein Problem bleiben dennoch Metallo-Betalaktamasen- und Serin-Betalaktamasen-bildende Klebsiellen (häufiges Vorkommen in Südeuropa und Indien), die nicht erfasst werden. Die Entwicklung eines neuen Cephalosporins der Gruppe 5 mit erheblich erweitertem antibakteriellen Wirkungsspektrum und gleichzeitig eines neuen Betalaktamase-Inhibitors lässt die Hoffnung aufkommen, dass der Wettlauf mit Resistenzentwicklung und globaler Verbreitung multiresistenter Erreger (MDR-Mikroorganismen) weitergeht und dass sich einige Pharmafirmen jetzt verstärkt dieses Problems angenommen haben. Allerdings werden bis zur endgültigen Markteinführung auch noch ein bis zwei Jahre vergehen. Die Resistenzsituation wird sich in dieser Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit noch mehr verschlechtern. Insbesondere muss damit gerechnet werden, dass MDR-Mikroorganismen auch hierzulande vermehrt auftreten werden und sich auch ausbreiten können. Hierzu zwei Beispiele:

  • „Ein warnendes Beispiel für die Zunahme von hochresistenten Erregern ist die rasche Verbreitung von Carbapenemase-bildenden Klebsiellen (KPC) im Universitätsklinikum Leipzig“, so Professor Dr. Gert Höffken, Präsident der Paul- Ehrlich-Gesellschaft, anlässlich der Jahrestagung der Gesellschaft, 2012. „KPC-bildende Bakterien sind in der Lage, durch bestimmte Enzyme selbst hochaktive Antibiotika zu zerstören.“
  • Auch in der Berliner Charité gab es kürzlich einen Keimausbruch mit Klebsiella pneumoniae (KPC-3), wobei gleich sechs von acht Patienten auf der Intensivstation befallen waren. Bei KPC-3 handelt es sich jetzt schon um den am häufigsten auftretenden Carbapenemasen-bildenden Klebsiella-pneumoniae-Stamm in Deutschland. Drei weitere Patienten, die mit Lungen- oder Multiorganversagen aus anderen Krankenhäusern in die Charité verlegt wurden, waren ebenfalls infiziert. Bereits 2012 sind an der Charité im Lauf von vier Monaten identische Keime bei fünf Patienten nachgewiesen worden. Es ist anzunehmen, dass KPC künftig in allen Kliniken in Europa auftreten werden.

Fazit

Es wurde ein Non-Betalaktam-Betalaktamase-Inhibitor mit Namen Avibactam entwickelt. Im Gegensatz zu bekannten Betalaktamase-Inhibitoren wie Clavulansäure (in Augmentan®) oder Tazobactam (in Tazobac®) hat es keine eigene antibakterielle Aktivität. Es ist ein echter Fortschritt, da die bisher verfügbaren Betalaktamase-Inhibitoren praktisch keine Aktivität gegen Klasse-C-Betalaktamasen besitzen und nur wenige Klasse-A-Betalaktamasen inaktivieren können. Gleichzeitig wird ein neues Cephalosporin der Gruppe 5 mit erheblich erweitertem antibakteriellen Wirkungsspektrum entwickelt. Die Kombination beider Substanzen lässt hoffen, dass eine Reihe von Infektionen mit hochresistenten Keimen wie z. B. Klebsiella pneumoniae (KPC-3) wieder behandelbar wird. Die Kombination ist noch nicht auf dem Markt. Die Bemühungen der forschenden Pharmaindustrie lassen allerdings hoffen, dass der Wettlauf zwischen der Keimresistenz und der Entwicklung neuer Antibiotika nicht aufgegeben ist und auch einmal zugunsten unserer therapeutischen Möglichkeiten entschieden werden kann.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Sader HS, Fritsche TR, Kaniga K et al.: Antimicrobial activity and spectrum of PPI-0903M (T-91825), a novel cephalosporin, tested against a worldwide collection of clinical strains. Antimicrob Agents Chemother 2005; 49: 3501-3512.
  2. Stock I, Eckmann C: Ceftarolin – ein neues Breitspektrum-Cephalosporin mit Anti-MRSA-Aktivität. Arzneimitteltherapie 2013; 31: 71-79.
  3. Stock I: Avibactam, ein neuer Betalactamase-Inhibitor bei Erkrankungen durch multiresistente gramnegative Bakterien. Arzneimitteltherapie 2013; 31: 109-115.