Was bringen elastische Strümpfe zur Vorbeugung des postthrombotischen Syndroms?

Arzneiverordnung in der Praxis

Ausgabe 1/2015

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Nach einer Tiefvenenthrombose elastische Unterschenkelstrümpfe zu verordnen, ist allgemeine Übung. Das Wirkprinzip ist einleuchtend: Durch den höheren Druck im Bein und seinen Venen wird der Rückfluss des venösen Blutes verbessert. Nun stehen diesem einfachen Therapieprinzip einige Nachteile entgegen: Diese Strümpfe anzuziehen, ist umständlich. Oft können alte Menschen dies nicht allein und benötigen Angehörige oder eine Pflegekraft zur Hilfe. Die Strümpfe kosten ca. 80 Euro und müssen zweimal im Jahr erneuert werden. Sie können drücken und jucken. Es erscheint daher gerechtfertigt, nachzufragen, ob eine solche Maßnahme sinnvoll ist. Dass lange Kompressionsstrümpfe bei Schlaganfallspatienten ohne Nutzen sind, hatten wir berichtet (1).

In einer Untersuchung gingen kanadische Autoren (2) wie folgt vor: Sie untersuchten 803 Patienten, die eine Tiefvenenthrombose erlitten hatten. Diese konnte mit oder ohne klinisch auffällige Lungenembolie erfolgt sein. Nach einer Randomisierung wurden 409 Patienten der Verum-Gruppe, 394 der Placebo-Gruppe zugeordnet. Ausgeschlossen wurden mehr als 3000 Patienten, zum Beispiel wegen einer Claudicatio intermittens, einer Lebenserwartung von unter einem halben Jahr u. a. Beide Patientengruppen erhielten Strümpfe angemessen, die bis zum Knie reichten. Die Verum-Patienten erhielten Strümpfe, die 30−40 mmHg Druck ausübten, die Placebo-Patienten solche mit einem Druck von ca. 5 mmHg. Die Strümpfe sahen gleich aus.

Bei der Randomisierung konnten vergleichbare Patientengruppen zusammengestellt werden, gleichgültig, nach welchen Kriterien man fragte (Alter, Geschlecht, ein oder beide Beine, Behandlung mit Warfarin u. a.). Die Patienten wurden nach 1, 6, 12, 18 und 24 Monaten angesehen. Die Kontrolle erfolgte durch Ärzte oder speziell geschulte Krankenschwestern. Die Patienten wurden angewiesen, ohne ihre Kompressionsstrümpfe zu erscheinen, so dass den kontrollierenden Personen nicht bekannt war, ob sie zur Gruppe der Verum- oder der Placebo-Patienten gehörten.

Als erstes Ergebnis (primary outcome) wurden Ereignisse nach den Ginsberg-Kriterien beurteilt. Dieser Kriterienkatalog umfasst u. a. die Feststellung eines erneuten postthrombotischen Syndroms, Schmerzen, Schwellung, die mehr als einen Monat anhielt u. a. Als zweiter Endpunkt (secondary outcome) wurde nach dem Villalta-Score geurteilt. Dieser umfasst eine Scala von 1−5 (1 = nicht vorhanden, 5 = sehr schwer). Beurteilt wurden Schmerz, Krämpfe, Gefühl der Schwere, Kribbeln, Stechen, Jucken. Neben diesen subjektiven Angaben wurden auch objektive Dinge beurteilt wie prätibiale Ödeme, Haut-Indurationen, Hyperpigmentation, Rötung u. a. Das Ergebnis kann leicht zusammengefasst werden: Es ergaben sich zwischen beiden Gruppen keinerlei Differenzen (sowohl nach Ginsberg- als auch nach Villalta-Kriterien). In Untergruppenanalysen, zum Beispiel nach BMI oder Alter, wurden ebenfalls keine Unterschiede deutlich.

Die Autoren hatten vor dem Beginn der sehr aufwändigen und ja auch Jahre in Anspruch nehmenden Arbeit die Literatur durchgesehen und zwei Arbeiten gefunden, die einen Vorteil der Kompressionsstrümpfe berichteten. Von diesen war aber keine verblindet, und es lagen auch nur kleinere Fallzahlen vor.

Wie üblich im Lancet, wird auch ein Kommentar veröffentlicht (3). Dieser beginnt mit der Feststellung, dass, folge man der vorliegenden Arbeit, der Arzt mit leeren Händen dastehe (was so ganz nicht stimmt: Die Antikoagulation wurde bei allen Patienten durchgeführt.). Der Kommentator räumt zwar ein, dass es sich um die erste und einzige randomisierte placebo-kontrollierte Studie handelt. Andere Studien mit kleineren Zahlen, zwar auch randomisiert, aber nicht verblindet, seien zu positiven Ergebnissen gekommen. Er verweist auf volurimetrische und rheologische Studien, die ebenfalls positiv ausfielen. Die Strümpfe könnten sogar die Ejektionsfraktion verbessern. Bei der Erklärung der Differenz (vorliegende Arbeit – bisheriges Wissen) ist der Kommentator einigermaßen ratlos. Immerhin weist er noch auf die möglicherweise besonders schlechte Therapietreue der Patienten der vorliegenden Studie hin. Eine andere Studie (NCT 01429714) laufe und könne vielleicht mehr Klarheit schaffen.

Fazit

In einer sehr sorgfältigen doppelblinden, randomisierten Studie über zwei Jahre konnte ein Nutzen von Kompressionsstrümpfen zur Vorbeugung eines postthrombotischen Syndroms nicht nachgewiesen werden. In einer von uns referierten Studie war bereits gezeigt worden, dass Kompressionsstrümpfe bei Schlaganfallpatienten Thrombosen nicht verhindern. Ältere, kleinere nicht verblindete Studien hatten positive Ergebnisse gezeigt.

Ist der Patient durch die Kompressionsstrümpfe stark belästigt oder müssen Hilfspersonen eingeschaltet werden, scheint man nach dem jetzt vorliegenden Kenntnisstand nichts falsch zu machen, wenn man sie weglässt.

Interessenkonflikte

Ein Interessenkonflikt wird vom Autor verneint.

Literatur
  1. Höffler D: Lange Kompressionsstrümpfe bei Schlaganfall-Patienten nicht sinnvoll. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2010; 37: 19.
  2. Kahn SR, Shapiro S, Wells PS et al.: Compression stockings to prevent post-thrombotic syndrome: a randomised placebo-controlled trial. Lancet 2014; 383: 880-888.
  3. ten Cate-Hoek AJ: Elastic compression stockings – is there any benefit? Lancet 2014; 383: 851-853.